Sorgt die WEG-Reform für kostengünstige Ladeinfrastruktur?
Mit der WEG-Reform bekommen Halter von E-Fahrzeugen einen Anspruch auf eine private Lademöglichkeit in Tiefgaragen oder auf Parkplätzen. Doch wie kann schnell und günstig entsprechende Ladeinfrastruktur in Quartieren und Mehrfamilienhäusern entstehen? Das wollten wir im Rahmen der These des Monats von Ihnen wissen. Jetzt liegt die Auswertung vor!
** Sie können sich die Auswertung der These hier auch als PDF herunterladen. **
Wohnungseigentümer und Mieter sollen in Zukunft grundsätzlich einen Anspruch auf den Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug haben, wenn sie die Kosten selbst übernehmen. Das sieht die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) vor, die das Bundeskabinett Mitte März verabschiedet und zur Beschlussfassung an den Gesetzgeber überwiesen hat. Der Bundestag wird voraussichtlich noch vor der Sommerpause grünes Licht für die WEG-Reform geben, so dass diese am 1. September 2020 in Kraft treten könnte. Damit entfiele eine große Hürde, die dem Aufbau privater Ladeinfrastruktur bisher im Weg stand. Denn nach dem geltenden Wohnungseigentumsgesetz von 1951 sind alle baulichen Um- und Ausbaumaßnahmen von der Zustimmung der anderen Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft beziehungsweise des Vermieters abhängig. Wer Eigentum oder eine Mietwohnung im Mehrfamilienhaus bewohnte, kommt an einem einstimmigen Beschluss der Eigentümerversammlung oder dem Wohlwollen des Vermieters nicht vorbei. Ein Veto nur einer Partei konnte derartige Projekte schnell wie Seifenblasen zerplatzen lassen. Das soll sich mit der WEG-Reform ändern.
Vor diesem Hintergrund formulierten wir unsere These des Monats April. Anders als sonst stand sie jedoch nicht alleine im Zentrum der Diskussion. Vielmehr verknüpften wir sie mit der Bitte an alle Beteiligten, uns ihre bevorzugte Art von Ladeinfrastruktur für Tiefgaragen und Privatparkplätze zu nennen. 134 Leserinnen und Leser von electrive.net nahmen diesen doppelten Impuls auf, wobei die meisten der These vorbehaltlos (56) oder mit Vorbehalten (40) zustimmten. Eindeutig oder mit Einschränkungen ablehnend standen der These nur drei bzw. 19 Teilnehmer gegenüber. Hinzu kamen 16 neutrale Bewertungen.
Zeichnet man zunächst die Diskussion der These und anschließend das Ergebnis der Frage nach der besten technischen Lösung nach, so ergibt sich das folgende Bild. Es spiegelt ausdrücklich die Auffassung der Diskussionsbeteiligten und nicht die Meinung der Redaktion wider.
Schritt in die richtige Richtung
Große Erleichterung herrscht bei jenen vor, die der These vorbehaltlos zustimmen. „Endlich Hoffnung!“, schreibt eine Diskussionsteilnehmerin, deren sämtliche Anfragen nach einer Lademöglichkeit für ihr Fahrzeug von ihrer Wohnungsbaugenossenschaft bisher stets abschlägig beschieden worden seien. „Die flächendeckende Ausstattung von Parkgaragen mit Ladeanschlüssen ist die Grundvoraussetzung für den Erfolg der Elektromobilität. Daher ist die angekündigte Gesetzesänderung spät, aber doch der erste Schritt in die richtige Richtung“, meint ein anderer Teilnehmer. Ein Dritter freut sich: „Mit der Reform werden Wohnungseigentümer endlich über die Installation einer Ladestation frei entscheiden können, wie über die Installation einer Lampe oder das Aufstellen eines Kühlschranks.“
Noch manche Hürden zu überwinden
Nüchterner sehen das diejenigen, die der These mit Vorbehalten zustimmen. „Die regulatorischen Rahmenbedingungen sind dann weitestgehend geklärt“, bemerkt ein Teilnehmer zwar zufrieden, fügt aber hinzu: „Es bleibt abzuwarten, wie schnell technische Hürden überwunden werden und wie es mit der Wirtschaftlichkeit aussieht.“ Als eine solche Hürde wird von Eher-Pro-Seite angeführt, dass in älteren Häusern, die den technischen Anschlussbedingungen nicht entsprächen, die gesamte Elektrik erneuert werden müsse, um Ladeinfrastruktur zu installieren. Zudem wüssten „viele Elektriker viel zu wenig Bescheid über E-Autos, Wallboxen und insbesondere Lade- und Lastmanagement“. Als allgemeine soziale Hürde wird es empfunden, dass „Skepsis und Ablehnung gegenüber der E-Mobilität“ noch weit verbreitet seien. „Trotz der gesetzlichen Öffnung wird es Widerstand und Blockaden geben.“ Als besondere soziale Hürde innerhalb von Wohneigentumsgemeinschaften (WEGs) wird notiert: „Die Leute werden eher egoistisch handeln. Wer zuerst kommt, kauft billige Ladepunkte ohne Rücksicht auf Skalierbarkeit, bis der Hausanschluss überlastet ist. Nachzügler haben das Nachsehen.“
Zweifel an günstigen Kosten
Wohlgemerkt: Es gibt unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Diskussion niemanden, der die WEG-Reform ablehnt. Skepsis oder Ablehnung gegenüber unserer These resultieren vielmehr quer durch alle Bewertungen von eher Pro bis Contra aus deren Stichworten „kostengünstig“ und „in großer Stückzahl“. Paradigmatisch dafür steht folgende neutrale Kommentierung: „Das eröffnet ja nur die Möglichkeit, aber irgendjemand muss es wollen und bezahlen und das wird nicht ‚in großer Stückzahl‘ sein.“ Mit der WEG-Reform, unterstreicht ein Eher-Contra-Kommentar diese Bedenken, sei „das Errichten privater Ladepunkte in Mehrfamilienhäusern zwar tendenziell einfacher, aber nicht günstiger geworden. Gerade als Mieter muss man das genau durchrechnen, der Schritt ist immer noch teuer“.
Bauliche Erschließung braucht Akzeptanz
Für große WEGs wird auch nach der Gesetzesreform die bauliche Erschließung für den Einbau einer Ladeinfrastruktur (LIS) der initial größte Kostenfaktor bleiben. „Wir haben in unseren Tiefgaragen 132 abgeschlossene Stellplätze“, berichtet ein Diskussionsbeteiligter. „Es gibt bis jetzt nur Strom für die gesamte Garage. Für die Stellplätze gibt es bis jetzt keinen Strom. Es muss also erstmal eine leistungsfähige Zuleitung von den Stadtwerken gelegt werden und dann muss in der Tiefgarage eine Verteilung mit Lademanagement installiert werden. Diese Kosten müssen auf alle Eigentümer verteilt werden. Erst dann kann ich als Eigentümer meinen eigenen Anschluss installieren, dessen Kosten ich dann trage.“ Dass ein dynamisches Lastmanagement, welches für die Zukunftssicherheit privater LIS essentiell sei, kaum kostengünstig sein könne, wird mehrfach betont. Auch sei es unwahrscheinlich, dass alle Parteien einer Eigentümergemeinschaft bereit seien, sich an den Kosten für die „initiale Infrastrukturbefähigung“ zu beteiligen. Denn diejenigen, die heute schon großes Interesse an einem Ladepunkt für ihren privaten Stellplatz zeigten, „sind noch deutlich in der Minderzahl“. Hier zeigt sich offenbar ein Akzeptanz-Defizit, das auch durch die WEG-Reform nicht ohne weitere Kommunikationsanstrengungen verschwinden wird: „Die Mehrwerte intelligenter, vernetzter und vermeintlich hochpreisiger LIS sind Privatkunden schwer vermittelbar.“ Erschwert wird diese Lage durch die gegenwärtige Pandemie. Aufgrund der Corona-Krise werde, so wird befürchtet, „das Thema Elektromobilität und Umweltschutz an Dynamik verlieren und vorerst nicht so stark im Fokus stehen“.
Bevorzugte technische Lösungen:
Einfache Schukostecker sind ausreichend
Nicht alle Teilnehmer der Diskussion machten konkrete Vorschläge für technische Lösungen. Von denen, die es taten, hielten aber immerhin fast ein Fünftel eine normale CEE-Steckdose für ausreichend. Weil ein Elektroauto in der Regel über Stunden am Ladeplatz steht, reicht für jedes ihrer Ansicht nach ein Schukoanschluss aus, eventuell mit einer Vorrangschaltung bzw. Entweder-Oder-Schaltung für die Waschmaschine oder andere Großverbraucher. Über Nacht könne jeder Stellplatzinhaber an einer einfachen, abschließbaren Aufputz-Steckdose, die über seinen eigenen Stromzähler laufe, problemlos nachladen. Das schone die Batterie, spare Kosten und belaste die installierte Leistung eines Wohnhauses nicht zu stark. Im privaten Umfeld bestehe keine Notwendigkeit für eine hohe Ladeleistung. „Es reicht ein Anschluss zum langsamen Laden mit bis zu 3,6kWh so wie in Norwegen an vielen Parkplätzen.“ Eine höhere Leistung lasse sich bei Bedarf an einer öffentlichen Schnellladesäule abrufen. Wallboxen sind nach Meinung dieser Gruppe nicht unbedingt erforderlich. Denn sie seinen teuer und brächten keinen nennenswerten Mehrwert. Eine Zwischenposition nimmt ein Teilnehmer ein, der schreibt: „CEE 16 ist ausreichend bei bis zu 2 ausgerüsteten Stellplätzen. Darüber hinaus werden wohl ein Wallboxsystem und ein Lademanagement benötigt.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang auch folgender Kommentar: „Rein technisch würde auch Schuko reichen, aber aus Sicht des Endnutzers nicht.“
Wallboxen müssen nicht mehr als 11 kW bringen
Knapp die Hälfte derjenigen, die technische Lösungen vorschlagen, favorisieren Wallboxen, ohne diese explizit mit übergreifenden Angeboten in Verbindung zu bringen. Dabei reicht das Spektrum auf der Leistungsseite von Aussagen wie „Schlichte einfache Wallboxen mit 3,7 kW reichen vollkommen“ bis zur Empfehlung „Wallboxen mit 2 x 22 kW Typ2-Anschlüssen“. Nach Auffassung der allermeisten Mitglieder dieser Gruppe ist die Ladeleistung solcher regelbarer Wallboxen mit angeschlagenem Typ 2-Kabel mit 3 bis 11 kW ausreichend dimensioniert. Sie sollten einphasig an 230 und dreiphasig an 400 Volt anschließbar sein. Mehr als 11 kW machten im Rahmen einer privaten Ladeinfrastruktur auch für größere batterieelektrische Fahrzeuge keinen Sinn meint einer, ein anderer hält dagegen, 22 kW sollten in Einzelfällen ermöglicht werden. Die Forderung nach intelligenten Wallboxen und deren Kopplung mit einem Last- und Lademanagement wird von vielen, aber längst nicht allen Teilnehmern erhoben. Dabei kommen naturgemäß auch die Namen von Firmen ins Spiel, wenn deren Repräsentanten oder Kunden raten: „Intelligente Wallboxen mit dynamischem Last- und Lademanagement und eichrechtskonformer Abrechnung und Autorisierung wie bei wallbe“ oder „Einfache robuste Wallbox z.B. Heidelberg Home Eco oder Energy Control mit vorgeschaltetem Stromzähler mit individuellem kundenspezifischen Stromtarif“. Ein Teilnehmer empfiehlt die Einbindung von Wallboxen in KNX-Feldbusse der Gebäudeautomation, um ein Lastmanagement zu ermöglichen.
Zentral steuerbare Lösungen im Kommen
Gut ein Drittel der Diskussionsteilnehmer, die sich dezidiert zu Technikfragen äußerten, plädierten dafür, die Installation privater LIS in übergreifenden und zentral gesteuerten Lösungen zu realisieren. Viele Ladepunkte an einem Standort, die möglichst einfach zu installieren und modular erweiterbar und durch intelligente Steuerung flexibel in ihrer Maximalleistung sind – das ist ihre Richtschnur. Sie wurde entweder allgemein geäußert oder speziell auf die Angebote bestimmter Firmen bezogen. Diese proprietären Lösungen seien im Folgenden kurz umrissen:
ChargeX Aqueduct ist eine Mehrfachsteckdose aus vier bis acht Modulen, die über eine Stromleitung versorgt wird. Nur das Startmodul muss von einem Elektriker installiert werden. Die Erweiterungsmodule lassen sich ohne Fachkenntnisse montieren. Das System arbeitet nach dem Master-Slave-Prinzip. Die Stromzufuhr wird zeitverteilt so auf die Autos verteilt, dass die maximale Ladeleistung von 22 kW nie überschritten wird.
ChargeHere ist eine Entwicklung von EnBW, deren auffälligster Teil kompakte Ladestationen mit zwei 11-kW-Punkten sind, die nicht mehr als zwei Spiralkabel tragen. Ihre Technik ist in zentralen Schaltschränken verborgen, an die jeweils 20 Ladepunkte angebunden sind. Mehr als 100 Ladepunkte versorgt EnBW auf diese Art in seinem Stuttgarter Parkhaus. Aus jedem Schrank können gleichzeitig acht Autos mit jeweils max. 11 kW geladen werden. Wenn mehr Autos laden, setzt die intelligente Steuerung ein. Informationen über den Ladevorgang werden den Nutzern über ein Touchdisplay vermittelt. Vergleichbare Ansätze eines zentralen Lademanagements, die jedoch in unserer Diskussion nicht genannt wurden, haben die Firmen enisyst und Emonvia entwickelt.
Smopi ist ebenfalls eine Ladeschranklösung. Sie wird von der Firma Gebauer Elektrotechnik angeboten. Am Parkplatz befindet sich nur ein einfacher Ladepunkt (ohne angeschlagenes Kabel). Der Ladeschrank, der sämtliche Technik inklusive intelligenter Laststeuerung enthält, steht in einem gesicherten Betriebsraum und versorgt mehrere Ladepunkte. Neue Punkte lassen sich nach dem Baukastenprinzip zuschalten, ebenso wie Zusatzkapazitäten, etwa über eine PV-Anlage. Soft- und Hardwareupdates sind kostengünstig zu implementieren. Alle wichtigen Informationen werden über ein Touchdisplay visualisiert.
ChargeIQ bietet für Wohnungseigentumsgemeinschaften „ein individuell konfigurierbares Produkt“, das auf der Website des Unternehmens nicht näher vorgestellt, in unserer Diskussion aber so beschrieben wird: „Das System von chargeIQ (noch in der Entwicklung) mit folgenden Umfängen: Flexibel erweiterbare Ladelösung mit Funktion zum Teilen und Lastmanagement ohne App/Nutzeraccount und Einbindung von vielen Zahlungsdienstleistern.“
EVlink ist ein Produktsortiment von Schneider Electric, das sich auch auf private Ladeinfrastruktur erstreckt. Als intelligente Lösung für das Laden von Elektrofahrzeugen im Wohn- und Zweckbau nennen Teilnehmer unseres Dialogs die Wallbox G4 Smart. Über den Stromschienenverteiler Canalis könne man Strom in viele solcher Boxen bzw. Ladepunkte einspeisen, ohne dass ein großer Verteilerschrank notwendig sei. Das erleichtere den sukzessiven, modularen Aufbau von Ladepunkten z.B. in Tiefgaragen. „Der Schienenverteiler kann jederzeit bei Bedarf installationsoptimiert ergänzt werden (aufwendige Einspeiseverkabelung entfällt) und mit in das Last- und Lademanagement über eine Zonenregelung integriert werden.“
Alle vorstehend genannten Beispiele bieten Wechselstromlösungen. Dazu meint ein Kommentator: „AC-Infrastruktur mit Lastmanagement ist der schnelle Weg. Sinnvoller wäre mittel- bis langfristig eine DC-Infrastruktur mit „Verteiler“ (z.B. 50kW-DC-Lader mit Umschaltrelais für 16 Ladepunkte).“
Fazit
Die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes wird den Weg in eine elektromobile Zukunft verbreitern, befestigen, besser ausschildern und befahrbarer machen. Sie ist aber nur eine notwendige und keine hinreichende Voraussetzung, um die Fahrt dorthin zu beschleunigen. Wesentliche Fragen der Kostenverteilung und sozialen Akzeptanz sind noch zu beantworten. „Kostengünstig ist nicht das Schlüsselwort“, heißt es in einem Eher-Pro-Kommentar. „Interessanter ist vielmehr, dass Mieter einen einfacheren Zugang zu Ladeinfrastruktur bekommen und nicht mehr vom Wohlwollen des Vermieters abhängig sind. Die Frage, wer die Kosten für die Infrastruktur übernimmt, könnte allerdings ein Dealbreaker werden.“ Dabei dürfte man eigentlich annehmen, dass sich LIS-Investitionen schnell bezahlt machen, rechnet eine Teilnehmerin vor: „Gesamtkalkulation: Preis LIS inkl. EMS und Verkabelung: 2.500,- pro Stellplatz; das spart ein BEV in 1,5 bis 2 Jahren ein. Schwierig: Vorurteile blockieren Installationen mehr als das Geld. Technik: Stegleitungen/Schienen (wie in Industrie). Diese sind brandschutztechnisch zertifiziert, wenig Kupfer-Verbrauch. Technik: Stromspeicher (Quartier oder Wohnanlage) + pro Stellplatz Wallbox bis 22 kW + Energiemanagement = alle laden, ohne Netz- oder Hausanschluss zu überlasten. Speicher amortisiert sich nach ca. 2,5 bis 3 Jahren.“ Auch wenn diese Aufstellung in ihrer Kürze sehr viele Variablen offen lassen muss, macht sie doch Mut, in eigener Initiative auf eine der mannigfachen technischen Lösungen zu setzen oder andernfalls, wie ein Teilnehmer schreibt, der Innovationskraft von Immobilienunternehmen zu vertrauen: „Große Vermieter wie Vonovia werden wahrscheinlich selber die Installation von Ladestationen in die Hand nehmen, um ein weiteres Geschäftsmodell zu kreieren.“
7 Kommentare