eMobility-Scout: Wie ein Kompass für umsteigefreudige Fuhrparkmanager
In Fuhrparks könnten Elektroautos am Schnellsten zur Normalität werden. Voraussetzung: Die Integration darf nicht zu aufwendig sein. Das Projekt „eMobility-Scout“ aus dem Technologieprogramm „IKT für Elektromobilität“ ist für umsteigefreudige Flottenmanager insofern ein Segen.
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Die Projektbeteiligten haben das Einflotten von E-Autos von A bis Z durchdacht und einen Werkzeugkasten entwickelt, der einfach in bestehende Strukturen integrierbar ist. Meisterstück des abgeschlossenen Projekts aus dem Förderprogramm „IKT für Elektromobilität“ ist die Entwicklung einer cloudbasierten Plattform zur Koordination gemischter Fahrzeug-Flotten. Mehr Schnittmenge zwischen Elektromobilität und IT gibt’s kaum.
Projektleiter Frank Meißner nimmt uns mit in die Try-and-Error-Zone dieses Grenzbereichs. Im Interview schildert er, wie Elektroautos zur Wirtschaftlichkeit von Flotten beitragen können, inwiefern man komplexe IT-Systeme hinter übersichtlichen Benutzeroberflächen verbergen kann und warum eine IT-Plattform nie wirklich „fertig“ ist. Außerdem lässt Meißner im Gespräch mit electrive.net-Redakteurin Cora Werwitzke die Erfahrungen zur Implementierung der IT-Plattform bei den Berliner Verkehrsbetrieben Revue passieren. Fallstricke, Erfolgserlebnisse und eine steile Lernkurve inklusive.
Herr Meißner, Scout ist der englische Begriff für Pfadfinder. Kann man sagen, dass es in Ihrem Projekt eMobility-Scout in der Tat darum ging, einen Pfad zu finden?
Genauso war es gedacht! Wir wollten Pfade finden und beschreiben, wie Elektromobilität in die Flotte kommen kann. Der eMobility-Scout bietet Landkarte und Kompass, um sich im Gelände zwischen Mobilitätsanforderung, Ladepunkt, Elektrofahrzeug, Energiebedarf und auch Wirtschaftlichkeit im Fuhrpark zu orientieren. Ebenso wie eine Landkarte eine Abbildung der Realität ist, haben wir die wichtigen und zum Projektzeitraum aktuellen Landmarken aufgenommen. Wir haben nicht die Schnellstraße für die einzige, entscheidende Lösung für alle gefunden, sondern vielfältige Wege und Pfade für viele Ansprüche und Wünsche gedacht. Zwei Pfade sind wir für unsere Praxispiloten bei den Berliner Verkehrsbetrieben und den Flughafen Stuttgart gegangen.
Elektrofahrzeuge in eine gewerbliche Flotten einzubinden, klingt erst einmal nicht wahnsinnig kompliziert. Doch auch hier gilt wie fast überall: Der Teufel steckt im Detail. Was bereitet Flottenbetreibern bei der Planung die größten Kopfschmerzen?
Eine gewisse Langfristigkeit bei der Herstellung der Betriebsfähigkeit ist notwendig – und darum ein Hinweis auf zeitlichen Vorlauf: Welche Fahrzeuge, welche Ladeinfrastruktur, welche Telematik, wie schaffen wir die Integration der IT? Das alles hängt davon ab, welches Kerngeschäft im Unternehmen zu unterstützen ist. Gewiss kann man einzelne Fahrzeuge relativ zügig benutzen. Die Einsatzfähigkeit einer ganzen Flotte für die Kernaufgaben des Unternehmens sicherzustellen, bedarf mehr Vorarbeit als die Einkaufsverhandlungen beim Autohaus und die Auswahl einer passenden Tankkarte bei Verbrennern. Die Wirtschaftlichkeit der Flotte ist zudem ein sehr entscheidendes Thema. Einen in der Anschaffung vergleichsweise billigen Verbrenner mit geringer Jahreskilometerleistung zu betreiben, ist betriebswirtschaftlich nicht immer unsinnig. Es braucht aber andere Ansätze, um die geringen variablen Kosten für E-Fahrzeuge ökonomisch wirksam werden zu lassen. Hier müssen wir möglichst hohe Jahresfahrleistungen pro E-Fahrzeug erzielen. Es sollen vermehrt Fahrzeugen im Unternehmen geteilt werden. Dabei muss man die jeweiligen elektrischen Reichweiten im Auge behalten. Ziel ist immer, dass die Fahrer ihre Aufgaben mit der passenden Mobilitätsunterstützung erfüllen können.
Im Rahmen des Projekts haben Sie eine gleichnamige, cloudbasierte IT-Plattform kreiert. Können Sie auch jenen Leuten, die nicht voll in der Materie sind, in wenigen Sätzen erklären, was es mit dieser Plattform auf sich hat?
E-Fahrzeuge in Flotten müssen gegenwärtig in der Regel breit geteilt werden, um besagte hohe Jahreskilometerleistung und damit Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Dazu müssen Daten zur Planung von Fahrten, zu notwendigen Ladevorgängen und zum Energieverbrauch bei der Durchführung von Fahrten zusammengeführt werden. Wir haben eine Buchungsplattform für innerbetriebliche Mobilität mit einer Steuerung für die Ladeinfrastruktur verbunden, um eine übergreifende Planung für den operativen Fahrzeugeinsatz zu ermöglichen. Die Plattform arbeitet grundlegend mit Prognosen, wie Fahrzeuge einzusetzen sind und wann welcher Energiebedarf bestehen wird. Vor den Fahrern haben wir die Komplexität hinter der E-Fahrzeug-Benutzung verborgen: buchen, fahren, mit Ladestation verbinden – fertig. Auch den Fuhrparkdisponenten haben wir einen relativ einfachen Zugang verschafft. Die verschiedenen technischen Komponenten wurden unter ein Dach gestellt. Die Komplexität ist jedoch vorhanden, weshalb die IT-Plattform intern nicht so simpel gebaut sein kann, wie es die übersichtliche Benutzeroberfläche vermuten lassen könnte.
In Pilotprojekten ist die IT-Plattform bei den Berliner Verkehrsbetriebe und am Stuttgarter Flughafen getestet worden. Hand aufs Herz: An welchen Stellen lief es wie am Schnürchen, wo hakte es?
Vielleicht die Hürden zu Beginn: Die begrenzte Lieferbarkeit von steuerbarer Ladeinfrastruktur und passender Fahrzeug-Telematik in den ersten beiden Projektjahren haben zu einigen Änderungen beim Zeitplan geführt. Wir haben auch viele organisatorische Fragen unterschätzt. Der Schwerpunkt in derartigen Projekten liegt also nicht bei Entwurf und Programmierung von IT-Systemen. Projekte wie unseres greifen – anders als noch vor einigen Jahren – in produktive Prozesse bei den Praxispartnern ein. Wir haben vorhandene Flotten und ohnehin aufzubauende Ladeinfrastruktur benutzt. Da hatte sich unser Projekt einzuordnen, was mit einigem Koordinationsaufwand verbunden war. Sehr positiv war die Zusammenarbeit der drei Implementierungspartner in-integrierte informationssysteme GmbH, Fraunhofer IAO und Carano Software Solutions GmbH in einem recht agilen Prozess. Im Laufe des Projekts haben wir auch immer besser verstanden, die Praxispartner bei den Berliner Verkehrsbetrieben BVG und beim Flughafen Stuttgart in den agilen Entscheidungsprozess um Features der IT-Plattform mitzunehmen. Unsere IT-Anwendung – von drei Herstellern entwickelt und mit nur loser Kopplung verbunden – erschien den Benutzern wie aus einem Guss. Auch technologisch haben wir zum Nutzen der User gut gelernt.
Stimmt es, dass die IT-Plattform bei den Berliner Verkehrsbetrieben auch nach dem Projektende 2018 weiter in Betrieb ist?
Aus Teilen der Prototypen für die Steuerung der Ladeinfrastruktur und für die Buchung der Fahrzeuge haben zwei der Konsortialpartner wegen des greifbaren Bedarfs kurz nach Projektende schon produktive Anwendungen für die Berliner Verkehrsbetriebe BVG gemacht. Die sind jetzt im Einsatz. Wir arbeiten im Moment daran, die übergreifende Optimierung wieder in Betrieb zu nehmen. Es gibt eine gewisse Entwicklung bei der Möglichkeit, Ladeinfrastruktur bei der BVG nicht nur abzufragen, sondern auch aktiv steuern zu können. Gegenüber einer begrenzten Menge von steuerbaren Ladestationen im Projekt bis 2018 können wir in einigen Monaten den Leistungsbezug der Ladesäulen auf mehr Standorten steuern. Damit sind dann andere Effekte möglich, deren netztechnische Auswirkung wir aber noch untersuchen müssen.
Und das alles funktioniert via Cloud?
Die Entscheidung zu einer Cloud-Plattform für das Projekt war nicht unumstritten. Für viele Interessenten ist „die Cloud“ selbstverständlich, für andere eher ein No-Go. Schnittstellen zwischen Systemen gibt es ohnehin in vielen Ausprägungen. Wir haben im Projekt auch intensiv über schützenswerte Daten nachdenken müssen, was tatsächlich einen erheblichen Vorteil für alle Projektbeteiligten darstellt. Insofern ist der Betrieb einer aus dem Prototypen abgeleiteten Software mit ähnlicher technologischer Basis über die Pilotphase hinaus bei der BVG ein Nachweis für die Nachhaltigkeit des Projekts.
Lässt sich das IT-System auf jede beliebige Flotte übertragen? Und wie weit ist die Plattform auf dem Weg hin zum kommerziellen Serienprodukt fortgeschritten?
So gut wie jede Flotte lässt sich durch unsere Plattform unterstützen. Wenn Elektromobilität in die Kernprozesse unserer Interessenten passt, muss man das eine oder andere Detail besprechen. Der Umbau von einem Funktionsprototypen zu einem Produkt erweist sich als erheblich aufwendiger als gedacht. Einige zentrale Komponenten waren vollständig zu ersetzen. Es gibt eben andere Anforderungen an den Betrieb eines Produkts für viele Kunden als an einen funktionalen Prototypen für wenige Pilotteilnehmer. Wir haben aus dem Projekt eine lange Liste an Ideen gewonnen, die wir je nach Bedarf und Möglichkeit mit der notwendigen Qualität in unseren bereits erhältlichen Produkten umsetzen. Wir erhalten sehr viel Feedback von Kunden zu unseren Produkten „CaranoCloud“ (Carano) und „Lade- und Energiemanager“ (in-integrierte informationssysteme). Wir hoffen, dass sich die jetzt schon vorhandenen und kombinierbaren Produkte sehr gut und breit weiterentwickeln werden.
Aus Ihren Schilderungen geht hervor, dass Sie in einem sich rasant entwickelnden Geschäftsfeld arbeiten: Ladesäulen werden intelligent, die Netzlast steuerbar. Ihre Software muss ständig dazulernen. Wie halten Sie sich da selbst informiert? Und verfolgen Sie eher enthusiastisch oder ab und zu auch seufzend die immer neuen Netz-, IT- und Mobilitätsentwicklungen?
Während unser Projekt lief, habe ich intensiv den Austausch mit den anderen Projekten im Rahmen von „IKT für Elektromobilität“ genutzt. Eine ganze Reihe der Probleme bei eMobility-Scout ist in ähnlicher Form auch an anderen Stellen aufgetreten. Dieser Vergleich gab uns Orientierung und Entscheidungshilfe, wie der eine oder andere Wunsch der Benutzer sinnvoll umzusetzen wäre. Diese direkten Kontakte vermisse ich nun etwas, auch wenn ich Newsletter und Projektberichte nach wie vor gern und viel lese. Meine erste Orientierung zu Neuigkeiten ist jetzt tatsächlich jeden Morgen die electrive.net-Mail. Die Mischung macht’s in meinen Augen: Technik, Flotten, Trends. Die erste electrive.net-Onlinekonferenz fand ich auch sehr spannend. Auch einige andere regelmäßige News blättere ich durch, aber lange nicht so intensiv. Recht optimistisch gucke ich immer auf Entwicklungen von Spezialisten, die Anschluss zu anderen Spezialisten gestatten: per API etwa. Die Elektromobilität in ihrer Gesamtheit ist komplex. Der Fahrer muss am Ende sehr einfach und sicher mit dem E-Fahrzeug umgehen können. Da ist es gut, wenn jede einzelne der vielen Problemlösungen passgerecht gebaut ist, man sich sozusagen auch um den Nachbarn kümmert. Es sind noch viele Lösungen lange nicht am Ende der Nutzerorientierung angekommen. Und nur im Ganzen ist E-Mobilität verwendbar. Einige Nachrichten treiben mir hin und wieder schon den Schweiß auf die Stirn, ob wir als Unternehmen da hinterher kommen. Aber auch das ist Ansporn.
Das Konsortium hat als ein Ergebnis des Projekts einen Leitfaden für Flottenbetreiber zur Elektrifizierung ihres Fuhrparks herausgebracht (Download bei Carano und im Fraunhofer Verlag), der sich – Sie sind da sehr kohärent – ebenfalls eMobility-Scout nennt. Wie ist die Resonanz?
Die Papierauflage des Büchleins ist noch in einigen Exemplaren erhältlich. Aber die Downloadzahlen sind beträchtlich! Wir können nicht ermitteln, wohin die vielen PDF-Dokumente genau gegangen sind, aber wir sehen anhand der Rückfragen, dass die Broschüre gern als erste Orientierung und grundlegende Anleitung genommen wird. Anhand einiger unserer Zahlen werden Argumente für die Umstellung von Flotten auf elektrischen Betrieb geboten. Erster Ansprechpartner für die Flotte in Unternehmen ist häufig das Fuhrparkmanagement. Für diesen Personenkreis stehen Informationen zur Verfügung, die die ersten Schritte in Richtung Überblick, Machbarkeit und Planung erleichtern: Karte und Kompass zur E-Mobilität in Flotten. Die Nachfragen zu unserem Projekt sind recht umfangreich. Hier konnten wir den ersten Informationsbedarf immer mit unserer Veröffentlichung decken – und gern weiterführend auch persönlich informieren.
Wie offen ist die Branche gegenüber den jüngsten Mobilitätsentwicklungen? Müssen Flottenbetreiber heute weniger Autoenthusiasten als vielmehr IT-Fachleute sein?
Ein Smartphone zu benutzen, ist heute selbstverständlich, für jedermann. Niemand braucht dafür IT-Fachkenntnisse. Es funktioniert anders als früher ein Wählscheiben-Telefon – wer das noch kennt. Die Benutzung von Apps und Desktop-Anwendungen in vielen Bereichen des Lebens schlägt auch zunehmend auf die betrieblichen Fahrzeugflotten durch. „Innen“ besteht der Wert eines modernen Fahrzeugs zu einem hohen zweistelligen Prozentsatz aus Software. Autoschlosser lernen heute den Beruf eines Mechatronikers. Und Flottenbetreiber müssen in Zukunft ein Teil ihres Werkzeugs in Software einkaufen. Damit werden letztlich ökonomische Vorteile erzielt. Daten bekommen Wert. Unsere Kunden und Interessenten kaufen teilweise nicht nur Software einfach ein, sondern beziehen Dienstleistungen aus Software, Prozesswissen und Bearbeitungskapazität. Man muss nicht alles selbst machen. Eine Affinität zu modernen Fahrzeugen ist sicherlich sehr hilfreich, um als Flottenverantwortlicher einen guten Job zu machen. Ob die Offenheit für ebenso moderne IT-Lösungen möglicherweise der nächste Erfolgsfaktor für erfolgreiche Fuhrparkmanagement-Abteilungen ist? Ja, da bin ich mir ziemlich sicher!
Herr Meißner, haben Sie vielen Dank für das ausführliche Gespräch!
Über das Projekt:
eMobility-Scout war ein gemeinschaftliches Förderprojekt des Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität“, welches von Anfang 2016 bis Ende 2018 lief und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wurde. Zum Konsortium gehörten die beiden mittelständischen Unternehmen Carano Software Solutions GmbH und in-intergrierte informationssysteme GmbH sowie das Fraunhofer-Institut IAO, die Berliner Verkehrsgesellschaft und die TU Dresden. Gegenstand des Projekts war die Entwicklung einer cloudbasierten IKT-Plattform mit dem Ziel, gewerbliche Fuhrparks logistisch und wirtschaftlich effizient als E-Mobilitätssystem zu betreiben.
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