Tesla verbucht Q2-Gewinn inmitten der Branchenkrise
Tesla ist das kaum für möglich gehaltene Kunststück gelungen: Trotz wochenlang stillstehender Produktionsbänder hat der Elektroautobauer aus Kalifornien in dem von der Corona-Pandemie überschatteten 2. Quartal 2020 einen Gewinn eingefahren – den mittlerweile vierten Quartalserfolg in Folge.
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Bereits ein Jahr ohne Verluste: Tesla verbucht seine bislang längste Profitabilitätsperiode. Die Geschäftszahlen zum 2. Quartal 2020 weisen einen Gewinn von 104 Millionen Dollar aus. Das ist deutlich mehr als der Mini-Überschuss von 16 Millionen Dollar aus dem ersten Quartal und glänzt erst recht gegenüber dem zweiten Quartal 2019, als der vorerst letzte Quartalsverlust mit 408 Millionen Dollar zu Buche schlug. Das Plus ist umso höher zu bewerten, als dass Teslas Produktion stark mit den Einschränkungen der Gesundheitskrise kämpfen musste: Das Fahrzeugwerk in Fremont musste fast die Hälfte des Quartals geschlossen bleiben.
Nicht unbedingt die Produktion, sondern vor allem die trotz der ungünstigen externen Faktoren bewältigten Auslieferungen sorgen denn auch für den mehr als respektablen Umsatz im zweiten Quartal. Mit 6,04 Milliarden Dollar liegt dieser in etwa auf dem Niveau des 1. Quartals (5,99 Milliarden Dollar). Obendrein ist es Tesla gelungen, seine Liquiditätsreserven um eine weitere halbe Milliarde Dollar auf nun 8,6 Milliarden Dollar auszubauen. Mit dieser Stabilitäts-Demonstration in „beispiellosen Zeiten“, wie es der Elektroautobauer passend formuliert, beweisen die Kalifornier, dass ihr exorbitantes Börsenhoch nicht völlig vom Realmarkt entkoppelt ist. Tesla wird gehypt, keine Frage. Aber Tesla liefert auch.
Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Tesla hat es im 2. Quartal 2020 fertig gebracht, insgesamt 90.650 Fahrzeuge auszuliefern, 2.250 mehr als im ersten Quartal des Jahres. Im Geschäftsbericht veröffentlicht das Unternehmen ein Diagramm, das demonstrativ Tesla als einzigen OEM ausweist, der im zweiten Quartal Zuwächse bei den Auslieferungen verbuchen konnte. Sämtliche anderen großen Autohersteller verlieren dagegen 20 bis 45 Prozent. Wie das sein kann? Tesla kommt zugute, dass der Vertrieb rein digital funktioniert und konnte während der Pandemie schlicht die ohnehin langen Wartelisten für das Model 3 und Model Y abarbeiten.
Nicht gefeit waren die US-Amerikaner freilich gegen Werksschließungen in China und den USA und ergo gegen Produktionsausfälle. Mit 82.272 Fahrzeugen rollten von April bis einschließlich Juni deutlich weniger Exemplare vom Band als im 1. Quartal (102.672 Fahrzeuge). Dieser Engpass könnte in den Auslieferungszahlen im 3. Quartal spürbar werden. Immerhin: Bei Model 3 und Model Y – den beiden wichtigen Volumenmodellen der Kalifornier – ging die Produktion nur um 14 Prozent zurück (da in China weiter Model 3 gebaut werden konnten).
Wie dem auch sei: Nach dem ersten Pandemie-Schock und einem ungewöhnlich vorsichtigen Ausblick im Q1-Geschäftsbericht hat Tesla-Chef Elon Musk inzwischen offenbar seinen Wettkampfgeist wiederentdeckt. Zum Eingang des Jahres formulierten Ziel, 2020 insgesamt eine halbe Millionen Fahrzeuge ausliefern zu wollen, schreibt Tesla jetzt: „Obwohl das Erreichen dieses Ziels schwieriger geworden ist, bleibt die Auslieferung einer halben Million Fahrzeuge im Jahr 2020 unser Ziel.“ Wagemutig, denn die Marke liegt jetzt bei nicht mal 200.000.
Die Stichworte lauten deshalb Kapazitätserweiterung und mehr lokale Produktion: In Fremont soll noch dieses Jahr die Fertigungsrate von Model 3 und Model Y zusammen von 400.000 auf 500.000 Exemplare per annum steigen. Wie dieser Tage berichtet, baut Tesla vor diesem Hintergrund vor Ort eine weitere Zelt-Struktur auf, um mehr Model Y herstellen zu können. Grundsätzlich fährt die Produktion des seit dem ersten Quartal 2020 vom Band rollenden Model Y viel schneller hoch als seinerzeit die des Model 3, heißt es aus der Unternehmenszentrale.
Standortfrage des neuen US-Werks geklärt
In Shanghai fährt parallel die Model-3-Fertigung weiter hoch. Vor allem der dortigen Gigafactory 3 sind die noch glimpflichen Produktionszahlen in Q2 zu verdanken. Außerdem senkt die lokale chinesische Produktion vor Ort die Betriebskosten. Ab 2021 – das bestätigt Tesla jetzt nochmals – wird in China und im brandenburgischen Grünheide zudem ebenfalls das Model Y gebaut.
Parallel bereiten die Kalifornier den Bau eines neues Werk in den USA vor. Die Standortentscheidung sei jetzt gefallen, heißt es im Geschäftsbericht – ohne das „Wo“ aufzuklären. In einem späteren Webcast bestätigte Musk, dass Austin das Rennen gemacht hat. „Wir werden eine atemberaubende Fabrik direkt am Colorado River bauen“, kündigte Musk an. Die Fabrik werde für die Öffentlichkeit zugänglich und „im Grunde genommen ein ökologisches Paradies sein“. Diese vollmundigen Ankündigungen will der Tesla-Chef „bald“ bei einem Factory Day belegen: „Es wird die Leute überraschen, wie viel es zu sehen gibt.“
Texas schien bereits lange der Favorit, aber auch Tulsa in Oklahoma hatte sich noch Hoffnungen gemacht. In Texas soll der angekündigte Cybertruck und später auch das Model Y für Kunden an der Ostküste gebaut werden. Ebenfalls auf amerikanischen Boden plant Tesla die auf 2021 verschobene Fertigung des E-Lkw Semi und den Bau des neuen Roadster.
Weltweit hat Tesla die Marke von 2.000 Supercharger-Stationen geknackt. Mit 2.035 Stationen waren es sechs Prozent mehr als im ersten Quartal und 28 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Zahl der Ladepunkte stieg auf 18.100 (von 17.007), was ebenfalls einem Quartalszuwachs von sechs Prozent entspricht – und sogar 30 Prozent im Vergleich zum Q2 2019.
Im Energiegeschäft hat Tesla nach einem schwächeren ersten Quartal (293 Millionen Dollar Umsatz) im zweiten Quartal mit 370 Millionen Dollar quasi genau den Wert des Vorjahresquartals erreicht. Insgesamt wurden 419 MWh an Speicherkapazität installiert, wobei das Geschäft sowohl mit den Powerwalls als auch den Megapacks gewachsen sei – die Megapacks sollen im Q2 zudem zum ersten Mal profitabel gewesen sein, schreibt Tesla in dem Quartalsbericht. Bei den Solardächern hat sich die installierte Leistung nach dem Winter erwartungsgemäß verdreifacht. Mit einigen Verbesserungen an den Solaranlagen habe man die Kosten auf 1,49 Dollar pro Watt senken können und liege so etwa ein Drittel unter der Konkurrenz.
Kein Zweifel: Tesla geht aus dem durch externe Faktoren extrem herausfordernden ersten Halbjahr 2020 gestärkt hervor. Die in normalen Zeiten guten, aber nicht euphorisierenden Quartalszahlen erhalten durch die allgegenwärtige Schwäche des internationalen Automarkts eine herausragende Dimension. Der Elektroautobauer selbst spricht von seiner „erwiesenen Widerstandsfähigkeit“. Den Gewinn schreibt der Hersteller „grundlegender betrieblicher Verbesserungen“ zu. Kosten im Zusammenhang mit Fabrikschließungen seien zudem durch Maßnahmen zur Kostensenkung ausgeglichen worden. Die unsichere Gemengenlage der vergangenen Monate haben dennoch Spuren hinterlassen: Man müsse abwarten, ob es weitere Betriebsunterbrechungen geben und wie sich die weltweite Verbraucherstimmung in der zweiten Hälfte des Jahres entwickeln wird, schreiben die Kalifornier. Kein Wunder: Ihr Bundesstaat gehört weiterhin zu den amerikanischen Covid-19-Hotspots.
Update 24.07.2020: Nachdem Elon Musk im Rahmen der Bekanntgabe der jüngsten Quartalszahlen bestätigt hatte, dass das nächste US-Werk von Tesla im texanischen Austin entstehen wird, ist nun klar, dass dort mehr Modelle gebaut werden als ursprünglich bekannt: Während zunächst nur vom Cybertruck und dem Model Y für Kunden an der US-Ostküste die Rede war, erklärte Musk nun, dass auch der Elektro-Lkw Tesla Semi sowie das Model 3 für die östliche Hälfte Nordamerikas in Austin gefertigt werden sollen.
Bisher war nur bekannt, dass der Semi in den USA gebaut werden soll – aber nicht wo. Wegen der anderen Anforderungen eines E-Lkw wäre auch ein eigenes Werk denkbar gewesen. Die ersten in Texas gebauten Semi will Tesla offenbar für eigene Zwecke einsetzen, wie Jerome Gullien, Präsident der Auto-Sparte von Tesla und für das Semi-Programm verantwortlich, sagte: „Ich möchte klarstellen, dass wir die ersten Einheiten verwenden werden, um unsere eigene Fracht zu befördern, wahrscheinlich hauptsächlich zwischen Fremont und Reno, was eine fantastische Teststrecke ist. Wir werden beweisen, dass wir eine sehr gute Zuverlässigkeit haben.“
Wenn ein Teil der Model-3-Produktion nach Texas abwandert, steht bereits fest, wie die frei werdende Kapazität in Fremont besetzt werden soll. Der Tesla-Chef ließ durchblicken, dass der neue Tesla Roadster wahrscheinlich in dem kalifornischen Werk gebaut wird.
ir.tesla.com, electrek.co, teslarati.com (beide Update)
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