Berlin verdoppelt Bundesanteil am Umweltbonus – keine Kaufprämie für Verbrenner
In ihrem Konjunkturpaket rund um die Corona-Krise hat die Bundesregierung auch eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität aufgenommen. Die Wichtigste natürlich: Der staatliche Anteil am Umweltbonus wird in Form einer neuen „Innovationsprämie“ verdoppelt.
++ Dieser Beitrag wurde aktualisiert. Sie finden die neuen Infos ganz unten. ++
„Durch die Umweltprämie fördern wir den Austausch der Kfz-Fahrzeugflotte durch klima- und umweltfreundlichere Elektrofahrzeuge“, heißt es in dem 15-seitigen Papier. Für ein E-Auto mit einem Nettolistenpreis von weniger als 40.000 Euro – etwa ein Opel Corsa-e, BMW i3, VW ID.3 sowie zahlreiche Import-Modelle – bedeutet das eine Gesamtförderung von 9.000 Euro. Künftig kommen hier 6.000 Euro vom Bund, der Herstelleranteil bleibt von der „Innovationsprämie“ unberührt. Die Maßnahme gilt auch für Plug-in-Hybride zu den etwas geringeren Fördersätzen. Die Maßnahme ist bis Ende 2021 befristet, den Finanzbedarf taxiert die Koalition auf 2,2 Milliarden Euro.
Allerdings erkennt auch die Koalition inzwischen an, dass Plug-in-Hybride nicht per se umweltfreundlicher sind, sondern es – wie von Experten immer wieder betont – stark auf das Fahr- und Ladeprofil ankommt. Im Absatz zu der Umweltbonus-Erhöhung heißt es abschließend: „Im Rahmen der nationalen Plattform „Mobilität der Zukunft“ werden wir die Frage des optimierten Nutzungsgrades des elektrischen Antriebs bei plug-in Hybridfahrzeugen diskutieren.“ Welche Folgen das haben kann, ist aber noch unklar.
In der seit Mitte Februar gültigen Fassung des Umweltbonus ist ein Nettolistenpreis von 40.000 Euro die wichtige Grenze: Günstigere Elektroautos werden mit 6.000 Euro gefördert, Plug-in-Hybride in dieser Preisklasse noch mit 4.500 Euro. Teurere BEV werden mit 5.000 Euro gefördert, bei PHEV sind es noch 3.750 Euro. Der Umweltbonus wird jeweils zur Hälfte vom Bund und von den Herstellern finanziert. Wobei in der Praxis auf den Herstelleranteil noch die Mehrwertsteuer aufgeschlagen wird – dazu weiter unten mehr.
Mit Bezug auf den Umweltbonus würde sich die Höhe der Förderung für BEV und FCEV wie folgt berechnen:
Basis-Nettolistenpreis | BAFA-Anteil (verdoppelt) | Herstelleranteil (netto) | Gesamt (netto) |
---|---|---|---|
40.000 | 6.000 | 3.000 | 9.000 |
ü. 40.000 bis 65.000 | 5.000 | 2.500 | 7.500 |
Mit Bezug auf den Umweltbonus würde sich die Höhe der Förderung für PHEV wie folgt berechnen:
Basis-Nettolistenpreis | BAFA-Anteil (verdoppelt) | Herstelleranteil (netto) | Gesamt (netto) |
---|---|---|---|
40.000 | 4.500 | 2.250 | 6.750 |
ü. 40.000 bis 65.000 | 3.750 | 1.875 | 5.625 |
Zudem gibt es eine Änderung an der Dienstwagenbesteuerung: Bei den rein elektrisch angetriebenen Dienstwagen wird die Brutto-Kaufpreisgrenze für die 0,25-Prozent-Besteuerung von 40.000 auf 60.000 Euro erhöht. Somit sind mehr Modelle für die geringere Besteuerung qualifiziert.
Kfz-Steuer entfällt bis 2030
Keine kurzfristige Konjunkturmaßnahme, aber ein längerfristiger Anreiz ist, dass die Kfz-Steuer für reine Elektroautos bis Ende 2030 entfällt – bisher war diese Maßnahme nur bis 2025 befristet. Für alle anderen Fahrzeuge soll hauptsächlich der CO2-Ausstoß ab 2021 als Bemessungsgrundlage für die Kfz-Steuer hergezogen werden und ab dem Wert von 95 Gramm pro Kilometer „in Stufen“ angehoben werden. Eine genaue Regelung steht hier aber noch aus.
Damit etwa Soziale Dienste und KMU in den finanziell unsicheren Zeiten nicht an der Erneuerung ihrer Flotten sparen, sollen zwei „Flottenaustauschprogramme“ aufgelegt werden. Mit „Sozial & Mobil“ soll die Elektromobilität im Stadtverkehr gefördert und hierzu gemeinnützige Träger mit insgesamt 200 Millionen Euro in 2020 und 2021 unterstützt werden. Außerdem soll es ein Flottenaustauschprogramm für Handwerker und KMU geben, das für E-Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen ausgelegt ist. Dieses solle „zeitnah“ umgesetzt werden, weitere Details gibt es hier noch nicht. Wohl den Herstellern, die solche Modelle im Angebot haben und bis Ende 2021 lieferfähig sind.
Aber auch die Hersteller erhalten eine Förderung: In einem Bonus-Programm für 2020 und 2021 sollen Investitionen in „neue Technologien, Verfahren und Anlagen“ gefördert werden. „Forschung und Entwicklung für transformationsrelevante Innovationen und neue regionale Innovationscluster vor allem der Zulieferindustrie werden in den Jahren 2020 und 2021 mit 1 Milliarde Euro gefördert“, heißt es.
Was in all den Förderungen rund um den Fahrzeugkauf und Flotten fehlt, sind die Verbrenner. Hierzu hatte es im Vorfeld intensive Diskussionen gegeben. Einerseits sollte nicht ein „Weiter so“ gefördert werden, da in einem ohnehin langsam sinkenden Markt so geplante Fahrzeugkäufe womöglich nur vorgezogen worden wären – mit einer Förderung von bis zu 9.000 Euro wird aber nun vielleicht bei einigen Kunden auch ein Wechsel der Antriebsart erwogen. Kritiker bemängelten, dass die ausschließliche Förderung von E-Autos wegen der noch geringen Stückzahlen nicht als echte Konjunkturbelebung tauge.
Aber auch die Verbrenner profitieren (wie auch BEV und PHEV) von einer anderen Maßnahme: Die Mehrwertsteuer sinkt vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 von 19 auf 16 Prozent. Mit einer kalkulierten Summe von 20 Milliarden Euro ist das der größte Einzelposten des Konjunkturpakets. Die Unternehmen müssen allerdings die Senkung auch an ihre Kunden weitergeben und nicht nur die eigene Marge erhöhen, damit die Maßnahme wie gewünscht wirkt. Ökonomen verweisen hier auf eine temporäre Mehrwertsteuersenkung in Großbritannien 2008/2009. Damals hätten die Unternehmen die Senkung zu 75 Prozent an den Kunden weitergegeben.
Der VDA kündigte umgehend an, dass die Hersteller die Mehrwertsteuersenkung an den Kunden weitergeben würden – schließlich ist es eine der wenigen Maßnahmen, die auch den Benzinern und Dieseln zu Gute kommt. „Die befristete Absenkung der Mehrwertsteuer ist eine wichtige Maßnahme, um die Nachfrage in Deutschland wieder in Schwung zu bringen“, hieß es seitens des Verbands. Außerdem prüfen die Unternehmen laut dem VDA, „wie die Wirkung der abgesenkten Mehrwertsteuer weiter verstärkt werden könne“. Sprich: Es kündigen sich weitere Rabatt-Aktionen an.
Die Senkung der Mehrwertsteuer hat in der Praxis noch einen Einfluss auf den Umweltbonus, da auf den Herstelleranteil jeweils noch die Mehrwertsteuer aufgeschlagen wird. Von Juli bis Ende 2020 sind das die genannten 16 Prozent. Danach gelten wieder 19 Prozent auf den Herstelleranteil. Es sei denn, die temporäre Mehrwertsteuersenkung wird verlängert – was angesichts einer möglichen zweiten Infektionswelle im Herbst und damit womöglich weiteren wirtschaftlichen Folgen von der Koalition in Aussicht gestellt wurde.
2,5 Milliarden für Ladepunkte und Batteriezellen
In dem Papier wird aber klar, wo die Regierung die Zukunft sieht – zumindest in weiten Teilen. So sollen zusätzlich 2,5 Milliarden Euro in Ladesäulen und die Batteriezellenfertigung samt angeschlossener Forschung investiert werden. „Der Ausbau der Ladeinfrastruktur als notwendige Voraussetzung zum Hochlauf der E-Mobilität wird beschleunigt“, heißt es in dem Papier. „Dazu soll der Masterplan Ladeinfrastruktur zügig umgesetzt werden. Insbesondere soll das einheitliche Bezahlsystem für Ladesäulen nun zügig umgesetzt werden.“ Zudem soll der Aufbau öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur „zum Beispiel bei Kitas, Krankenhäusern, Stadtteilzentren, Sportplätzen“ intensiviert werden.
Es wird aber auch eine umstrittene Passage aus dem „Masterplan“ wiederholt: Durch eine Versorgungsauflage soll geregelt werden, dass an allen Tankstellen in Deutschland auch Ladepunkte angeboten werden. Eine nun pikante Erweiterung ist, dass geprüft werden soll, „ob die Errichtung von Schnellladesäulen als Dekarbonisierungsmaßnahme der Mineralölwirtschaft behandelt werden kann“.
Zudem soll „kurzfristig“ die seit Monaten diskutierte „Nationale Wasserstoffstrategie“ vorgelegt werden. Der Entwurf befindet sich immer noch in der Abstimmung zwischen den Ressorts. Den Finanzbedarf beziffert die Koalition hier auf insgesamt sieben Milliarden Euro. Dafür sollen unter anderem bis 2030 industrielle Produktionsanlagen von bis zu fünf GW Gesamtleistung entstehen – einschließlich der dafür erforderlichen Onshore- und Offshore-Energiegewinnung.
ÖPNV soll elektrisch werden
Zwei andere wichtige Maßnahmen zur Mobilität dürfen nicht unerwähnt bleiben: Mit insgesamt 1,2 Milliarden Euro sollen private und kommunale Betreiber in einem „Bus- und Lkw-Flotten-Modernisierungs-Programm“ dabei unterstützt werden, auf alternative Antriebe umzusteigen. Wörtlich heißt es: „Um die Nachfrage nach E-Bussen zu erhöhen und den Stadtverkehr umweltfreundlicher zu machen, wird außerdem die Förderung für E-Busse und deren Ladeinfrastruktur bis Ende 2021 befristet aufgestockt.“
Außerdem soll eine Bundesrahmenregelung erarbeitet werden, die es den Ländern erlauben soll, ÖPNV-Unternehmen zum Ausgleich der stark verringerten Fahrgeldeinnahmen Beihilfen zu gewähren. Dafür ist eine Notifizierung durch die EU-Kommission erforderlich. In diesem Jahr sollen zudem einmalig die Regionalisierungsmittel um 2,5 Milliarden Euro aufgestockt werden – damit die ÖPNV-Betreiber Verluste aus den fehlenden Fahrgasteinnahmen ausgleichen können.
Update 06.06.2020: Inzwischen gibt es erste Anzeichen, wie sich das Bundeswirtschaftsministerium die Regelung zu der Innovationsprämie im Detail vorstellt. Wie das Ministerium bei Twitter mitteilte, sei es das Ziel, dass die neuen Fördersätze rückwirkend ab dem 4. Juni 2020 angewendet werden können. Dabei wird wohl das Zulassungsdatum entscheidend sein, wie das Ministerium gegenüber dem „Spiegel“ bestätigte.
Noch handelt es sich dabei aber um Pläne, keine gültige Richtlinie. Das Ministerium muss die Entscheidung nun ausarbeiten und dann die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission einholen – wie schon bei der Erhöhung des Umweltbonus im Februar. Damals wurde ebenfalls beschlossen, die Erhöhung rückwirkend zum November 2019 zu gewähren – jenem Tag, als die Erhöhung der Prämie beschlossen wurde. Wann die beihilferechtliche Genehmigung aus Brüssel kommt, ist in diesem Fall aber noch nicht abzusehen.
Update 09.06.2020: Reuters berichtet, dass die Bundesregierung für Freitag eine außerordentliche Kabinettssitzung plant, um weite Teile des Konjunkturpakets auf den Weg zu bringen. Unter allem soll es am Freitag bereits um die höhere Kaufprämien für Elektroautos gehen. Dann ist mit weiteren Details zu rechnen, wie sich die Regierung die Umsetzung des Beschlusses vorstellt. Im Anschluss muss die Regelung wie erwähnt zur beihilferechtlichen Genehmigung bei der EU-Kommission vorgelegt werden.
Reuters berichtet zudem unter Berufung auf einen Gesetzentwurf des Finanzministeriums über Details zu der im Rahmen des Konjunkturpakets angekündigten Änderung bei der Kfz-Steuer in Deutschland. So soll die CO2-Komponente in der Steuer für Neuwagen ab 2021 kräftig ausgeweitet werden: Wenn ein neues Fahrzeug bis 95 Gramm ausstößt, muss dafür kein Zuschlag bezahlt werden – nur wie bisher üblich die Hubraum-Komponente der Kfz-Steuer. Darüber steigt der Zuschlag in fünf Stufen an, beginnend mit zwei Euro pro Gramm CO2.
Ab 115 Gramm werden 2,20 Euro je weiterem Gramm fällig, ab 135 Gramm sind es 2,50 Euro, ab 155 Gramm folgen 2,90 Euro. Über 175 Gramm sind es dann 3,40 Euro. Wenn ein Auto mehr als 195 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt, wird jedes Gramm über dieser Grenze mit vier Euro belastet. Das ist rund das Doppelte von dem, was derzeit fällig wird. Bisher gibt es keine Abstufung bei der CO2-Komponente, jedes weitere Gramm über dem Grenzwert von 95 Gramm wird pauschal mit zwei Euro veranschlagt.
Mit dem Aufschlag für Autos mit einem sehr hohen CO2-Ausstoß werden besonders Sportwagen und große SUV mit Benzinmotor stärker belastet. Aber nicht nur die, auch die meisten Klein- und Kompaktwagen ohne Hybridtechnologie liegen beim CO2-Ausstoß über dem Grenzwert von 95 Gramm pro Kilometer. Wie Reuters schreibt, liegt etwa der Golf 8 mit der einfachsten Motorisierung bereits über 115 Gramm und muss somit Teile des CO2-Ausstoßes mit 2,20 Euro besteuern. Sollte die Kfz-Steuer mit diesen Sätzen beschlossen werden, würde die Abgabe also für alle Golf-Fahrer steigen – bis auf jene der PHEV-Varianten. Kunden des ID.3 zahlen bis auf Weiteres überhaupt keine Kfz-Steuer: Die Steuerfreiheit für E-Autos wird bis Ende 2030 verlängert.
Update 10.06.2020: Im Rahmen ihres Konjunkturpakets hatte die Bundesregierung im Bereich E-Mobilität unter anderem angekündigt, zusätzlich 2,5 Milliarden Euro in Ladesäulen und die Batteriezellenfertigung samt angeschlossener Forschung investieren zu wollen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet nun unter Berufung auf Regierungskreise, wie diese 2,5 Milliarden Euro aufgeteilt werden sollen: Für den Aufbau privater Ladepunkte will der Bund demnach 500 Millionen Euro einsetzen. Weitere 1,5 Milliarden Euro sollen in den Aufbau einer Batteriezellen-Produktion und die übrigen 500 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung fließen.
Das Konjunkturpaket ist jedoch noch nicht beschlossen. Laut früheren Informationen von Reuters will das Kabinett am Freitag, den 12. Juni weite Teile des Pakets auf den Weg bringen. Mit der Förderung für den Aufbau privater Ladepunkte will sich die Regierung an Privatleute und Bauherren richten. Die genauen Förderbedingungen und die Höhe der Zuschüsse pro Ladepunkt sind jedoch nicht nicht bekannt.
Update 12.06.2020: Die Konjunkturmaßnahmen haben eine weitere Hürde genommen. Das Bundeskabinett hat nun die Maßnahmen des vor rund einer Woche vorgestellten Konjunkturpakets beschlossen. Dazu gehören neben der befristeten Senkung der Mehrwertsteuer auch diverse Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Mobilität wie die Innovationsprämie, Investitionen in den Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich der Elektromobilität und der Batteriezellenfertigung, Flottenaustauschprogramme und die Anpassung der Kfz-Steuer. Die beschlossenen Regierungsentwürfe gehen nun ins parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren.
Inzwischen zeichnet sich auch ab, wie das Antragsverfahren für E-Auto-Käufer angepasst werden soll – nämlich gar nicht. „Eine gesonderte Beantragung der Innovationsprämie wird nicht notwendig sein“, schreibt das BAFA auf seiner Homepage. „Die erhöhten Fördersätze wird das BAFA nach Prüfung der Fördervoraussetzungen automatisch auszahlen.“ Zudem wird dort nochmals bestätigt, dass alle Autos, die auch bisher vom Umweltbonus profitieren, die Innovationsprämie erhalten können sollen – das letzte Wort ist ein wichtiger Zusatz, denn noch ist die Regelung nicht final beschlossen, weder im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren, noch seitens der EU-Kommission mit einer beihilferechtlichen Genehmigung. Das BAFA wiederholt jedoch das Ziel, die neuen Fördersätze rückwirkend für alle Fahrzeuge anzuwenden, die ab dem 4. Juni 2020 zugelassen wurden.
spiegel.de, bundesfinanzministerium.de (Papier als PDF), spiegel.de (Update I), reuters.com (Kabinettssitzung), reuters.com (Kfz-Steuer, beide Update II), reuters.com (Update III), bundesfinanzministerium.de, bafa.de (beide Update IV)
30 Kommentare