Juice-Technology-CEO Erni: „Jetzt ist der Punkt, an dem es richtig losgeht“
Dass die Elektromobilität anzieht, ist nicht nur angesichts der aktuellen KBA-Zahlen ersichtlich. Doch nicht nur die Autobauer spüren die neue Nachfrage, sondern auch Ladeinfrastruktur-Anbieter wie Juice Technology. Wie sich das Schweizer Unternehmen auf das Wachstum vorbereitet.
* * *
Selbst im Vorzeige-Land China stagnieren seit der Subventionskürzung die Verkäufe, die Autobauer seien nur auf das knappe Erreichen der Quoten aus und ab und zu ruft noch jemand nach Wasserstoff als den wahren Antrieb der Zukunft – auch im Jahr 2020 sieht sich die Elektromobilität immer noch großer Kritik ausgesetzt. Es werden Zweifel geschürt, zuletzt wurde auch rund um die Vorgänge um das Münchner Elektroauto-Startup Sono Motors gefragt, ob das mit der Elektromobilität in Deutschland und Europa überhaupt etwas werden könne.
Fragt man Christoph Erni, ist die Sache klar. „Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem es richtig losgeht“, sagt der CEO von Juice Technology. „Es ist nicht nur ein kleiner Trend der sich erst noch entwickeln muss. Elektromobilität ist da und der Mega-Trend überhaupt.“ Als Anbieter von Ladelösungen wirken sich Verkaufszahlen von Elektroautos relativ direkt auf sein Unternehmen aus. „Wir spüren bereits seit Anfang 2019 eine deutliche Steigerung der Nachfrage, damals vor allem wegen der bevorstehenden Markteinführung des Tesla Model 3“, so Erni. „Aber ganz speziell im Verlauf der vergangenen Wochen hat es nochmals massiv angezogen – es kommen viele attraktive Modelle auf den Markt.“
Genaue Zahlen nennt Juice nicht, nur so viel: Alleine über den „weltweit größten Onlinehändler“ – also Amazon – habe man 2019 den Umsatz um den Faktor 20 erhöht. „Das sind Steigerungsraten bei Hardware-Verkäufen, die sonst nur IT-Unternehmen erreichen“, sagt Erni.
Juice Technology bietet verschiedene Ladelösungen für Heimlader, gewerbliche Nutzer wie etwa Werkstätten, über eine Kooperation mit Alpitronic aber auch eine DC-Schnellladelösung mit bis zu 300 kW. Wichtigstes Produkt ist aber nach wie vor der Juice Booster, ein mobiler Wechselstrom-Lader, der mit Adaptern an die verschiedensten Steckdosen (von Schuko über andere Haushaltsanschlüsse, CEE-Industriedosen bis hin zu Typ2-Anschlüssen) angesteckt werden kann. Alleine auf dieses Produkt entfällt etwas mehr als die Hälfte des Jahresumsatzes – diesen nennt das Unternehmen aber nicht.
Im laufenden Jahr dürften Umsatz und die Bedeutung des Juice Boosters aber weiter zunehmen – vor allem wegen eines Deals mit Opel. Beim Corsa-e bieten die Rüsselsheimer gegen Aufpreis anstelle des normalen Typ-2-Ladekabels einen „Universal Charger“ an – einen von Opel umgebrandeten Juice Booster. „Wir haben schon 2019 sehr gut verkauft, wenn aber in den kommenden Tagen die erste Lieferung an Opel rausgeht, werden wir schon jetzt ähnliche Absatzzahlen erreicht haben“, sagt Erni. Zudem sei die Bestellrate bei den Corsa-e-Interessenten „bisher sehr hoch“. „E-Autofahrer und -käufer wollen sich nur einmal Gedanken über das Laden machen müssen und danach einfach eine Ladelösung mit allen Optionen dabeihaben“, preist Erni das eigene Produkt an.
Ein Argument, das nicht bei allen zieht. Dem Vernehmen nach zeigten sich einige PSA-Manager angesichts der Opel-Begeisterung für den „Universal Charger“ irritiert. Das Gerät brauche nur, wer regelmäßig an einer CEE-Dose laden wolle. Für alle anderen reiche ein gewöhnliches Typ-2-Kabel aus, das sei leichter, praktischer und vor allem günstiger, so der Tenor. Obwohl eine Peugeot-Sprecherin am Rande der Fahr-Vorstellung des 208-e im Oktober gegenüber electrive.net ankündigte, dass auch Peugeot einen „Universal Charger“ anbieten werde, ist das Produkt immer noch nicht in der Preisliste zu finden.
Fortgeschrittene Gespräche mit anderen Autobauern
Im Gespräch mit electrive.net bestätigt Erni, dass man mit weiteren OEM im Gespräch sein, teilweise seien diese weit fortgeschritten – Namen nennt er jedoch nicht. Dem Kritikpunkt, teurer zu sein, widerspricht Erni aber. Im Einkauf koste der Juice Booster 2 einen Autobauer „in etwa“ so viel wie ein ICCB-Kabel und ein Typ-2-Kabel. Nur: Immer weniger Autobauer legen beide Kabel bei, oft ist ab Werk nur ein „Ladeziegel“ zum langsamen Laden an Schuko-Steckdosen an Bord, selbst das Typ-2-Kabel muss der Kunde selbst kaufen.
Aktuell fertigt Juice seine Produkte bei Partnern, die fünf Produktionslinien laufen rund um die Uhr. Bei den Auftragsfertigern hat sich Erni bereits weitere Kapazitäten zusichern lassen, um weiteres Wachstum oder den Großauftrag eines Autobauers auch bedienen zu können. „Alles was der der Markt verlangt, werden wir auch herstellen können“, sagt der Juice-CEO. „Das ist ein zentraler Punkt, sonst wären wir nicht zukunftsfähig.“ Rund drei Monate würde es dauern, um die Produktion von den fünf auf 30 Produktionslinien zu erweitern. „Müssten wir bei steigender Nachfrage erst selbst neue Fabriken und Produktionshallen bauen, wären wir schlichtweg nicht schnell genug“, begründet Erni die Entscheidung gegen eine eigene Fertigung.
In diesem Punkt haben Konkurrenzunternehmen anders entschieden. Der niederländische Hersteller EVBox hatte 2018 den französischen Hersteller EVTronic übernommen und damit auch dessen Werk in Bordeaux. Dieses wurde renoviert und ausgebaut – auch hier wurde die stark steigende Nachfrage als Grund genannt. „Mit unserer neu renovierten Fabrik in Bordeaux haben wir unsere Produktionskapazität für Schnellladestationen mehr als verdreifacht“, sagte Kristof Vereenooghe, CEO von EVBox, im November.
Schlüsselstelle ist der Materialeinkauf
Produktionskapazitäten sind das Eine, die Lieferkette und der Materialeinkauf für stark steigende Stückzahlen das andere. Hier liegt auch ein großes finanzielles Risiko. „Wir haben gigantische Beträge eingesetzt, um genügend Bauteile einzukaufen oder zu reservieren“, sagt Erni. „All das zu koordinieren ist bei der Vielzahl an Lieferanten und Komponenten inzwischen eine unserer wichtigsten Aufgaben. Ein winziges und günstiges Bauteil das fehlt oder aus unterschiedlichen Gründen nicht geliefert werden kann, kann dazu führen, dass wir das Produkt am Ende nicht fertigen können.“
Die weitere Entwicklung bei mobilen und stationären Ladelösungen sieht der frühere IT-ler eher in der Soft- als der Hardware. In der Programmierung liegt laut Erni auch der große Unterschied zu anderen Ladelösungen. „Jedes Fahrzeug-Modell hat technisch gesehen seine Eigenheiten und Charakteristika beim Laden, jedes Stromnetz ebenfalls“, sagt Erni. „So ergibt sich eine Vielzahl an Sonderfällen, die berücksichtigt werden müssen, wenn wir eine zuverlässige Ladung ermöglichen wollen.“ In der nächsten Generation komme vor allem das netzdienliche Lastmanagement dazu. „Hier ist aber für die meisten Energieversorger noch nicht richtig klar, wie das im Detail aussehen soll“, bemängelt Erni.
4 Kommentare