ZF-Division E-Mobility: Jörg Grotendorst vor Abgang?

ZF Friedrichshafen verliert offenbar seinen Elektro-Frontmann: Medienberichten zufolge verlässt Jörg Grotendorst, Chef der Division E-Mobility, den Zulieferer nach nur vier Jahren. Sein Abgang in schwierigen Zeiten wäre wohl ein herber Verlust für das Stiftungsunternehmen.

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Wie der „Südkurier“ vor ein paar Tagen berichtete, soll Jörg Grotendorst den Zulieferer vom Bodensee bereits in Kürze verlassen. Er tritt dem Artikel zufolge einen neuen Posten in einem „automobilnahen Unternehmen mit großem Zulieferbereich“ an und sei vom Aufsichtsrat seines neuen Arbeitgebers „bereits bestellt worden“.  ZF Friedrichshafen hat den Abgang von Grotendorst, der seit 2016 die in Schweinfurt eigens geschaffene Division für Elektroantriebe leitet, weder bestätigt noch dementiert. Auch eine Anfrage von electrive.net blieb unbeantwortet.

Im „Südkurier“ wird über ein Zerwürfnis zwischen Grotendorst und ZF-Vorstandschef Wolf-Henning Scheider spekuliert. Angeblich gab es größere Unstimmigkeiten zur strategischen Ausrichtung des Konzerns. Scheider, der 2018 als Nachfolger von ZF-Chef Stefan Sommer installiert wurde, hatte sich in der Öffentlichkeit nie ausdrücklich als Elektro-Vordenker präsentiert. „Man darf nicht die Strategie eines einzelnen Unternehmens mit der gesamten Branche gleichsetzen“, hatte er etwa über die Elektroauto-Offensive von Volkswagen gesagt. Am Ende müsse der Kunde die Produkte kaufen und da werde „es nicht nur die eine Lösung geben“, meinte Scheider, der massiv auf das Geschäft mit Getrieben für Plug-in-Hybride setzt.

Hört man sich in Branchenkreisen genauer um, ist der kolportierte Abgang mehr als wahrscheinlich. Grotendorst bräuchte ein progressiveres Umfeld, meinen manche Beobachter. Schließlich hat sich der Noch-Chef der Division für Elektromobilität schon bei seinen früheren Arbeitgebern Siemens und Continental einen Namen als Experte für die Industrialisierung von E-Antrieben gemacht. Den Standort in Schweinfurt zum Zentrum für Elektromobilität zu entwickeln, geht auf sein Konto. Ebenso zahlreiche Joint Ventures wie das mit der Wolong Electric Group in China oder die Kooperation mit Cree. Die neuen Werke für E-Antriebe in Pancevo (Serbien) und Hangzhou (China) stehen bei Grotendorst ebenfalls auf der Haben-Seite. Zudem soll er maßgeblich daran beteiligt gewesen sein, Mercedes als Großkunden für die Elektroantriebe des EQC und diverser Transporter-Modelle gewonnen zu haben. Einen adäquaten Nachfolger für Grotendorst zu finden, dürfte für ZF jedenfalls keine leichte Aufgabe sein.

Für ZF kommt die Personalie aber auch aus anderen Gründen zur Unzeit: Die Coronakrise schüttelt die gesamte Autoindustrie durch und wird zu deutlichen Umsatzeinbrüchen in allen Bereichen führen. Parallel bindet die Übernahme des US-Bremsenherstellers Wabco derzeit Management-Kapazitäten und Kapital. So geht der Zulieferer mit Schulden und wechselwilligen Top-Managern einer unsicheren Zukunft entgegen. Dass ausgerechnet im Zukunftsbereich der Elektromobilität nun Unruhe in Führungsfragen herrscht, kann ZF-Vorstandschef Scheider eigentlich nicht lange unkommentiert lassen.

Update 24.04.2020: Inzwischen wurde der Abgang bei ZF offiziell bestätigt – Grotendorst geht demnach zum Jahresende. Der 50-Jährige wird Vorstandsmitglied beim Technologiekonzern Rheinmetall und wird dort die Automotive-Sparte leiten.

6 Kommentare

zu „ZF-Division E-Mobility: Jörg Grotendorst vor Abgang?“
ZF Mitarbeiter
31.03.2020 um 14:29
Bitte wittern Sie nichts Negatives, wenn ein umsichtiger Firmenchef Ihnen nicht gleich antwortet (Personalien gehören nun mal nicht in die Öffentlichkeit). Seine Strategie für Hybride ist durchaus korrekt und wenn der Kunden einen Antrieb für E-Auto will, dann bekommt er den auch. Aber die OEMs bauen ihre Antriebe für reine E-Autos mittlerweile gerne selbst (VW, ...). Vielleicht liegt es an Hr. Grotendorst, dass er nie lange in einer Firma verbleibt?
ex ZF Mitarbeiter
01.04.2020 um 15:23
Vielleicht hätte man sich mehr Erfolge gewünscht, nicht nur auf PowerPoint-Folien, und dann doch schnell einen rühmlichen Abgang, vor der Ernüchterung
Gerd
01.04.2020 um 15:06
Und noch ein Nachtrag auf "und wenn der Kunden einen Antrieb für E-Auto will, dann bekommt er den auch":Dass Kunden E-Antriebe wollen belegen die Tesla-Zulassungszahlen in verschiedenen Märkten. Aber wo ist denn ein deutscher E-Antrieb, der auch nur ansatzweise die Effizienz eines M3 erreicht? 5-10 Jahre Rückstand hat ZF, und mit Fokus auf Hybrid wird man bestenfalls noch Technologieführer in einem absehbar toten Segment!
TIER1
01.04.2020 um 16:55
Aber wo ist denn ein deutscher E-Antrieb, der auch nur ansatzweise die Effizienz eines M3 erreicht?Meiner Meinung liegt das Problem hier primär nicht bei ZF(oder den Zulieferern im Allgemeinen) sondern bei den OEMs selbst. Die Zulieferer bauen für die OEMs ja nicht irgendwas sondern, halten sich an das was im Lastenheft verlangt wird. Es ist ja nicht so, dass Tesla alles selbst entwickeln würde, auch dort wird das meiste von Zulieferern entwickelt. Der Unterschied scheint aber zu sein, dass sie bei Tesla scheinbar ein viel besseres Systemverständnis als andere OEMs haben was Elektroanwendungen betrifft.
Markus Wolter
01.04.2020 um 09:01
"wenn der Kunden einen Antrieb für E-Auto will, dann bekommt er den auch" Das klingt genauso widerwillig, wie BMW seine E-Autos ankündigt. Auch da sind auch die Innovativen längst über alle Berge. Die Zukunft wird zeigen, wer überlebt.
Gerd
01.04.2020 um 14:33
Hört sich nach einer vergleichbaren Situation wie beim Abgang von Breitfeld, Kirchert & Co bei BMW an.Die deutsche Industrie (abseits der VAG) will lieber mit V8-SUVs und compliance cars untergehen. Siehe auch die Statements von Stefan Wolf (ElringKlinger) mit der Forderung nach Verbrenner-Förderung. Im Gestern verharren ist die neue deutsche Strategie. Tschüß BMW, Daimler und Gefolge. Es ist ein freier Entschluss!

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