Polen: Hohe Kaufprämie ist gestoppt, doch der Absatz steigt
Eigentlich sollte in Polen ab Dezember eine üppige Prämie von 8.600 Euro für günstige Elektroautos gezahlt werden. Dann wurde die Subvention kurzfristig auf unbestimmte Zeit verschoben. Dennoch steigen die E-Auto-Zulassungen – ein Placebo-Effekt?
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Ab dem 11. Dezember letzten Jahres sollten Anträge auf die relativ großzügige Kaufprämie beim Erwerb von E-Autos von bis zu 8.600 Euro in Polen bewilligt werden. Bei der ersten Förderrunde sollten bis zu 500 Fahrzeuge eine entsprechende Förderung erhalten – viele Kunden und die Autohändler stellten sich daher frühzeitig auf die vorgesehenen Bedingungen ein. Da die Kaufprämie nur im Falle von günstigen Elektroautos bis 29.000 Euro Anschaffungswert für Privatpersonen ausbezahlt werden sollte, bestellten Kaufwillige im vierten Quartal 2019 bevorzugt Klein- und Mittelklassewagen, wie den Skoda Citigo e iV (ab 18.500 Euro), den Renault Zoe (ab 28.000 Euro), den Opel Corsa-e (ab 28.000 Euro) oder den Nissan Leaf (ab 26.818 Euro).
Nach anfänglicher Kritik an der Bindung der Kaufprämie an den niedrigen Kaufpreis, die die Vertreter von Volkswagen und Nissan äußerten, entschieden sich Renault, Opel und eben auch Nissan entsprechende Angebote zu machen – mit einer kleinen Preissenkung unter die Bewilligungsgrenze sollten die eigenen Kunden von der Kaufprämie profitieren können.
Zur großen Überraschung aller wurde die Bewilligung der Anträge kurz vor ihrem Start auf ungewisse Zeit verschoben. Maciej Mazur vom Polnischen Verband für alternative Kraftstoffe (Polskie Stowarzyszenie Paliw Alternatywnych, PSPA) äußerte gegenüber den polnischen Medien, dass nach seiner Einschätzung die Ursachen für dieses Vorgehen in den Erfahrungen der Nachbarländer liegen könnten.
Vor allem das Handeln der Slowakei könnte die polnischen Behörden aufgeschreckt haben. Dort musste die Annahme der Anträge nach gerade einmal vier Minuten beendet werden, da das vorgesehene Budget zu diesem Zeitpunkt aufgebraucht worden war. Es erschien den Behörden offenbar möglich, dass die Nachfrage nach der großzügigen Förderung in Polen deutlich größer als in der Slowakei ausgefallen wäre. Mit einem Run auf den vollen Fördersatz von 8.600 Euro wäre das Volumen der ausgezahlten Kaufprämien womöglich viel höher gewesen als ursprünglich von dem Gesetzgeber geplant war.
In der Folge ruderte die Regierung zurück. „Eine Änderung der Verordnung wird vorbereitet. Die Unterstützung wird höchstwahrscheinlich unter 4.800 Euro liegen“, sagte der verantwortliche polnische Klimaminister Michał Kurtyka im Januar auf Nachfrage der polnischen Medien. Seine Begründung für den niedrigeren Fördersatz: „Davon würden mehr Interessenten profitieren.“ Kurtyka erklärte und erinnerte daran, dass die Grenzwerte im Jahr 2018 festgelegt wurden, als die Preise für Elektroautos auf dem Markt viel höher waren.
Nicht alle teilen diese Einschätzung des Ministers. Die Experten der PSPA diskutieren seitdem auch über die Bedeutung steuerlicher Fragen für die Entwicklung der E-Mobilität in Polen. Nach ihrer Einschätzung ist die Förderung des Erwerbs von E-Autos bei Privatpersonen für den polnischen Automarkt von geringer Bedeutung, denn lediglich ein Drittel der Neuwagen werden privat genutzt. Auf dem polnischen Automarkt sind Flottenanschaffungen von viel größerer Bedeutung.
Sprich: Mit entsprechenden steuerlichen Anreizen für Unternehmen, Elektroautos für ihre Flotten zu beschaffen, würde der Anteil dieser Fahrzeuge deutlich steigen und sich auf das Niveau der westeuropäischen Länder zubewegen. Als eine mögliche Maßnahme wird das Streichen der Umsatzsteuer genannt, um das aktuelle Nischendasein mit gerade einmal 5.700 BEV Ende Februar auf den polnischen Straßen zu beenden.
Die ausbleibende Kaufprämie hatte aber in den ersten Monaten des Jahres eine überaus ungewöhnliche Nebenwirkung. Während im Januar der Anstieg der Neuanmeldungen von E-Autos gering war, nahm die Dynamik im Februar deutlich zu. Dabei kam es in beiden Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu einem Anstieg von 181 Prozent beim Kauf von elektrischen Autos. Aufsummiert wurden 609 BEV angemeldet.
Davon waren 401 Neuwagen, wie die Zahlen des polnischen Automarktdatenanbieters SAMAR zeigen. Mit 92 Exemplaren das meistverkaufte Modell war der Skoda Citigo e iV. Auf den Plätzen zwei und drei mit jeweils 53 und 50 Autos waren der Nissan Leaf und der BMW i3. Auf den Opel Corsa-e entfielen 28 Anmeldungen – vermutlich Vorführwagen bei den Händlern. Daneben wurden 23 Renault Zoe neu angemeldet. Auffällig selten vertreten – angesichts der Zulassungszahlen in Deutschland – mit jeweils nur einem Fahrzeug waren der Volkswagen e-Up und der e-Golf.
Über die Autorin
Aleksandra Fedorska ist polnisch-deutsche Politologin und Publizistin. Sie arbeitet als Korrespondentin für polnische und deutsche Medien in den Fachbereichen Energiepolitik und E-Mobilität. Fedorska lebt und arbeitet im schleswig-holsteinischen Jagel und in der polnischen Stadt Poznań. U.a. berichtete sie hier auf electrive.net über den Elektrobus-Boom in Polen, über das polnische Förderprogramm für E-Fahrzeuge, Rafako, eigentlich ein Spezialist für Kraftwerksanlagen, der einen Elektrobus entwickelt hat, über ukrainische Hersteller, die ihre Chance auf dem Markt für Elektrobusse suchen oder auch über den kleinen E-Auto-Boom in der Ukraine.
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