Software-Probleme: VW ID.3 „weit entfernt von Marktreife“?
Über angebliche Software-Probleme beim VW ID.3 wurde bereits häufiger berichtet. Nun bestätigte ein Sprecher erstmals die Probleme, während Insider einem neuen Bericht zufolge noch weiter gehen.
Volkswagen wird den ID.3 wegen anhaltender Probleme mit der Software wohl nur in einer „abgespeckten“ Version auf den Markt bringen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ heute spekuliert. An dem seit Langem kommunizierten Zeitplan mit Auslieferungsbeginn im Sommer will der Konzern festhalten – VW-Chef Herbert Diess hatte das nochmals bei der Vorstellung der Jahreszahlen vergangene Woche wiederholt. Nun kommen andere Töne aus Wolfsburg: Man werde „die eine oder andere geplante Funktion“ erst mal streichen und dann später über ein Update nachliefern, bestätigte ein VW-Sprecher der Zeitung. „Super läuft es nicht“, so der Sprecher. Es liegt nahe, dass die Coronakrise die Lage im Moment eher noch verschärft.
Konzerninsider, die das Blatt zitiert, halten das offenbar für eine Untertreibung. „Das ist nicht mehr zum Lachen“, soll „einer aus dem Konzern“ gesagt haben. „Das Auto ist weit entfernt von der Marktreife.“ Eine andere Quelle ist ebenfalls der Ansicht, dass man „nicht mal in der Nähe eines industriellen Fertigungsprozesses beim ID.3“ sei. VW-Chef Diess werde im Sommer ganz bestimmt ein paar Autos haben, die er herzeigen könne, „aber die basteln wir in Handarbeit hin, damit irgendwas dasteht. Das hat mit Serienproduktion nichts zu tun“.
Der ID.3 kommt nicht nur mit einem neuen Antriebs-Baukasten, dem MEB, sondern auch mit einer komplett neuen Software-Architektur samt Betriebssystem. Mit der neuen Fahrzeug-IT wollte VW eigentlich die Komplexität im Auto selbst mit den unzähligen Steuergeräten verringern. Ende Februar gaben VW-Insider gegenüber dem „Manager Magazin“ an, dass die Grundarchitektur der Software „zu hastig“ entwickelt worden sei, in der Folge würden sich viele Systemteile nicht verstehen, was zu Aussetzern führe.
Ein Problem ist offenbar das geeignete Personal. „Es ist ein absolutes Desaster“, zitiert die „SZ“ eine interne Quelle. „Wir kriegen einfach die Leute nicht.“ Zu den fehlenden Programmierern und Software-Experten kommen auch Abgänge wichtiger Manager. So verlässt etwa Martin Hofmann, als CIO für die gesamte IT bei VW verantwortlich, Ende März das Unternehmen.
Aus diesem Grund soll VW der „SZ“ zufolge ein neues Szenario prüfen: Eine Software-Allianz mit Daimler. Ein Treffen auf Vorstands-Ebene habe bereits stattgefunden, ohne dass Aufsichts- oder Betriebsrat informiert worden seien. Dabei soll unter anderem erörtert worden sein, ob Daimler und VW gemeinsam ein Betriebssystem für Autos entwickeln könnten. So könnten nicht nur Kosten für die Eigenentwicklungen gespart werden, sondern auch die verfügbaren Kompetenzen und Personal bestmöglich genutzt werden. Die Konzerne scheinen die Bedeutung der Software erkannt zu haben, doch nun fehlen die Mittel, den Vorsprung von Tesla in diesem Bereich nicht noch größer werden zu lassen. Die Kalifornier konnten ihre Software-Architektur von Grund auf entwickeln und mussten nicht auf bestehende Lieferketten Rücksicht nehmen. Die Tesla-Software ist deutlich effizienter aufgebaut und läuft auf einem zentralen Steuergerät – was Updates oder Ähnliches ungleich einfacher macht.
Das Pikante: Daimler ist bereits in Gesprächen mit BMW über eine gemeinsame Software-Entwicklung. Die Stuttgarter fahren also zweigleisig und stehen nun schlecht da. Eine Kooperation der drei Konzerne scheint unwahrscheinlich, nicht nur aus kartellrechtlichen Gründen: VW hat mit Herbert Diess, Bald-Audi-Chef Markus Duesmann und Audi-Marketing-Vorständin Hildegard Wortmann dem bayerischen Konkurrenten in der jüngeren Vergangenheit mehrere Top-Manager abspenstig gemacht.
sueddeutsche.de
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