Corona-Krise: Lobbyverbände bringen Verschiebung der CO2-Vorgaben ins Gespräch
Vor dem Hintergrund der Corona-Krise wird über eine Verschiebung der CO2-Vorgaben der EU für die Autobranche und damit der drohenden Strafzahlungen der Hersteller diskutiert. Alle Lobbygruppen der europäischen Automobilindustrie haben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschrieben und für eine Lockerung der CO2-Ziele für Autos plädiert.
Der Brief wurde von den europäischen Lobbygruppen der Hersteller, Zulieferer, Reifenhersteller und Händler unterzeichnet. In dem Schreiben wiesen die Lobbygruppen auf die „erheblichen Herausforderungen“ hin, die die aktuelle Covid-19-Krise auf den Automobilsektor haben „und die Maßnahmen, welche die Europäische Kommission vor diesem Hintergrund potenziell treffen“ könne.
Dabei geht es zum einen um die Finanzierung: Die Verbände äußern die Ansicht, „dass mehr getan werden sollte, um großen und kleinen Unternehmen Liquidität zur Verfügung zu stellen“. Über die angekündigten Initiativen der Europäischen Zentralbank und Europäischen Investitionsbank hinaus.
Zum anderen geht es um die CO2-Vorgaben, ohne diese konkret zu benennen. „Derzeit finden keine Produktions-, Entwicklungs-, Test- oder Homologationsarbeiten statt. Dies stört die Pläne, die wir gemacht hatten, um uns darauf vorzubereiten, bestehende und zukünftige EU-Gesetze und -Vorschriften innerhalb der in diesen Vorschriften festgelegten Fristen einzuhalten“, heißt es in dem Brief. Man glaube daher, dass einige Anpassungen am Zeitpunkt dieser Gesetze vorgenommen werden müssten. „Wir versichern Ihnen jedoch, dass wir weder die Gesetze als solche noch die zugrunde liegenden Ziele der Verkehrssicherheit, des Klimaschutzes und des Umweltschutzes in Frage stellen wollen.“
Auf Anfrage der „Automobilwoche“ wollten sich weder der VDA noch der ACEA zu dem Brief äußern. VDIK-Präsident Reinhard Zirpel sagte der Zeitung, dass es noch „viel zu früh für eine Prognose“ sei. Er äußerte aber die Vermutung, dass die Krise den Modellmix verändern könnte – weg von Elektroautos.
Die deutschen Hersteller Volkswagen, Daimler und BMW betonen derweil, die CO2-Grenzwerte unverändert einhalten zu wollen. Auch die Nicht-Regierungs-Organisation Transport & Environment hält „ein solches Plädoyer derzeit für unbegründet“. Es könne vielmehr langfristig die Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie in Europa schädigen.
Wir erinnern uns: 2020 müssen 95 Prozent der Neuwagenverkäufe im Schnitt unter dem Ziel von 95 Gramm CO2 pro Kilometer liegen, für 2021 dann 100 Prozent. „Sinkende Autoverkäufe wirken sich daher nicht automatisch auf die Einhaltung aus“, schreibt T&E. „Die Einhaltung würde sich auswirken, wenn sich die Art der verkauften Fahrzeuge ändert und nicht die tatsächliche Anzahl.“
Vor dem Hintergrund der aktuellen Marktentwicklung schätzt T&E übrigens, dass die Verkäufe von Elektroautos – den angekündigten Premieren von wichtigen Modellen wie dem VW ID.3 und Fiat 500 zum Trotz – in den Quartalen 2 bis 4 niedriger ausfallen werden. Aber: „Selbst ohne neue Modelle lag der Umsatz im ersten Quartal bereits an der Obergrenze dessen, was Automobilhersteller benötigen, um die Compliance-Ziele zu erreichen. Diese emissionsfreien Fahrzeugverkäufe werden erheblich zur Erreichung der CO2-Ziele im Jahr 2020 beitragen.“ Der EV-Anteil in Europa werde in diesem Jahr im Korridor zwischen drei und sieben Prozent liegen.
acea.be (Brief als PDF), transportenvironment.com, automobilwoche.de (Reaktionen)
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