Fastned-CEO Langezaal über Mobility Service Provider: „Das ist kein Geschäftsmodell, das lange überleben wird.“
Von der wachsenden Anzahl an Elektroautos profitieren auch Lade-Anbieter wie Fastned – die Niederländer konnten 2019 ihren Lade-Umsatz um 178 Prozent steigern. Wie aber geht es weiter? CEO Michiel Langezaal spricht im Interview über die Ausbaupläne, faire Lade-Preise und die Rolle der Mobility Service Provider.
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Vor ein bis zwei Jahren hat Fastned innerhalb kurzer Zeit 15 Schnellladestandorte in Deutschland eröffnet, seitdem ist es deutlich ruhiger geworden. Was ist der Grund?
Wir arbeiten Schritt für Schritt. Alle paar Monate haben wir eine neue Finanzierungsrunde und entscheiden uns, wo wir investieren. Deshalb läuft das immer schubweise. Aber auch der ermittelte Bedarf, Grundstücke, Genehmigungen, Netzanschlüsse und so weiter spielen eine wichtige Rolle.
Es wurde berichtet, dass Sie bei Hilden nahe Düsseldorf elf Ladesäulen bauen werden – im Rahmen eines Projekts von Roland Schüren. Dort soll auch ein großer Tesla-Supercharger-Ladepark entstehen. Können Sie uns ein Update zu dem Projekt geben?
Das stimmt, wir arbeiten an dieser Station. Es ist ein cooles Konzept von Herrn Schüren, das rund um seine Bäckerei entstanden ist. Der Standort ist sehr gut und als er nach Partnern für Ladestationen gesucht hat, sind wir uns sehr schnell einig geworden. Wir haben dort das Recht, bis zu elf Ladesäulen zu errichten. Wir werden aber mit einer kleineren Anzahl starten, das wird je nach Marktentwicklung Schritt für Schritt gehen.
Wie lange dauert es, bis ein Ladepark umgesetzt werden kann?
Teilweise liegen zwischen den ersten Gesprächen und der Eröffnung eines Standorts zwei Jahre. Manchmal aber auch fünf Jahre.
Wie lassen sich mit solchen Unterschieden verlässliche Unternehmensziele erstellen?
Unsere Mission ist eine Freiheit für Elektroautofahrer, deshalb peilen wir langfristig 1.000 Stationen in Europa an. Mit dieser Mission gehen wir an die Arbeit: Wir werden weiterhin Ladestationen in Deutschland bauen, wir werden weiterhin in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich bauen.
Es gibt doch sicher auch kurzfristigere Ziele.
Wir werden 2020 mit dem Bau unserer ersten Ladestation in Belgien beginnen, das stimmt. Wir arbeiten auch hart daran, die erste Station in der Schweiz zu eröffnen. Das kann noch Ende 2020 klappen, vielleicht aber auch erst 2021.
Die E-Auto-Verkäufe in ihrem Heimatmarkt in den Niederlanden haben 2019 enorm zugelegt, vor allem durch das Tesla Model 3 getrieben. Sehen Sie dieses Wachstum auch an Ihren Standorten?
Natürlich, im vierten Quartal war es atemberaubend! Wir haben zum ersten Mal mehr als eine Million Kilowattstunden in einem Monat verkauft. Das ist die Folge des exponentiellen Wachstums – die letzten Monate des Jahres sind ungleich stärker als der Jahresbeginn. Um den enormen Unterschied zu verdeutlichen: Die Einnahmen im 4. Quartal übertrafen die Gesamtjahreseinnahmen von 2018. Und 2019 war unser operatives Geschäft zum ersten Mal EBITDA-positiv. Laden ist ein tragfähiges Geschäftsmodell!
Das Gesamtunternehmen ist jedoch noch in den roten Zahlen, vor allem wegen der hohen Investitionen in neue Ladeparks. Wie viel müssen Sie investieren, um eine Ihrer Schnellladestationen zu bauen? Sagen wir mit 2x 175 kW?
Das variiert von Standort zu Standort, in der Regel liegt die Spanne zwischen 250.000 und 500.000 Euro. Dafür haben wir einen Netzanschluss mit ein bis zwei Megawatt, zwei bis vier HPC-Ladepunkte und ein Grundstück, auf dem wir mit der Zeit zusätzliche Ladepunkte errichten können. Aber eine halbe Million Euro für einen gut entwickelbaren Standort ist eine gute Hausnummer.
Dabei setzen Sie aber auf eigene Grundstücke.
Wir mieten die Grundstücke von Grundbesitzern. Das ist natürlich etwas teurer, dort selbst Netzanschlüsse zu legen und Erdarbeiten durchzuführen. Einige Wettbewerber sind nur Dienstleister auf dem Gelände eines bestehenden Parkplatzes, einer Autobahn-Raststätte zum Beispiel. Damit können sie oft auf vorhandene Leitungen und so weiter zurückgreifen, sind aber auch abhängiger.
Bei der Standortauswahl sind Sie oft an die Behörden gebunden.
Aber auch dort wird ein Umdenken einsetzen. Ein Tankstellenbetreiber benötigt eine spezielle Genehmigung, um Kraftstoffe verkaufen zu dürfen. Wenn diese Genehmigungen erneuert werden, werden sich Städte wie Düsseldorf, Köln oder München fragen, ob sie noch so viele Tankstellen wie heute benötigen, wenn der Verkehr zunehmend elektrisch wird. Und dann wird womöglich keine Genehmigung für den Betrieb einer Tankstelle ausgeschrieben, sondern für eine Schnellladestation. So kann die Station selbst gewissermaßen recycelt werden, weite Teile der Anlagen sind bereits vorhanden und die Standorte passend für eine Schnellladestation.
Wir sehen das teilweise schon heute entlang der Autobahnen. Das Schweizer Bundesamt für Straßen hat eine offene Ausschreibung über 30 Jahre für 100 Schnellladestationen an den Autobahnen ausgeschrieben. Dort konnte jeder ein Angebot abgeben, nicht nur die aktuellen Tankstellenbetreiber. Ich glaube, etwas Ähnliches wird auch in den Städten passieren.
Kern des Geschäftsmodells Schnellladen ist aus Sicht des Endkunden der Preis. Gerade Ionity hat dort im Januar mit der Preiserhöhung auf 0,79€/kWh eine Welle der Empörung losgetreten. Was ist für Sie als Lade-Anbieter ein fairer, aber auch attraktiver Preis?
Unser Preis liegt bei 0,59€/kWh. Dafür bieten wir eine Zugänglichkeit von 99,9 Prozent, einen 24/7-Service und zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien. Die Logik ist klar: Ab einem gewissen Punkt muss jedes Unternehmen Preise erzielen können, mit denen es ein profitables Geschäft erreichen kann.
Wie kommen Sie in den profitablen Bereich: Über den Stückpreis pro Kilowattstunde oder die Auslastung der Ladesäulen?
Der Schlüssel ist die Auslastung! Das ist wie bei Flugzeugen oder Zügen: Wenn zu viele Plätze frei sind, reicht eine kräftige Preiserhöhung bei den verbliebenen Passagieren immer noch nicht aus, um profitabel zu werden.
Kommen wir zurück zum Endkunden: Wenn dieser eine Station anfährt, weiß er oft nicht, was er dort für den Strom zahlen muss. Wie wichtig ist die Transparenz des Preises?
Enorm wichtig! Wenn Sie in der Bäckerei ein Brot kaufen, wollen Sie auch vorher wissen, was es kosten wird. Wir glauben fest daran, dass das selbe für das Laden gelten sollte: Ladestationen sollten den Strompreis klar und deutlich anzeigen. Wir versuchen, so transparent wie möglich zu sein und zeigen den kWh-basierten Preis auf allen unseren Ladestationen, in der App und auf unserer Website.
Es gibt teilweise noch enorme Unterschiede beim Laden an ein und derselben Säule – Pauschaltarife, kWh-basiert, nach der Ladezeit oder auch Kombinationen aus diesen Abrechnungsmodellen.
Wir glauben, dass die Preise so einfach wie möglich sein sollten. Unserer Meinung nach ist beim Schnellladen ein einfacher Preis pro Kilowattstunde das klarste Modell für den Kunden. In den Niederlanden fangen die Wettbewerbsbehörden inzwischen an, sich solche Themen anzuschauen. Das wird auch in anderen Ländern auf die Agenda kommen, da bin ich mir sicher.
Dennoch können Kunden weiterhin mit den Ladekarten anderer Mobility Service Provider zu anderen, teils deutlich geringeren Preisen als 0,59€/kWh an Ihren Stationen laden.
Das ist kein Geschäftsmodell, das lange überleben wird. Ich würde solche Unternehmen auch nicht als Mobility Service Provider bezeichnen. Sie sind Zahlungsdienstleister, die eine Zahlung zwischen dem Betreiber und dem Endkunden abwickeln. Ich halte es für ein Grundproblem unserer Branche, dass sich viele als Mobility Service Provider sehen, aber letztendlich nur eine Bezahlmethode für die Leistung anderer sind.
Sie bevorzugen es also, wenn Kunden über Ihre App laden?
Die App ist ein Weg, ja. Ladekarten als Zahlungsmittel haben auch ihre Berechtigung. Und wenn ein Ladekarten-Anbieter eine Transaktion über uns abwickeln möchte, machen wir das gerne möglich. Was wir aber auch wollen: Der Anbieter muss transparent machen, was wir für den Strom berechnen. Der Kunde muss klar sehen können, was zum einen der Strom kostet, aber was zum anderen von seinem Ladekarten-Anbieter berechnet wird.
Also wird es in diesem Bereich eine Marktbereinigung geben?
Die Branche wird sich in diese Richtung bewegen, ja. Es wird viel über die „Pay as you go“-Preise laufen, die der Ladepunktbetreiber verlangt. Auch für Mitgliedschaften sehe ich nur einen begrenzten Markt. Ladekarten sind ein Zahlungsmittel, und eine Zahlungsdienstleistung kostet nicht viel. Es gibt natürlich auch Marktteilnehmer, denen diese Entwicklung nicht gefällt. Wenn ein Ladekarten-Anbieter aktuell sieben Cent pro Kilowattstunde verdienen kann, weil etwa eine Gemeinde nicht darauf achtet, für wie viel Geld der Strom von diesem Anbieter weiterverkauft wird, ist das kein nachhaltiges Geschäftsmodell.
Spielt bei der Planung eines neuen Standorts auch das lokale Stromnetz eine Rolle? Bei voller Auslastung ist der Energiebedarf eines Schnellladeparks recht hoch.
In den Niederlanden sehen wir eine andere Entwicklung in den Stromnetzen. Häuser werden nicht mehr mit Gas oder Öl, sondern einer Wärmepumpe geheizt. Die Menschen kochen nicht mehr mit Gas, sondern mit Strom. Jetzt werden noch die Autos elektrisch – eben der Wandel von fossilen Brennstoffen zur Elektrizität. Der lokale Leistungsbedarf im Niederspannungsnetz steigt. Wenn dort nun auch noch viele Elektroautos zu Hause geladen werden sollen, die 11 kW oder mehr ziehen, müssen wir bald alle Straßen aufreißen und dickere Kabel verlegen. Das Mittelspannungsnetz kann deutlich mehr Leistung aushalten als das Niederspannungsnetz der Haushalte. Der Porsche Taycan oder das Tesla Model 3 sind gute Beispiele dafür, wo die Entwicklung von Elektroautos hingehen wird. In 15 Minuten wird es möglich sein, Strom für 300 bis 400 Kilometer nachzuladen. Damit kommt der Durchschnittsfahrer ein oder zwei Wochen lang aus. Nur mit hohen Ladeleistungen und einer entsprechenden Anzahl an Ladestationen können wir den Strom für eine große Anzahl an Elektroautos zur Verfügung stellen. In jede Garage und an jedem Parkplatz in der Straße Lademöglichkeiten zu installieren, wird viel teurer und belastender für die Stromnetze. Zudem kann der Ausbau gar nicht so schnell erfolgen.
Wie meinen Sie das?
Eine Schnellladestation, die ans Mittelspannungsnetz angeschlossen ist, kann relativ einfach um weitere Ladepunkte ergänzt werden. Beim AC-Laden müssen wir aber grob einen Ladepunkt pro Fahrzeug rechnen. Wenn sich die Zahl der Elektroautos jedes Jahr verdoppelt, müsste sich auch die Zahl an AC-Ladepunkten jedes Jahr verdoppeln. Beispiel: Sagen wir, ein Techniker kann einen AC-Ladepunkt am Tag installieren. Um einen Mittelspannungsanschluss zu verlegen, benötigen wir zwei oder drei Techniker für eine Woche. Dann können wir 500 Autos am Tag laden. AC-Laden ist auf Dauer nicht skalierbar.
Wenn die Auslastung von Schnelllade-Stationen steigt: Müssen dann Technologien wie Solarpanels oder Batteriespeicher eingesetzt werden, um den lokalen Spitzenleistungsbedarf zu decken oder abzumildern?
Vielleicht in der Zukunft. Das wird ein Thema, wenn wir an einem künftigen Standort zehn 350-kW-Stationen haben, die gut ausgelastet sind und im Schnitt zwischen 150 und 200 kW laden. Dann ergibt es Sinn. Wenn wir über vier Ladepunkte reden, stellt sich die Frage nicht. Zudem ist der Netzanschluss derzeit günstiger als ein entsprechend großer Batteriespeicher. Aber in fünf bis zehn Jahren wird sich sehr viel entwickeln.
Herr Langezaal, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
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