Ford-Manager: „Nur elektrisch zu sein, ist nicht gut genug.“
Seit dem glücklosen Focus Electric hat Ford in Europa kein Elektroauto mehr im Angebot. Mit dem Mustang Mach-E soll nun alles anders werden. Im Interview spricht Ted Cannis, Director Global Electrification bei der Ford Motor Company, über die Ausrichtung des Mustang Mach-E, die Entwicklung der Nachfrage und verrät auch interessante Details zur Batterie.
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Herr Cannis, warum hat Ford bei der Einführung des Mustang Mach-E einen solchen Fokus auf Europa gelegt?
Europa ist ein wichtiger Bestandteil der globalen Elektrifizierung. Daran gibt es keinen Zweifel. Und – zum Glück für uns – gibt es hier sehr viele interessierte Kunden. Ich habe mich erst vor wenigen Tagen mit Händlern aus Deutschland und den Niederlanden getroffen. Über die Händler und die Reservierungsinhaber bekommen wir ein sehr großes Interesse an dem Auto zurückgespielt.
Wenn Sie die Händler ansprechen: Kürzlich hat der Verband der Ford-Partner in Deutschland bekannt gegeben, dass nur 20 Prozent aller Händler den entsprechenden Side Letter für den Mach-E unterzeichnet hätten. Wie wollen Sie das Auto erfolgreich verkaufen, wenn es nur bei einem kleinen Teil der deutschen Händler steht?
Ich muss zugeben, ich habe mich mit den Händlern unterhalten, die die Vereinbarung unterzeichnet haben. Deutschland hat im Vergleich zu allen anderen Märkten, in denen wir den Mustang Mach-E anbieten, eine Besonderheit, die mir die Händler jetzt wieder bestätigt haben: In Deutschland denken viele, dass die Brennstoffzelle bald kommt. Egal ob ich mit Franzosen, Kanadiern oder Chinesen spreche, nirgendwo kommen die Bedenken gegenüber der Batterie, weil die Kunden auf Wasserstoff warten. Die Batterie-Technologie ist aber jetzt verfügbar, entwickelt sich immer weiter, das Laden wird einfacher, die Vorgaben der Regierungen gehen in diese Richtung und auch unsere Wettbewerber – es bewegt sich aktuell eine kritische Masse hin zu Batterie-elektrischen Autos. Noch hat aber nicht jeder diesen Wandel gespürt. Er kommt aber und ich denke, dass es auch in Deutschland einen großen Unterschied zwischen Anfang 2020 und Ende des Jahres geben wird – es kommen von allen Herstellern so viele attraktive Modelle auf den Markt.
Das Zögern der Händler wurde nicht mit Bedenken der Kunden oder dem Wunsch nach einem Brennstoffzellenauto begründet, sondern dass sich die Investitionen für den Mustang Mach-E betriebswirtschaftlich nicht rechnen – auch weil die Preise und Händlermarge knapp kalkuliert seien.
Ich denke, es geht weniger um das Auto als um die Frage, ob sie es für die richtige Technologie halten. Ist der Kunde bereit? Wir haben ausführliche Umfragen durchgeführt und die Reaktion – auch von deutschen Kunden – war durchweg positiv. Sie mögen das Design, die Reichweite von bis zu 600 Kilometern kommt gut an. Aber: Viele haben einfach noch keine Berührungspunkte mit Batterie-elektrischen Autos – eine neue Technologie bleibt eine neue Technologie. Selbst wenn in ganz Europa der Marktanteil von Elektroautos in diesem Jahr von grob zwei auf vier Prozent steigen sollte, reden wir immer noch über überschaubare Stückzahlen – 4 von 100 Kunden! Deshalb haben wir den Mustang Mach-E auch gezielt auf Early Adopter ausgelegt, das ist kein Volumenmodell. Early Adopters nehmen bei neuer Technologie auch Risiken in Kauf – und wenn es ein Umweg zu einem anderen Händler ist. In der frühen Phase sehe ich darin kein Problem. Am Anfang brauche ich nicht jeden Kunden dafür begeistern, ich muss die richtigen finden.
Was muss sich an den Autos oder der Infrastruktur ändern, dass Sie nicht nur die Kundschaft erreichen, die Sie als Early Adopter bezeichnen, sondern den Massenmarkt – und auch die Masse der Händler?
Um das zu erreichen, müssen in erster Linie die Kosten sinken. Das wird eine Weile dauern, Adaptionskurven verhalten sich meist exponentiell. Am Anfang wächst es nur langsam, aber danach geht das Wachstum durch die Decke. Solange die Kosten nicht weit genug sinken, konzentrieren wir uns auf unsere starken Marken – also etwa den Mustang, aber auch in einem ganz anderen Segment den Transit. Die Loyalität und die Margen sind höher.
Wie sieht der Kunde eines Mustang Mach-E aus? Ein Mustang-Fahrer, der von seinem V8 umsteigt?
Die Reservierungen sind auch für mich sehr überraschend. Wir haben sehr viele Neukunden, die noch keinen Ford besessen haben. Einer der Händler, mit denen ich mich unterhalten habe, hat 12 Reservierungen – alle Neukunden. Zudem sind sie mehr als zehn Jahre jünger.
Das Auto ist ein relativ flaches E-SUV, vielleicht eher ein E-Crossover. Wo verstecken Sie den Mustang?
Als wir das Auto entworfen haben, gab es Design-Kliniken. Da haben wir das Fahrzeug ohne Ford- und Mustang-Branding internationalen Kunden gezeigt, auch in Deutschland. Viele haben darin ein echtes Premium-Modell gesehen und Vergleiche zu deutlich höherpreisigen Autos gezogen. Mit der dynamischen Dachlinie, den dreigliedrigen Rückleuchten und den starken Schultern der hinteren Radkästen haben es viele als Mustang erkannt – obwohl wie gesagt kein Branding an dem Auto war. Ein Mustang sitzt auch hier (zeigt auf das Herz). Und das wird man auch beim Fahren spüren. Wir haben den Mach-E auf den selben Prüfständen wie den Ford GT und unsere Rennautos abgestimmt. Mit dem niedrigen Schwerpunkt der Batterie und dem E-Allradantrieb wird das Fahrverhalten sehr emotional. Da werden wir einen Mustang liefern.
Ein Ford Mustang ist auch für seinen Sound bekannt, jetzt kommt ein leiser Mustang.
(Lacht) Ja, darüber haben wir uns oft mit unseren guten Freunden bei Harley-Davidson unterhalten, die stehen mit ihrem Elektro-Motorrad vor ähnlichen Herausforderungen. Unsere Erfahrung aber hat gezeigt, dass der Sound kein Hemmnis sein wird. Wir waren mit Prototypen des elektrischen F-150 Pickup in den USA unterwegs. Dort hat niemand den Sound eines V8 vermisst! Das hat uns fast noch mehr geschockt als beim Mustang. Wir werden auf Wunsch aber auch einen sehr authentischen Sound im Mustang Mach-E haben.
Auch der Wettbewerb hat inzwischen E-SUV im Angebot. Wo sehen Sie den USP des Mustang Mach-E?
Nicht alle SUV fahren sich gut. Wir haben dieses Auto als echtes Driver’s Car entwickelt, es macht einfach Spaß und fährt sich gut. Obwohl es dynamisch aussieht, gibt es auch auf der Rückbank viel Platz – das schwarz abgesetzte Element am Dach kaschiert die Linie sehr gut. Und mit dem Wissen, dass die Kundschaft dieses Modells zehn Jahre jünger ist, haben wir die Software darauf ausgelegt.
Was meinen Sie damit?
Das Auto lernt Ihr Verhalten kennen und macht entsprechende Vorschläge. Wenn Sie immer zuhause anrufen, wenn Sie bei der Arbeit losfahren, wird das Auto Ihnen das vorschlagen. Oder die entsprechende Route erkennen, wenn Sie jeden Mittwoch nach der Arbeit ins Fitnessstudio statt nach Hause fahren. Zudem kann die gesamte Software Over-the-Air-Updates erhalten, damit das Auto über die Jahre frisch bleibt. Wir wollen unseren Kunden eine moderne User Experience bieten, die sich mit der Zeit entwickelt – so wie sie es von Websites oder Apps kennen.
Welche Rolle hat das Laden des Autos in der Entwicklung gespielt?
Im Auto war klar, welche Möglichkeiten uns die Batterie gibt – das haben wir mit 150 kW Gleichstrom-Schnellladen ausgenutzt. Die größere Herausforderung rund um das Laden lag außerhalb des Autos. Das liegt vor allem an der Sichtbarkeit der Ladepunkte: Ein Restaurant, ein Bekleidungsgeschäft oder eben eine Tankstelle sind eindeutig als solche erkennbar. Die Lader sind aber oft versteckt und es gibt kaum Hinweisschilder – und wenn die Kunden die Ladepunkte nicht sehen, existieren sie für sie nicht. Deshalb war es uns wichtig, die Ladepunkte in das Fahrzeug und die App „FordPass“ einzubinden. Hier können unsere europäischen Kunden Zugang zu über 125.000 Ladepunkten aus dem NewMotion-Roamingnetz erhalten sowie den HPC-Ladern von Ionity und das Laden auch einfach abrechnen.
Den Ladedienst Ford Charging Solutions haben Sie bereits vor Längerem angekündigt, aber immer noch keine Preise genannt. Welche Kosten fallen für Ihre Kunden an?
Wir werden den Dienst zum Start anbieten und unseren Kunden spezielle Angebote machen. Jetzt kann ich aber noch keine Zahlen nennen. Wir haben viel Geld investiert, auch in Ionity – deshalb muss der Dienst für den Kunden gut werden.
Ionity bietet Ladeleistungen von bis zu 350 kW, allerdings mit 800 Volt. Der Mustang Mach-E mit seiner Batteriespannung von 400 Volt kann nur mit bis zu 150 kW laden. Wird es ein Elektroauto mit 800-Volt-Technologie von Ford geben oder ist das Ultra-Schnellladen eher eine europäische Sache und global nicht von Bedeutung für Sie?
Es ist nicht nur Europa, auch in den USA werden von unseren Wettbewerbern entsprechende Infrastrukturen aufgebaut. Solche Ladeparks sind aber sowohl in Europa als auch den USA relativ gesehen selten, weil sie einfach teuer sind. Bisher sind auch die entsprechenden Fahrzeuge sehr teuer. Der Stress für die Batterie bei solchen Ladeleistungen ist enorm. Einige Leute, bei denen Geld quasi keine Rolle spielt, werden das Elektroauto anders nutzen. Wir zielen aber auf eine ökonomische Lösung, die möglichst lange hält. Für die nahe Zukunft werden wir bei solchen Ladeleistungen bleiben, wie wir sie heute anbieten.
Ist die Software inzwischen wichtiger als die Hardware?
Bei Elektroautos ist die Software mindestens so wichtig wie die Hardware, ja. Jetzt haben wir ein Fahrzeug, bei dem fast alle Module updatefähig sind. Warum also sollen wir das nicht ausnutzen, um dem Kunden Verbesserungen zur Verfügung zu stellen? Und klar, dafür müssen wir die Software ständig weiterentwickeln.
Sie haben sich nach eigenen Abgaben beim Mustang Mach-E für ein Driver’s Car entschieden. Konkurrenzprodukte definieren sich zunehmend über teilautonome Fahrfunktionen. Was plant Ford?
Auch das ist viel Software. Natürlich brauchen wir auch hierfür Hardware, etwa hochwertige Sensoren und Kameras. Hier sinken die Kosten, deshalb werden wir auch in diesem Bereich eine wachsende Verbreitung sehen. Volkswagen hat in unser Argo-Programm rund um das autonome Fahren investiert, was uns sehr stolz macht. Sie hätten in jedes Unternehmen investieren können, haben sich aber für uns entschieden. Das zeigt unseren technologischen Stand, auch wenn wir es nicht in jedem Fahrzeug bringen. Das Team bei Argo leistet hervorragende Arbeit. Eines der ersten Over-the-Air-Updates, das wir beim Mach-E bringen werden, ist das teilautonome Fahren – zumindest für die US-Kunden, da die Gesetzgebung in Europa restriktiver ist.
Zuletzt haben wir einige Probleme bei Audi, Mercedes und Jaguar gesehen, die wegen angeblich fehlender Batteriezellen die Produktion ihrer E-SUV drosseln mussten. Ihr Haupt-Konkurrent General Motors plant in Ohio eine eigene Batteriezellproduktion. Wie haben Sie sich gegen eine Batterieknappheit abgesichert?
Gibt es wirklich eine Knappheit an Batteriezellen? Oder verkaufen sie einfach nicht genügend Autos? Wir werden sehen. Unser Tag wird kommen.
Was meinen Sie damit? Wer ist ihr Zelllieferant für den Mustang Mach-E?
Die Batteriezellen kommen von LG Chem aus Polen. Von dort aus werden sie nach Mexiko verschifft, wo wir sie zu einbaufertigen Batterie-Packs zusammensetzen – direkt neben der Produktion des Mustang Mach-E. Bis vor Kurzem hatten wir in Europa nur wenige Hybride im Angebot, Ford nutzt Lithium-Ionen-Batterien jedoch schon seit 2012. Wir haben 800.000 elektrifizierte Autos produziert und verfügen über viel Erfahrung sowohl bei den Lieferketten für diese Zellen als auch mit unseren Zulieferern selbst. Ich bin in diesem Punkt sehr zuversichtlich.
Wird auch die Produktion des Mustang Mach-E umweltfreundlich sein?
Eine komplett umweltfreundliche Lieferkette wird noch etwas Zeit brauchen. Wie und wo auf der Welt die Rohstoffe abgebaut werden, ist teilweise noch eine Herausforderung. Wir diskutieren viel mit unseren Lieferanten, aber der Prozess läuft noch. Bei der Batteriezellproduktion und in unseren Werken wird das Thema Nachhaltigkeit aber natürlich auch immer wichtiger. Die große Frage bleibt natürlich die Energiequelle.
Ein großer Faktor bei der Umweltbilanz der Produktion ist die Größe der Batterie. im Mustang Mach-E bieten Sie mit bis zu 98,8 kWh eine sehr große Batterie an. Werden Batteriegrößen und Reichweiten wieder sinken, wenn die Phase der Reichweitenangst bei den Kunden überwunden ist?
Das kommt immer darauf an, wen Sie fragen. Der Ingenieur sagt, wenn der Kunde morgens 35 Kilometer zur Arbeit und abends wieder nach Hause fährt, braucht er eine Batterie, die ihm 80 Kilometer Reichweite ermöglicht, mehr nicht. Kunden und Marketing hätten gerne 700 Kilometer. Mit bis zu 600 Kilometern nach WLTP haben wir meiner Meinung nach aktuell für die Early Adopter ein gutes Angebot.
Nochmals: Was kommt danach? Wird für ein Elektroauto des Jahrgangs 2025 die Reichweite immer noch der differenzierende Faktor sein?
Es wird beides geben – kleinere, günstigere Batterien und die großen mit enormer Reichweite. Es ist natürlich immer ein Ratespiel, aber in Europa werden wir 2025 rund 15 Prozent Batterie-elektrische Autos haben. Das wird sich aber nicht gleichmäßig entwickeln, wir werden deutlich mehr Elektroautos in Deutschland sehen als etwa in Griechenland. Der Early Adopter ist mit den 600 Kilometern vielleicht zufrieden, weil seine Wohnsituation das zulässt. Der nächste Kunde scheut womöglich das Risiko und wartet erst einmal ab, bis er bei dem Elektroauto seines Onkels sehen kann, dass Elektromobilität im Alltag wirklich problemlos funktioniert. Es wird also eine ganze Weile dauern, bis wir kleinere Batterien sehen werden.
Wird Ford CO2-Strafzahlungen in der EU umgehen können?
Wir müssen! Während jeder Hersteller neue Modelle und Bezeichnungen bringt – e-tron, I-Pace und so weiter – setzen wir auf Marken, die die Kunden kennen und schnell verstehen. Es dauert schon lange genug, Elektromobilität an sich zu erklären. Alle sind Null-Emissions-Fahrzeuge, alle sind grün. Nur elektrisch zu sein, ist nicht gut genug. Deshalb setzen wir dort an, wo wir stark sind: Mustang, Transit und in Nordamerika beim F-150.
Herr Cannis, wir danken für das Gespräch!
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