VDMA-Studie: Brennstoffzelle kann in Europa bis 2040 68.000 Jobs schaffen
Brennstoffzellenfahrzeuge werden einer im Auftrag des VDMA erstellten Studie zufolge in fünf wichtigen Kernmärkten einen Marktanteil von 12 Prozent erreichen. Mit Hinblick auf die Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau rechnet der Verband mit guten Chancen – unter einigen Voraussetzungen.
Alleine in Europa könnten im Jahr 2040 laut der Studie, die von FEV Consulting für den VDMA erstellt wurde, elf Milliarden Euro Umsatz mit Brennstoffzellenkomponenten im Pkw erzielt werden. Global sind es sogar 75 Milliarden Euro. Zieht man davon Gewinne, Gemeinkosten, Materialien und Rohstoffe ab, verbleiben über 20 Milliarden Euro reine Wertschöpfung, davon 3 Milliarden Euro in Europa.
Für die Herstellung dieser Komponenten seien Fähigkeiten etwa in der Metallverarbeitung, Mechatronik oder der Prozessautomation erforderlich – alles Kompetenzen, über die Europa bereits heute verfüge. „Für die Maschinenbauindustrie ist die Brennstoffzellentechnologie in Bezug auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze eine große Chance“, sagt Hartmut Rauen, stellvertretender VDMA-Hauptgeschäftsführer. „Wir sind hier global noch in der Pole-Position und können in Deutschland und Europa die ganze Wertschöpfungskette abbilden.“
Doch damit derartige Umsatzpotenziale überhaupt erreicht werden können, muss auch die Marktentwicklung stimmen. Für die Studie mit dem Titel „Antrieb im Wandel – Auswirkungen der Brennstoffzellentechnologie auf den Maschinen- und Anlagenbau und die Zulieferindustrie“ hat die FEV Consulting nach seiner Analyse folgendes Szenario entworfen: Zunächst kommt die Nachfrage aus Asien, wegen der klaren Positionierung von Japan und Südkorea seien dort bis 2030 Marktanteile von bis zu sechs Prozent möglich – für alle Fahrzeuge gerechnet. China, die USA und Europa würden „mit geringem Zeitverzug“ folgen. Von einer Million Brennstoffzellenfahrzeugen im Jahr 2030 geht die FEV bis 2040 von zehn Millionen Brennstoffzellenfahrzeugen pro Jahr aus, was einem Marktanteil von 12 Prozent in den erwähnten fünf Märkten entspreche.
„Von diesen 10 Millionen FCEV sind 95 Prozent Pkw und leichte Nutzfahrzeuge“, sagt Michael Wittler, der die Studie bei der FEV Consulting geleitet hat. „In Segmenten wie den schweren Nutzfahrzeugen wird der Marktanteil deutlich höher sein, bei den Stückzahlen spielen diese Fahrzeuge aber nur eine geringe Rolle.“
Auch der VDMA geht davon aus, dass die Brennstoffzelle zunächst im Schwerlastverkehr eingesetzt werden wird. „Bei Nutzfahrzeugen haben wir eine sehr straffe CO2-Gesetzgebung“, sagt Rauen bei einer Online-Konferenz zur Vorstellung der Studie. „Da müssen wir uns anschauen, mit welcher Technologie sich das umsetzen lässt. Die Antwort des Markts ist aktuell klar: Das geht nur mit der Brennstoffzelle.“
Von der ablehnenden Haltung bei Volkswagen und dem Strategieschwenk bei Daimler, den GLC F-Cell ohne Nachfolger auslaufen zu lassen, sieht sich der VDMA nicht entmutigt. Über die für Nutzfahrzeug getätigten Investitionen würde die Technologie mit der Zeit günstiger, die Wasserstoff-Infrastruktur besser. „Momentan sind die Weichen in Richtung Batterie-elektrischer Fahrzeuge gestellt“, sagt Stefan Pischinger, Geschäftsführer der FEV Group. „Beim Wasserstoff ist die Infrastruktur und auch die Technologie noch nicht so weit. Wenn das gegeben ist, wird sich das auch die Industrie zunehmend anschauen – auch in Europa.“
Konkret geht die FEV in ihrer Analyse davon aus, dass bis etwa 2030 Batterie-elektrische Fahrzeuge immer attraktiver und bei den Kosten immer wettbewerbsfähiger werden. Doch dann seien die Segmente, für die sich BEV eignen, versorgt und die Brennstoffzelle weiter entwickelt. 2036 dann sollen die FCEV bei den Kosten gleichauf liegen, so das Szenario. Dann soll auch der große Push bei den Pkw-Verkäufen kommen.
Während bei den BEV eine Komponenten – die Batterie – der größte Kostentreiber ist, sind bei FCEV zwei Komponenten preiskritisch. Für 2030 prognostiziert die FEV beim Brennstoffzellensystem Kosten von 55 Euro pro kW, 2040 sollen es noch 40 Euro/kW sein – also 26 Prozent weniger. Bei den Wasserstofftanks sollen die Kosten in diesem Zeitraum um etwa 20 Prozent sinken, von 660 Euro/kg auf 530 Euro/kg.
Rund 70 Prozent der Kosten für den Antrieb eines FCEV entfallen laut der Studie auf den Wasserstoff-Part, 30 Prozent auf die elektrischen Komponenten – also in erster Linie der E-Motor und die Puffer-Batterie. Ausgehend von einem „ähnlichen Industrialisierungslevel“ sollen die Antriebskomponenten für ein BEV und ein FCEV im Jahr 2040 bei 6.800 Euro liegen. Bei dem modellierten Fahrzeug handelt es sich jeweils um einen Pkw mit 400 Kilometern Reichweite und einer Dauer-Leistung von 60 kW (Peak-Leistung 100 kW). Während beim BEV der Großteil dieses Betrags für die 63 kWh große Batterie investiert werden muss, entfallen laut der FEV-Aufschlüsselung beim FCEV nur 1.500 Euro auf den E-Motor und die ein kWh große Pufferbatterie. 2.100 Euro kostet der Wasserstofftank, 3.100 Euro das Brennstoffzellensystem.
Welche Technologie bei dieser prognostizierten Kosten-Parität attraktiver ist, solle der Kunde für seinen jeweiligen Einsatz entscheiden. Ein wichtiger Faktor dabei werden auch die Energiekosten für das Laden bzw. Tanken der Fahrzeuge. Die FEV hält für die Zeit ab 2030 einen Verkaufspreis von fünf Euro pro Kilogramm Wasserstoff für realistisch. „Vorausgesetzt, Deutschland wird weiter Energie im großen Stil importieren“, wie Studienleiter Wittler ergänzt. Sprich: Wird der Wasserstoff nicht günstig aus Solarstrom in Afrika oder der Arabischen Halbinsel hergestellt, sondern in Nordsee-Windparks oder in Photovoltaik-Anlagen in Deutschland, dürfte es wohl teurer werden.
Doch zunächst einmal seien milliardenschwere Investitionen nötig, wobei sich der VDMA laut Rauen „darüber freuen würde“, wenn der Bund die industrielle Gemeinschaftsforschung an Hochschulen stärken würde. Aus dem Verband ist zu hören, dass man die beschlossene Nationale Wasserstoffstrategie für einen Schritt in die richtige Richtung halte – sofern die Ankündigungen bis zur nächsten Wahl auch in konkrete Gesetze umgesetzt werden.
Mit der Studie will der VDMA laut Rauen übrigens „Transparenz für Unternehmen schaffen, bei ihren Investitionen den richtigen Pfad zu finden“. Oder anders formuliert: Der VDMA hofft, dass die Unternehmen im Glauben an die prognostizierten Milliarden-Märkte und 68.000 Arbeitsplätze weiter in die Brennstoffzelle und deren Erforschung investieren – auch wenn bis 2030 das Batterie-elektrische Auto das Rennen zu machen scheint. 63.000 Arbeitsplätze würden bei den Fahrzeugbauern anfallen, 5.000 bei den Maschinen- und Anlagenbauern. Eine attraktive Aussicht für den Verband. Oder wie FEV-Mann Wittler es ausdrückt: „Die Brennstoffzelle kann dazu führen, dass die Industrie eine nicht allzu große Disruption erfährt und ihre Wertschöpfungsanteile behält.“
Ob der Markt Rücksicht auf Wertschöpfungsanteile nimmt, steht aber auf einem anderen Blatt Papier.
Quelle: Info per E-Mail und Webcast, vdma.org
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