Vom Fehlstart: Kritik an der WEG-Reform
Jeder sollte einen Anspruch auf einen Ladepunkt in der (Tief-)Garage erhalten – das war eines der Ziele der WEG-Reform. Zunächst klang das auch so. Doch in der Praxis kann die geplante Regelung zu absurden Konstellationen in einer Hausgemeinschaft führen – und zu Streit. Warum mit der Regelung in der aktuellen Form die Wende für Eigentümer und Mieter ausbleiben würde.
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Der Missstand ist offensichtlich: Wohnungseigentümer mit (Tief-)Garagenstellplatz können die Installation einer Wallbox nicht gegen den Willen der Mitbewohner durchsetzen. Auch Mieter sind auf das Wohlwollen von Dritten angewiesen, wenn sie zu Hause laden wollen. Ohne AC aber geht es nicht: Neben der flächendeckenden DC-Infrastruktur an Autobahnen und Knotenpunkten sind Elektroautos zukünftig auf Millionen dezentraler Wechselstrom-Ladepunkte angewiesen. Sie könnten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze und der Energiewende leisten. Leider hat die Gesetzesänderung, die zur Basis eines neuen und besseren Miteinander werden könnte, inhaltliche Schwächen. Kommt die Reform in der aktuellen Fassung unverändert durch den Gesetzgebungsprozess, droht die Fortsetzung des Status Quo: Es passiert nichts.
Eigentlich verfolgt das WEMoG (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz) ein klares Ziel: Jeder Eigentümer und jeder Mieter soll einen Anspruch auf die Umsetzung so genannter privilegierter Maßnahmen haben. Dazu gehören der „Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug, der barrierefreie Aus- und Umbau sowie Maßnahmen des Einbruchsschutzes und zum Glasfaseranschluss“, so heißt es im Juristendeutsch. Gemeint ist: Wenn ein Eigentümer oder Mieter eine Wallbox einbauen will, darf er das tun – und muss es auch selbst bezahlen. Dieses Verständnis des WEMoG wird in der Öffentlichkeit diskutiert und meistens positiv bewertet. Und das, obwohl es Zweifel gibt.
Wer zahlt für die Leitungsertüchtigung?
Der Regierungsentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJV) ist vor der Sommerpause in 1. Lesung gescheitert. Der Rechtsausschuss wird Änderungen einbringen, die hoffentlich, aber keineswegs garantiert eine entscheidende Frage klären: Wer zahlt für das, was über die Beschaffungskosten der Wallbox und den Einbau hinausgeht?
„Nach dem jetzigen Entwurf müsste der Systemaufwand, also die leitungsbezogenen Kosten inklusive einer möglichen Ertüchtigung des Netzanschlusses, von einer Einzelperson getragen werden“, bringt es Peter Lindlahr, Geschäftsführer der hySolutions GmbH, auf den Punkt. Er kritisiert, dass die geplante Regelung zu absurden Konstellationen in einer Hausgemeinschaft führen würde: „Wenn beispielsweise die Installation der ersten fünf Ladepunkte ohne größeren technischen Aufwand vorgenommen werden kann, hätten die Nutzer dieser Ladeinfrastruktur jeweils nur ihre jeweilige Hardware und deren Installation zu zahlen. Käme nachträglich ein Sechster hinzu und ist dann eine Ertüchtigung des Hausanschlusses fällig, müsste dieser den kompletten make-ready-Aufwand zahlen, falls die Leitungen nicht mehr ausreichen.“ Eine rechtliche Möglichkeit, die Kosten auf alle die mitmachen zu verteilen, ist im Gesetzentwurf gar nicht vorgesehen; einen Rechtsanspruch auf eine Umlegung der Kosten gibt es nicht.
Für Mieter hatte der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats deshalb vorgeschlagen, bauliche Maßnahmen an einem Mietobjekt, die für die Ladeinfrastruktur erforderlich sind, aber den Netzanschluss und die Energieversorgung des Gesamtgebäudes betreffen, als gesetzlich definierte Modernisierungsmaßnahme ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) zusätzlich aufzunehmen und hierüber eine Kostenumlage zu ermöglichen. Dieser Ausschussempfehlung ist die Ländermehrheit nicht gefolgt.
Und auch innerhalb der Bundesregierung hat man sich offenbar lediglich auf den auf Installation gerichteten Rechtsanspruch der Eigentümer und Mieter konzentriert, nicht aber die technischen Probleme zu Ende gedacht und die hieraus resultierende Kostenverteilung praxisgerecht geregelt. „Man ist auf halber Strecke stehengeblieben und feiert das als Erfolg“, so Peter Lindlahr von hySolutions in Hamburg.
Haus + Grund: „Streitanfälliges Gesetz“
Ein ähnliches Ergebnis prognostiziert auch Julia Wagner, Rechtsreferentin beim Verband Haus & Grund, falls der aktuelle Entwurf des WEMoG unverändert beschlossen wird: „Das Gesetz wäre nach meiner Einschätzung streitanfällig, und es würde einfach nichts passieren.“ Die notwendige Wende für Eigentümer und Mieter würde also ausbleiben.
Wagner argumentiert allerdings vorwiegend juristisch: Aus der Perspektive von Haus & Grund Deutschland wäre die Ertüchtigung des Hausnetzes jetzt schon eine Modernisierung, die mit doppelt qualifizierter Mehrheit (75 Prozent der Eigentümer, die mindestens 50 Prozent der Miteigentumsanteile präsentieren) beschlossen werden kann: „Unsere Rechtsauffassung wird aber von den Gerichten derzeit nicht geteilt.“ Vom Kleinklein in die Hängepartie – so wird das nichts.
Neben dem WEMoG ist wahrscheinlich auch das Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität (GEIG) nicht ausreichend durchdacht. Zuständig ist in diesem Fall das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Es muss EU-Richtlinie 2018/444 in nationales Recht umsetzen. Das bekannteste Stichwort: Leerrohre in Neubauten.
GEIG ignoriert das Potenzial intelligenter Stromnetze
Vereinfacht gesagt ist die Idee des GEIG, dass Gebäude mit mehr als zehn Stellplätzen „Schutzrohre für Elektrokabel“ haben, wenn sie neu errichtet oder umfassend renoviert werden. Darüber hinaus sollen Mindestauflagen bei der Versorgung mit Ladepunkten für Nichtwohngebäude beschlossen werden.
Auch hier aber gibt es diverse Streitpunkte, die von Bund, Ländern und diversen Ausschüssen bereits adressiert und diskutiert wurden und werden. Die Konfliktlinien verlaufen zwischen denen, die tatsächlich glauben, selbst die EU-Richtlinie wäre überflüssig und der Markt würde das automatisch regeln, und jenen, die den GEIG-Entwurf des BMWi als krass unterambitioniert einordnen.
Es mangele, so heißt aus diversen Hintergrundgesprächen, an Vorgaben zum netzdienlichen Laden. Dieses müsse verbindlich geregelt werden und außerdem die Voraussetzung für die Förderfähigkeit mit Staatsmitteln sein.
Fazit: Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Aus den derzeitigen Verhandlungen um WEMoG und GEIG spricht eine Haltung, die weiterhin davon ausgeht, dass Elektroautos Orchideengewächse der Mobilität bleiben. Viele Beteiligte scheinen nicht begriffen zu haben, dass die Frage „kommt das wirklich?“ längst beantwortet ist: Der Hochlauf wird massiv, und die Rechtslage ist darauf nicht ausreichend vorbereitet. Der Gesetzgeber hinkt immer zwei Schritte hinter der Realität her, statt die absehbare Zukunft aktiv zu gestalten. Die Elektroautofahrer können sich unabhängig davon, ob sie Eigentümer oder Mieter eines Stellplatzes sind, weiterhin nicht darauf verlassen, dass sie Ladestrom bekommen. Das letzte Wort ist aber nicht gesprochen: Erst nach der Sommerpause geht es im Gesetzgebungsprozess weiter. Vielleicht wachen die Verantwortlichen von Bund, Ländern und Fachausschüssen doch noch auf.
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