Nissan Ariya: „Neues Kapitel“ für Elektroautos der Marke
Nissan hat in Japan mit dem Ariya ein neues vollelektrisches Modell vorgestellt, das ein „neues Kapitel“ für die kommenden Elektrofahrzeuge des Unternehmens einleiten soll. Tatsächlich hat Nissan mit dem Ariya einige Kritikpunkte der bisherigen BEV ausgeräumt.
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Nissan will mit der Einführung des Ariya Crossover, der Mitte 2021 auf den europäischen Markt kommen soll, das Blatt wenden. Die Serienversion des neuen E-SUV, die im Nissan Pavilion in Yokohama, Japan, ihr virtuelles Debüt feierte, basiert „stark“ auf dem IMx-Konzept aus dem Jahr 2017, wie Nissan zugibt.
Bereits 2019, als die Japaner einen Ausblick auf eine produktionsnahe Version gezeigt hatten, hieß das Fahrzeug Ariya. Ein E-SUV mit kräftigen Linien auf einer „maßgeschneiderten Plattform“. Bei einem Roundtable am Rande der virtuellen Präsentation gab Produktentwickler Marco Fioravanti an, dass die Ideen für das Fahrzeug bis ins Jahr 2016 zurückreichen. Statt „Premium-Konkurrenten zu bewerten“ – etwa das Tesla Model Y, VW ID.4, Ford Mustang Mach-E oder BMW iX3 – wollte Nissan seine eigenen Standards setzen, orientiert an den Kundenbedürfnissen, betont Fioravanti.
Vier Jahre später soll diese neue Architektur der gesamten Allianz dienen, also etwa Partner Renault und eben vor allem Nissan in Europa. Angesichts der jüngsten Ankündigungen der Allianz zur Umstrukturierung ist der letztgenannte Punkt überraschend. Zwischenzeitlich gab es sogar Gerüchte, wonach sich Nissan aus Europa zurückziehen werde. „Nur weil Renault zum Marktführer in dieser Region ernannt wurde, heißt das nicht, dass Nissan aufgegeben hat“, sagt Fioravanti über das später bekannt gegebene Leader-Follower-Konzept. Der Ariya sei tatsächlich „das erste EV auf dieser neuen Plattform“. Nissan habe „keinen Plan, unsere Modellpalette zu reduzieren“, so Fioravanti und fügte hinzu, dass „in Europa mit dem Ariya das Gegenteil der Fall sein wird“.
Das gilt aber nur für Elektroautos. Auf die Frage, warum sich das Unternehmen bei seiner neuen Architektur für den EV-Only-Ansatz entschieden hat und nicht für den Multi-Energy-Ansatz wie beispielsweise PSA, sagte Fioravanti gegenüber electrive: „Ja, es wäre viel billiger gewesen, eine Multi-Energy-Plattform zu nutzen.“ Es sei jedoch kein „Masochismus“ für Nissan, sondern das Engagement für eine Plattform, die es ermögliche, „den Kundenansatz zu verfolgen und den Radstand auf ein extremes Niveau zu bringen“. Nissan spricht von einem „zeitlosen japanischen Futurismus“ – sowohl in technischer als auch in visueller Hinsicht. Die Investition in die EV-Plattform solle sich später auszahlen.
Mit der Serienversion hat Nissan endlich auch Daten zur Antriebstechnik veröffentlicht, bei den Studien gab es hierzu noch keine Informationen. Nissan setzt im Ariya erstmals den e-4ORCE-Allradantrieb ein, der zuvor in einem speziell umgebauten Leaf getestet wurde. Zudem gibt es eine Variante mit einem Motor – und zwei Batterie-Optionen. Mit 63 kWh und 87 kWh gibt Nissan allerdings die nutzbare Kapazität an, der Brutto-Wert ist mit 65 bzw. 90 kWh jeweils nur etwas größer.
Mit zwei Motoren-Layouts, zwei Batterie-Optionen und einer speziellen Performance-Version kommt Nissan auf insgesamt fünf Versionen des Ariya, die in Europa angeboten werden sollen.
Der Ariya mit 63 kWh-Batterie und Zweiradantrieb bietet eine Leistung von 160 kW und soll sich an Pendler in Städten richten. Nissan gibt für das Einstiegsmodell eine Reichweite von 360 Kilometern an. Die 87-kWh-Batterie mit nur einem Motor kommt mit 500 Kilometern auf die größte Reichweite aller Varianten. Da die größere Batterie etwas mehr Strom abgeben kann, liegt die Leistung hier bei 178 kW. Beide Fronttriebler sind bei 160 km/h abgeregelt.
Die drei Allrad-Modelle dürfen hingegen 200 km/h schnell fahren. Mit dem kleinen Akku leistet das e-4ORCE-Modell 205 kW, die Reichweite liegt bei „bis zu 340 Kilometern“. Mit der größeren Batterie steigt die Leistung auf 225 kW und die Reichweite auf 460 Kilometer. Im Ariya 87 kWh e-4ORCE Performance leisten die beiden E-Motoren zusammen 290 kW, die Reichweite sinkt wegen des höheren Verbrauchs auf 400 Kilometer. Mit 5,1 Sekunden auf 100 km/h ist das Performance-Modell aber 0,6 Sekunden schneller als die nächstschnellste Variante. Angesichts dieser Leistungsdaten wird deutlich, warum Fioravanti den Ariya und Leaf als „vollständig komplementär“ bezeichnet und zwei verschiedene Marktsegmente anspricht. Der Ariya soll als „erstes Auto im Haushalt“ dienen – und der Leaf damit durch die Blume eher als Zweitwagen.
„Das Top-Modell verbindet mehr Leistung und ein kraftvolles Drehmoment, die Anhängelast klettert auf 1.500 Kilogramm“, schreibt Nissan zu der Performance-Version – jedoch ohne anzugeben, wie hoch die Anhängelast bei den schwächeren Versionen ist.
Das liegt auch daran, dass Nissan mit einigen Eigenheiten des Leaf gebrochen hat. Zum Beispiel beim Akku: Der ist endlich flüssigkeitsgekühlt, was in allen früheren Leaf-Updates gefehlt hat. Damit sollen auch Langstrecken mit mehrmaligem Schnellladen einfacher werden. Fioravanti weist darauf hin, dass sie den Kunden zugehört haben, und appelliert an die Presse, einen Punkt zu formulieren, den Nissan ansprechen möchte: „Wir sind einfach zuversichtlich, dass die Batterie ein Zubehörelement wird – die Batterie ist kein Differenzierungsmerkmal.“
Europäische Käufer werden sich wohl darüber freuen, dass Nissan endlich auf den CCS-Ladestandard setzt und sich damit vom CHAdeMO (und den V2G-Projekten) des Leaf entfernt. Auch die AC-Ladeleistung kann sich sehen lassen: In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden alle Versionen des Ariya mit einem dreiphasigen 22-kW-AC-Lader ausgeliefert. Wer regelmäßig an öffentlichen AC-Säulen lädt, kann dort die maximal mögliche Ladeleistung ausnutzen. In anderen Ländern ist nur bei der 87-kWh-Batterie der 22-kW-Lader inkludiert, die kleinere Batterie wird dort mit einem 7,4-kW-Lader ausgeliefert. Die DC-Ladeleistung liegt in allen Ländern bei 130 kW. Laut Nissan soll damit Strom für rund 360 Kilometer in einer halben Stunde nachgeladen werden können.
Spezielles Design für Elektroautos
Nissan ist wie viele andere Autohersteller bestrebt, den Fahrgastraum in eine Lounge zu verwandeln, um das Gefühl des autonomen und elektrischen Fahrens zu vermitteln. Die minimalistische Designsprache des Ariya unterstreicht den Ansatz – das einzigen haptische Steuerelemente ist ein pulsierender Startknopf. Das digitale Armaturenbrett – Nissan verwendet zwei Konsolen, eine für den Fahrer und eine große zentrale Anzeige – bleibt verborgen, bis das Auto eingeschaltet wird. Weitere Funktionen sollen ein Tesla-ähnliches Erlebnis bieten. Die Türen werden entriegelt, wenn Sie sich dem Elektrofahrzeug nähern, und alle Lichter sowie die LEDs des Nissan-Emblems werden eingeschaltet, wenn das Auto die Anwesenheit des Fahrer erkennet.
Nissan bietet im Ariya auch mit das ProPilot 2.0-System. Wie beim Leaf ermöglicht das Assistenzsystem (theoretisch) das, was Nissan als freihändiges einspuriges Fahren bezeichnet, sowie das Navigieren im Stop-and-Go-Straßenverkehr und das Einhalten der eingestellten Fahrzeuggeschwindigkeit und -entfernung zum vorausfahrenden Fahrzeug. Ein Upgrade des Ariya: Der ProPilot ist an das Navi angebunden und erhält so etwa Straßendaten und kann die Fahrgeschwindigkeit entsprechend anpassen. Das automatisierte Parken soll aber nur in einigen Märkten verfügbar sein.
Beim Design folgt Nissan sehr eng der 2019 vorgestellten Studie. Horizontale Linien sollen die Bewegung vermitteln. Die markante Front wird von den besonders schmalen Scheinwerfern und dem beleuchteten „Frontschild“ anstelle des Kühlergrills geprägt. Das Konzept zeichnet sich auch durch kurze Überhänge und ein durchgehendes Rücklicht aus.
Den Markt voranbringen
Nissan wird den Ariya in seinem Werk in Tochigi in der Nähe von Tokio produzieren. Die Fabrik wird „für die neue Plattform komplett verändert“, erklärt Fioravanti. Europa ist ein Hauptmarkt. Hier stellt sich jedoch die Frage der Produktion: Nach dem Aus für das Werk in Barcelona bleibt nur das Werk in Großbritannien. Hier blieb Fioravanti vage und sagte: „Sunderland ist unser Herz der europäischen Produktionsstätten und die oberste Priorität. Wir warten jedoch darauf, wie sich der Brexit weiter entwickelt“.
Erwartete Verkaufsvolumen will das Management bei der Vorstellung nicht nennen. Fioravanti stapelt schon einmal tief. „Wir werden den Erfolg nicht am Verkauf messen“, sagte er. Stattdessen werde man den Ariya als Gewinner werten, „wenn er die Wahrnehmung der Marke moderner machen kann“. Dies stehe auch im Einklang mit der jüngsten Umstrukturierung des Bündnisses, bei der nicht das Volumen, sondern die Rentabilität gesteigert werden soll. Dennoch will Nissan weiter zu den Vorreitern gehören und erwartet in Zukunft einen Elektroanteil von 50 Prozent in Europa. Der Nissan Ariya ist eines von acht Elektromodellen, die Nissan bis 2022 weltweit plant. Vorbestellungen sollen ab Anfang 2021 möglich sein, der Ariya selbst soll im zweiten Halbjahr 2021 auf den Markt kommen. Preise hat Nissan noch nicht bestätigt, sie sollen aber bei rund 40.000 Euro beginnen.
Update 27.07.2020: Dem vor einigen Tagen präsentierten E-SUV Nissan Ariya könnte relativ bald ein größeres Nissan-SUV auf Basis auf derselben E-Auto-Plattform folgen. Das deutet Helen Perry, Chefin für E-Autos bei Nissan Europe, gegenüber dem Magazin Autocar an, ohne jedoch Details zu nennen. Wörtlich sagte Perry: „Die Segmente C-SUV und D-SUV sollen in den nächsten drei Jahren um etwa 300 Prozent wachsen. Daher werden wir versuchen, die Plattform in den nächsten Jahren in Wachstumssegmenten einzusetzen.“
Der Einsatz der CMF-EV-Architektur für andere Modelle ist naheliegend, um die Investitionen in die Plattform zu decken. Angesichts der Rolle, die die Japaner bei der Neuausrichtung der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz erhalten haben, scheint ein größeres E-SUV naheliegend: Nissan hat die Leitung bei größeren Fahrzeugen und ist die Leader-Markt für die Märkte in China und den USA – genau jene Länder, in denen die Nachfrage nach großen SUV besonders hoch eingeschätzt wird.
Ob und wann dieses größere E-SUV nach Europa kommt, geht aus dem Bericht nicht hervor. Perry gibt an, dass auch schon beim Ariya „alles von der Nachfrage des Kunden“ abhänge. „Wenn wir Ariya früher auf den Markt gebracht hätten, wären die Kunden sicher nicht dafür bereit gewesen“, so Perry.
Update 07.09.2020: Nissan will den Ariya gegen Ende des kommenden Jahres auch in China anbieten, wie der Hersteller nun ankündigt. Die offizielle Präsentation des Nissan Ariya dort wird noch in diesem Monat im Rahmen der Auto China stattfinden. Angaben zu technischen Änderungen, etwa am Ladesystem, machen die Japaner in der kurzen Mitteilung nicht.
Technische Daten | 2WD (63 kWh) | 2WD (87 kWh) | AWD (63 kWh) | AWD (87 kWh) | AWD (87 kWh) P. |
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Leistung | 160 kW | 178 kW | 205 kW | 225 kW | 290 kW |
max. Drehmoment | 300 Nm | 300 Nm | 560 Nm | 600 Nm | 600 Nm |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h | 160 km/h | 200 km/h | 200 km/h | 200 km/h |
0 – 100 km/h | 7,5 Sekunden | 7,6 Sekunden | 5,9 Sekunden | 5,7 Sekunden | 5,1 Sekunden |
Reichweite (WLTP) | 360 km | 500 km | 340 km | 460 km | 400 km |
Verbrauch (WLTP) | k.A. | k.A. | k.A. | k.A. | k.A. |
Batterie brutto (netto) | 65 kWh (63 kWh) | 90 kWh (87 kWh) | 65 kWh (63 kWh) | 90 kWh (87 kWh) | 90 kWh (87 kWh) |
Ladeleistung DC (CCS) | 130 kW | 130 kW | 130 kW | 130 kW | 130 kW |
Ladezeit DC | k.A. | k.A. | k.A. | k.A. | k.A. |
Ladeleistung AC | 22 kW (3-phasig) | 22 kW (3-phasig) | 22 kW (3-phasig) | 22 kW (3-phasig) | 22 kW (3-phasig) |
Ladezeit AC | k.A. | k.A. | k.A. | k.A. | k.A. |
Kofferraumvolumen (Liter) | 468 l | 468 l | 415 l | 415 l | 415 l |
Anhängelast (max.) | k.A. | k.A. | 1.500 kg | 1.500 kg | 1.500 kg |
Der Original-Text von Nora Manthey ist zuerst bei electrive.com erschienen.
nissannews.com, autocar.co.uk (Update I), nissannews.com (Update II)
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