Debatte über Kaufprämie: „Es darf keinen Abverkauf geben“
Die Bänder in den Auto-Werken stehen still, die Händler haben geschlossen. Um die Nachfrage nach der Corona-Pandemie wieder anzukurbeln, werden nun aus Politik und Wirtschaft Forderungen nach einer Kaufprämie laut. Wie aber könnte eine solche Förderung für umweltfreundliche Fahrzeuge aussehen? Und was bedeutet sie für die Elektromobilität? Eine erste Einschätzung.
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Die Ansagen sind klar: „Vor allem der Umstieg auf umweltfreundliche Antriebe kann damit wesentlich beschleunigt und die Automobilindustrie im Strukturwandel unterstützt werden“, sagt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht in der Krise eine „Riesenchance, den klimafreundlichen Antrieben zum Durchbruch zu verhelfen, und zwar in der Breite“.
Zwei Ministerpräsidenten, die in der Autobranche und der Wirtschaftspolitik mit VW, Audi, BMW und zahlreichen Zulieferern ein großes Gewicht haben, sprechen sich also für eine Förderung des Neuwagenkaufs aus. Während es bei Weil eher um die Neuauflage der staatlichen Abwrackprämie von 2009 ging, will Söder seinen Vorschlag als „Innovationsprämie“ verstanden wissen – nur Autos, welche die Umwelt „vergleichsweise wenig“ belasten, sollen subventioniert werden. Nur: Was „vergleichsweise wenig“ bedeutet, ließ Söder noch offen. Die Vermutung liegt nahe, dass es bei weitem nicht nur um Batterie-elektrische Antriebe geht.
Ähnlich zu ihren Ministerpräsidenten äußerten sich übrigens auch einige der betroffenen Unternehmen. VW-Vorstandsmitglied Stefan Sommer forderte zunächst Investitionen in die Industrie und das Konsumverhalten, später legte der Konzern jedoch nach. „Um die Volkswirtschaft wieder in Schwung zu bekommen, werden auf breiter Front Impulse der Politik notwendig sein“, forderte VW gegenüber dem „Spiegel“ eine breiter angelegte Förderung der Wirtschaft. „Ein Teil davon betrifft den Automobilmarkt.“
Als eine Maßnahme schlägt der Konzern eine Neuwagen-Prämie vor – gestaffelt nach den CO2-Emissionen. Für saubere Autos gibt es mehr Geld. Damit sollen vor allem Fahrzeuge mit älteren Abgasnormen – VW spricht von mehr als fünf Millionen Fahrzeugen in Deutschland mit Euro-3 oder älter – von den Straßen geholt werden. Zusätzlich soll die bestehende E-Auto-Förderung fortgesetzt werden.
Während VW einen ganz eigenen Vorschlag macht, liegt BMW quasi auf einer Linie mit Markus Söder und sieht nach eigenen Angaben in einer Innovationsprämie eine doppelte Chance. „Sie kann als Konjunkturmaßnahme die Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig den Umstieg der Kunden auf klimaschonende Technologien beschleunigen“, sagt der BMW-Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse. So könne man wirtschaftliche Erholung mit wirksamem Klimaschutz kombinieren, „anstatt beides gegeneinander auszuspielen“.
Eine Forderung, die auch Stefan Bratzel teilt. „Wir haben ein Nachfrage-Problem, das sich bereits vor Corona angedeutet hat, aber nach der Krise überall sichtbar sein wird“, sagt der Leiter des Center of Automotive Management im Gespräch mit electrive.net. „Da brauchen wir starke Impulse, um diese Nachfrage zu beleben.“ Aber: Man dürfe nicht die Corona-Krise gegen das Klima aufrechnen. „Die Stimulierung der Nachfrage sollte in Richtung umweltfreundliche Antriebe gehen.“
Als eine mögliche Option sieht Bratzel, den bestehenden Umweltbonus für BEV, PHEV und FCEV vorübergehend auf bis zu 10.000 Euro pro Fahrzeug aufzustocken. „In unsicheren Zeiten werden Konsumenten bei teureren Gütern wie Autos ohnehin vorsichtig. Bei der Elektromobilität, die viele Kunden noch nicht genau kennen, ist diese Unsicherheit noch größer.“
Ist eine Kaufprämie das richtige Förder-Instrument?
Die Politik steht hier vor einer Herausforderung: Den Markt stimulieren, ohne die Klimaziele aus den Augen zu verlieren. Kurzfristige Probleme – wie etwa Insolvenzen bei Händlern, Zulieferern und (kleineren) Autobauern – müssen mit langfristigen Zielen vereint werden. Und dabei muss noch das richtige Förder-Instrument gefunden werden. Oliver Krischer, Fraktions-Vize bei den Grünen, verweist als warnendes Beispiel auf die bekannte Abwrackprämie von 2009. Diese habe „die Grundlage dafür gelegt, dass die Autoindustrie bis heute bei der Elektromobilität hinterherhinkt“.
Auch Bratzel sagt angesichts der mit Verbrennern und jungen Gebrauchten gefüllten Höfe der Autohändler: „Es darf keinen Abverkauf geben.“ Man müsse natürlich das große Ganze im Blick haben und auch die enorme Belastung der Lagerfahrzeuge und der aktuellen, immer noch großteils auf Verbrenner ausgerichteten Produktion berücksichtigen. Aber: „Es muss ganz klar in Richtung Transformation gehen. Sonst werden womöglich diejenigen profitieren, die bis jetzt nichts gemacht haben.“
Mit der aktuellen Fassung des Umweltbonus hat die Regierung bereits gezeigt, dass sie bereit ist, gezielt zu fördern. Dabei wird nicht nur nach technisch unterschiedlichen Antrieben unterschieden, sondern auch nach Preisklassen. Aber: In Kombination mit der Dienstwagen-Besteuerung werden in den Augen einiger Experten PHEV derzeit übermäßig bevorteilt, obwohl ihr Klimavorteil nicht immer nachweisbar ist. So kann eine Förder-Wirkung entstehen, die nicht nur den Markt ankurbelt, sondern ihn in eine ganz andere, womöglich nicht gewünschte Richtung lenkt.
Sollen auch reine Verbrenner gefördert werden?
Eine Möglichkeit, die etwa Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann ins Gespräch brachte: Neben dem weiter erhöhten Umweltbonus könnten auch „gar Anreize für den Kauf modernster Benziner und Diesel“ gesetzt werden. Ein Szenario, das auch Bratzel in Betracht zieht – wenn auch nur in geringem Umfang. „Hier muss die Politik aber sehr vorsichtig sein, damit die Lenkungswirkung der Haupt-Förderung erhalten bleibt.“
Welche Probleme bei einer zu starken Förderung von Benzinern entstehen, zeigt sich etwa in China. Dort werden Elektroautos und Verbrenner gefördert, die finanziellen Anreize für E-Autos sind nach wie vor höher. Der Haken ist aber ein anderer: Dass es mancherorts wieder einfacher möglich ist, günstige Autos mit Verbrenner zuzulassen, wird für die chinesische E-Mobilität eine echte Herausforderung, sagt etwa China-Experte Jan Burgard von der Strategieberatung Berylls: „Diesen Umstand sollten die Entscheider im Hinterkopf haben, wenn sie über Förderpakete nachdenken.“
Sprich: Zu kurz gedachte Fördermaßnahmen können zum Boomerang werden. So muss also nicht nur Markus Söder noch erklären, wie genau er den „großen Austausch von alten und neuen Autos“ in Folge der Anschaffungsprämie gestalten will, damit nicht nur der Markt wieder anläuft, sondern auch „die technologische Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie im internationalen Vergleich“ gestärkt werde.
Klar ist nur: Mit einem reinen Benziner oder Diesel wird das im zitierten internationalen Vergleich kaum gehen.
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