„Nationale Wasserstoffstrategie“: Milliarden-Förderung im Verkehrssektor
Das Bundeskabinett hat die lange erwartete „Nationale Wasserstoffstrategie“ beschlossen. Die Regierung erhofft sich davon, „wichtige deutsche Kernbranchen“ wie Stahl und Chemie, aber auch den Verkehrssektor zu dekarbonisieren. Dabei soll auch Marokko helfen.
Laut Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) soll die nun beschlossene Strategie dazu beitragen, dass „Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt“ werde. „Die Zeit für Wasserstoff und die dafür nötigen Technologien ist reif“, so Altmaier. „Wir müssen daher jetzt die Potenziale für Wertschöpfung, Beschäftigung und den Klimaschutz erschließen und nutzen. Denn Wasserstoff wird ein Schlüsselrohstoff für eine erfolgreiche Energiewende sein.“
Umweltministerin Svenja Schulze betonte bei einem Presseauftritt in Berlin, dass es für grünen Wasserstoff auch zusätzlichen grünen Strom brauche. „Wer Ja sagt zu Wasserstoff, muss auch Ja sagen zu Windenergie“, so Schulze. „Deswegen müssen und werden wir die erneuerbaren Energien konsequent ausbauen.“
Die Strategie, mit der die Regierung diese Ziele erreichen will, umfasst 38 Maßnahmen – mal mehr, mal weniger konkret. Grob unterteilt werden die Pläne in zwei Phasen: Bis 2023 soll der Markthochlauf gestartet werden. In der Folge sollen bis 2030 der Markthochlauf gestärkt werden, national wie international.
Doch was bedeutet der Beschluss? Zunächst einmal, dass es künftig einen „Nationalen Wasserstoffrat“ geben wird, der die „konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie“ begleiten soll. In der Mitteilung spricht das Wirtschaftsministerium von einer nun geschaffenen „flexiblen und ergebnisorientierten Governance-Struktur“.
Und für die Mobilität? Hiermit beschäftigten sich neun Maßnahmen. In Maßnahme 8 heißt es etwa, dass der „koordinierte Aufbau einer bedarfsgerechten Tankinfrastruktur zur Versorgung der Fahrzeuge auch im schweren Straßengüterverkehr, im ÖPNV und im Schienenpersonennahverkehr“ gefördert werden soll. Konkret sollen über den Energie- und Klimafonds bis 2023 immerhin 3,4 Milliarden Euro für die Förderung von Tank- und Ladeinfrastruktur bereitgestellt werden.
Ebenfalls bis 2023 sollen „Anlagen zur Erzeugung strombasierter Kraftstoffe“ mit 1,1 Milliarden Euro gefördert werden – jedoch nicht unbedingt als Synfuel für Autos, sondern für die Luftfahrt: So wird in Maßnahme 7 strombasiertes Kerosin genannt.
Neben der Förderung der Tankstellen sollen zur „Marktaktivierung“ Investitionen in Wasserstoff-Fahrzeuge unterstützt werden. In Maßnahme 6 werden hier 2,1 Milliarden Euro Zuschüsse zum Kauf elektrisch betriebener Fahrzeuge genannt, 900 Millionen Euro als Zuschüsse zum Kauf von Nutzfahrzeugen mit alternativen, klimaschonenden Antrieben und 600 Millionen Euro „zur Förderung des Ankaufs von Bussen mit alternativen Antrieben“ – die Höhe der jeweiligen Zuschüsse wird aber nicht genannt. Zudem soll die Forschung unterstützt werden, damit die Kosten sinken. Auch die „HyLand“-Förderwettbewerbe sollen fortgesetzt werden.
Nicht alle Maßnahmen sind konkret
Andere Maßnahmen bleiben (zwangsweise) eher im Ungefähren. So soll die „Clean Vehicles Directive“ zur Unterstützung von Null-Emissions-Fahrzeugen im kommunalen Verkehr „zielführend“ umgesetzt werden (Maßnahme 11). Zudem will sich die Regierung für eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut einsetzen – die Entscheidung hierüber liegt aber nicht in ihrer Hand.
Insgesamt sollen aber, wie bereits in Maßnahme 1 festgehalten, verbesserte Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sich die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Deutschland lohnt. Eine politisch und gesamtwirtschaftlich sicher nicht unumstrittene Maßnahme: „Insbesondere streben wir die Befreiung der Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage an. Wir werden dabei sicherstellen, dass dadurch die EEG-Umlage nicht steigt.“ Der letzte Satz dürfte vor allem auf Bestreben von Wirtschaftsminister Altmaier entstanden sein. Laut einem „Handelsblatt“-Bericht habe Altmaier die Befreiung von der EEG-Umlage „eher skeptisch“ gesehen – weil durch einige Großverbraucher die Last für die verbliebenen Verbraucher steige.
Die nun beschlossene Strategie enthält zahlreiche solcher Kompromisse. Einer der Auffälligsten: In dem Papier ist durchweg von grünem Wasserstoff die Rede. Das war nicht immer so. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte Ende Januar den Entwurf der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ vorgelegt. Die damals noch 31 Maßnahmen sorgten aber in der Ressortabstimmung für viel Diskussionsbedarf, weshalb sich die Verabschiedung der finalen Fassung durch das Kabinett immer wieder verzögert hatte.
Damals – also noch nach der ungefilterten Ansicht des Wirtschaftsministeriums – hieß es, dass „CO2-freier Wasserstoff“ eine zentrale Rolle bei der „Vollendung der Energiewende“ zukomme. Darunter fällt nämlich nicht nur „grüner“ Wasserstoff aus Elektrolyseanlagen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Es werden auch Energieträger dazugezählt, die „im engeren Sinne nur CO2-neutral sind“. Also auch „blauer“ Wasserstoff (konventionell aus Erdgas hergestellt, jedoch gekoppelt mit Carbon-Capture-and-Storage (CCS) und „türkiser“ Wasserstoff (mit Pyrolyse aus Erdgas hergestellt und dauerhafter Lagerung oder Bindung des Kohlenstoffs).
Hier haben sich offenbar das SPD-geführte Umweltministerium und das Forschungsministerium (CDU) gegen Altmaier durchgesetzt: Die Befürchtung war, dass günstiger blauer Wasserstoff nicht den Weg für grünen Wasserstoff bereitet, sondern dessen Entwicklung eher hemmt.
Ein weiterer Streitpunkt war laut dem „Handelsblatt“, welche Elektrolyseleistung bis 2030 angestrebt werden soll. Das Wirtschaftsministerium hatte demnach „drei bis fünf Gigawatt“ vorgeschlagen, das Forschungsministerium strebte zehn GW an. Der Kompromiss: Festgeschrieben werden fünf GW bis 2030, fünf weitere GW „nach Möglichkeit“ bis 2035, „spätestens bis 2040“.
Solarstrom aus Marokko für grünen Wasserstoff
Dass sich die beteiligten Ministerien angenähert haben, war bereits im Konjunkturpaket Anfang des Monats erkennbar. Darin hieß es nicht nur, dass die Strategie „kurzfristig“ vorgestellt werden solle, sondern auch konkrete Beschlüsse vorweggenommen. So sollen zusätzlich sieben Milliarden Euro für den Markthochlauf und zwei Milliarden Euro für den Aufbau internationaler Partnerschaften vom Bund zur Verfügung gestellt werden – wie sich nun zeigt, geht es dabei etwa um eine Anlage in Marokko, die grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab herstellen soll.
Das Projekt soll laut Entwicklungsminister Gerd Müller 100.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Die Regierung will sich offenbar früh den Zugriff auf das dort produzierte H2 sichern, mit Marokko wurde ein Memorandum of Unterstanding unterzeichnet, die Anlage gemeinsam aufzubauen. „Vor allem Länder in Nordafrika sind geeignete Produktionsstandorte, da hier die Sonne nahezu unbegrenzt scheint“, so Müller. Die Anlage solle in Marokko Arbeitsplätze für junge Menschen vor Ort schaffen, aber auch die Technologieführerschaft in Deutschland stärken.
Dass Deutschland seinen Bedarf an grünem Wasserstoff nicht selbst decken kann, hatte das Ministerium von Altmaier bereits in dem Entwurf bestätigt und „Energiepartnerschaften“ mit Erzeugerländern (insbesondere mit Staaten in Afrika) angeregt. Die angepeilten fünf GW bis 2030 sollen ein Siebtel des deutschen Bedarfs decken, der Rest muss importiert werden.
bmwi.de, bmwi.de (Strategie als PDF), handelsblatt.com
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