Reichlich E-Reichweite: Kia Niro PHEV im Fahrbericht
Mit dem Niro bietet Kia ein Crossover-SUV mit drei alternativen Antriebssystemen an – als Vollhybrid, Plug-in-Hybrid oder rein elektrisch. Wir haben die mittlere Version getestet und dabei überraschende Verbrauchswerte und verhältnismäßig gute Elektro-Reichweiten erzielt. Hier ist unser Fahrbericht.
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Bereits im Februar des vergangenen Jahres hatte Kia den überarbeiteten Niro Hybrid und auch Plug-in-Hybrid angekündigt. Wenige Monate später starteten die Südkoreaner hierzulande mit dem Verkauf der beiden Hybriden des Modelljahres 2020. Doch erst in den letzten Monaten scheint – rein subjektiv betrachtet – der Plug-in-Hybrid so richtig durchzustarten.
Das Parallelhybridsystem des Kia Niro umfasst einen 1,6-Liter-Benzindirekteinspritzer mit einer Leistung von 77,2 kW und einer E-Maschine mit 44,5 kW. Der Benziner treibt zusammen mit dem Elektromotor über ein sechsstufiges Doppelkupplungsgetriebe (DCT) die Vorderräder an. Die Gesamtleistung des Systems liegt bei 104 kW. Das Drehmoment wird mit 265 Nm angegeben. Ein Rennwagen ist der Kia freilich nicht: Von 0 auf 100 km/h benötigt der Plug-in-Hybrid 10,8 Sekunden. Schluss ist bei 172 km/h. Im rein elektrischen Betrieb sind immerhin bis zu 120 km/h möglich.
Die Lithium-Ionen-Polymer-Batterie verfügt über eine Kapazität von 8,9 kWh – gegenüber dem Vorgänger hat sich die Kapazität leider nicht verändert. Ist der Akku leer, so kann dieser auch nur mit maximal 3,3 kW an einem AC-Ladepunkt aufgeladen werden. Ein solcher Ladevorgang benötigt rund 2:15 Stunden. Für das Typ-2-Ladekabel (20 A) wird ein Preis von 251,64 Euro (inklusive 16 Prozent MwSt.) aufgerufen. In Serie ist dieses Ladekabel leider nicht dabei. Nach WLTP wird eine E-Reichweite von bis zu 49 Kilometer angegeben. Wie gestalten sich jedoch die Verbrauchswerte in der Praxis?
Überraschende Verbrauchswerte und verhältnismäßig gute E-Reichweiten
So kompliziert die Antriebskonzeption eines Plug-in-Hybriden ist, so kompliziert gestalten sich auch die Verbräuche in der Praxis. Der Hinweg auf der Stammstrecke von Hamburg nach Schwalmstadt wurde mit „leerem“ Akku zurückgelegt. Zum Start lag die Kapazität bei neun Prozent, bei Ankunft am Ziel bei 16 Prozent. Nach 376 Kilometern wies der Bordcomputer einen Verbrauch von 5,6 Liter auf 100 km aus. Vor der Rückfahrt wurde der Akku vollständig geladen. Nach 380 Kilometern lag der Verbrauch laut Anzeige bei 4,8 Liter auf 100 Kilometer.
Bei der zweiten Testfahrt wurde eine Strecke von 100 Kilometer zurückgelegt. Der überwiegende Teil – etwa 90 Prozent – führte über die Autobahn. Mit einem aufgeladenen Akku ging es von Hamburg gen Norden. Angekommen, standen 3,2 Liter/100 km auf der Uhr. Werte notieren, Bordcomputer zurücksetzen und die Rückfahrt antreten. Am Ende lag der Verbrauch für diese Strecke bei 5,0 Liter. Eine dritte Testfahrt von 100 Kilometern stand jedoch noch auf der Tagesordnung. Bei 80 Prozent Stadtfahrt und 20 Prozent Überland sowie mit geladener Batterie ging es los. Das Ergebnis? Überraschend! Denn nach dieser Fahrt lag der Verbrauch bei nur 1,4 Liter. Das Streckenprofil und das externe Laden der Batterie machen also den Unterschied.
Mit Blick auf die E-Mobilität sind aber vor allem die erzielbaren E-Reichweiten interessant: Kia selbst gibt einen Wert von 49 Kilometern nach WLTP an. Doch schon die erste Ausfahrt mit überwiegendem Autobahnanteil bei bis zu 120 km/h sorgte für eine positive Überraschung. Denn immerhin konnten 40 Kilometer zurückgelegt werden, ehe sich der Benziner dazuschaltete – wohlgemerkt bei wettertechnisch idealen Bedingungen. Getestet wurde zum Schluss auch noch der rein elektrische Betrieb im Stadtverkehr. Hier lag der Wert sogar bei 64 Kilometer.
Eine Besonderheit ist, dass die E-Reichweiten mit nur 84 Prozent der Kapazität zurückgelegt wurden. Ab 16 Prozent Restkapazität schaltet sich der Benziner dazu. Einerseits hätte – bei Nutzung der Gesamtkapazität – mehr rein elektrische Reichweite möglich sein können. Andererseits soll somit sicherlich der Verbrenner-Betrieb im Hybrid-Modus möglichst sparsam erfolgen. Und da der Benziner nach dem Atkinson-Prinzip arbeitet, wird so auch ein Schuh draus.
Antriebssystem lässt es gemütlich angehen
Im Atkinson-Prinzip wird der Wirkungsgrad des 1,6-Liter-Direkteinspritzers erhöht – was Vorteile bei den Emissionen und Verbrauchswerten bringen soll. Dies führt allerdings auch zu einer „leichten Drehmoment-Reduzierung“. Kompensieren soll dies das Drehmoment des Elektromotors. In der Praxis zeigt sich, dass der Kia Niro Plug-in-Hybrid es eher gemütlich mag. Angesichts der Systemleistung von 104 kW und einem Leergewicht von rund 1,6 Tonnen aber auch kein Wunder. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 10,8 Sekunden unterstreicht diesen Eindruck. Die Einzelradaufhängung vorn arbeitet mit MacPherson-Federbeinen. Bei den ebenfalls einzeln aufgehängten Hinterrädern kommt ein Mehrlenkerkonzept mit doppelten Querlenkern zum Einsatz. Das Fahrwerk ist dementsprechend komfortabel ausgelegt, die Lenkung leichtgängig.
Mit der „HEV“-Taste in der Mittelkonsole kann der Fahrer zwischen zwei Betriebsarten wählen. Beim standardmäßig eingestellten „HEV“-Modus sollen beide Antriebseinheiten ein optimales Zusammenspiel bilden. Im „EV“-Modus wird der Teilzeitstromer zum rein elektrischen Fahrbetrieb gezwungen – vorausgesetzt die Traktionsbatterie verfügt über genügend Kapazität. Wird das Gaspedal jedoch zu stark durchgedrückt, schaltet sich der Verbrenner zu, um die angeforderte Leistung bereitstellen zu können. Darüber hinaus gibt es zwei Fahr-Modi: Im „Normal“-Modus dienen die Wippen dazu, zwischen den fünf Einstellungen des regenerativen Bremssystems zu wählen (Off, Level 1, 2, 3, One Pedal). Alternativ kann der Fahrer im Plug-in Hybrid auch die Funktion „Smart Regeneration“ aktivieren: Dann orientiert sich das System am vorausfahrenden Verkehr und soll je nach Fahrsituation automatisch die energieeffizienteste Betriebsform wählen. Per Gangwahlhebel kann in den „Sport“-Modus gewechselt werden. Dabei lässt sich das Getriebe jetzt auch über die Schaltwippen am Lenkrad betätigen (ab Modelljahr 2020 Serie ab Version Vision). Allerdings dürfte dieser Modus im Alltag keine große Rolle spielen.
Zum Spritsparen tragen im Kia Niro PHEV übrigens auch verschiedene Assistenztechnologien bei. Die serienmäßige Fahrstil-Analyse gibt dem Fahrer per Anzeige in der Instrumenteneinheit Auskunft über seine Fahrweise (drei Kategorien: Ökonomisch, Normal und Sport). Bei den Ausführungen mit Navigationssystem kommen zwei Assistenten hinzu, die durch das Festlegen eines Fahrziels automatisch aktiviert werden: Der Coasting-Assistent (Coasting Guide Control, CGC) zeigt dem Fahrer durch ein Symbol in der Instrumenteneinheit und ein akustisches Signal an, wann er vor einer Kurve oder einer Kreuzung den Fuß vom Gas nehmen sollte, damit das Fahrzeug optimal ausrollen kann. Der Effizienz-Assistent (Predictive Energy Control, PEC) analysiert die Topografie der Fahrstrecke. Vor einer Steigung lädt das System die Batterie weit möglichst auf, um beim Anstieg beide Motoren optimal zu nutzen. Vor einem Gefälle setzt es verstärkt den Elektromotor ein, um anschließend auf der abschüssigen Strecke möglichst viel der durch Bremsrekuperation gewonnenen Energie in der Batterie speichern zu können.
Darüber hinaus hielt im Kia Niro PHEV das Telematiksystem „UVO Connect“ Einzug. Im Zentrum steht dabei die digitale Vernetzung via Touchscreen im Auto und einer Uvo-App für das Smartphone. Sie liefern dem Fahrer wichtige, individuell zugeschnittene Informationen und bieten darüber hinaus Fernbedienungsfunktionen und Diagnosedaten. Für PHEV-Fahrer dürfte vor allem interessant sein, dass sich das Laden der Batterie über die App überwachen oder auch unterbrechen lässt.
Attraktiver Preis dank Umweltbonus und Innovationsprämie
Der Kia Niro Plug-in-Hybrid startet in der Ausstattungslinie „Edition 7“ bei 33.133,11 Euro (inklusive 16 Prozent MwSt.). Allerdings sind in dieser Variante die Kia-Kartennavigation oder auch der Dienst „UVO Connect“ nicht einmal optional erhältlich. In dem Fall muss die Ausstattungslinie „Vision“ zu einem Basispreis von 35.862, 52 Euro gewählt werden. Das Navigations-Paket kostet hier 1.549,92 Euro. In der Variante „Spirit“, die bei 39,274,29 Euro startet, ist dieses Paket inklusive.
Mit der aufgrund des Konjunkturprogramms der Bundesregierung eingeführten „Innovationsprämie“ wurde jedoch der staatliche Anteil an der Kaufprämie auch für Plug-in-Hybride im Zeitraum vom 03.06.2020 bis 31.12.2021 verdoppelt. Demnach gibt es auf den Niro PHEV einen staatlichen Bonus von 4.500 Euro und eine AVAS-Förderung in Höhe von 100 Euro. Hinzu kommt der Herstelleranteil in Höhe von 2.250 Euro (netto). Der Preisvorteil beläuft sich somit auf insgesamt 7.210 Euro brutto (6.850 Euro netto). Abzüglich dieser Summe startet die Ausstattungslinie „Edition 7“ also bereits bei 25.923,11 Euro – kein unattraktiver Preis. Zum Vergleich: Der Kia Niro Hybrid startet bei 26.309,58 Euro. Darüber hinaus ist der Kia Niro PHEV gegenüber dem Hybrid etwas besser ausgestattet.
Bekanntlich wird der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung eines Dienstwagens eigentlich pauschal mit 1 Prozent des Bruttolistenpreises pro Monat besteuert. Die Bemessungsgrundlage für den Kia Niro PHEV liegt allerdings nur bei 0,5 Prozent.
Neben der optischen Auffrischung hat vor allem das Interieur des Kia Niro vom Facelift profitiert. Das Infotainment wirkt zeitgemäß und endlich gibt es auch die erwähnte App samt „UVO Connect“. Während die Anzahl der Knöpfe – man achte auf die mögliche Zielgruppe – im akzeptablen Rahmen ist, wirkt das Lenkrad überfrachtet.
Nicht ganz unwichtig ist der Blick in den Kofferraum: Hier schneidet vor allem die PHEV-Variante des Trios am schlechtesten ab. Sind es beim Plug-in-Hybrid nur 324 Liter, so kommt die HEV-Variante auf 436 Liter und die rein elektrische Variante sogar auf 451 Liter. Übrigens: Der PHEV und auch der HEV eigenen sich als Zugmaschine. So kann ein gebremster Anhänger mit bis zu 1.300 kg (ungebremst 600 kg) gezogen werden. Hier hat die BEV-Variante leider das Nachsehen.
Fazit
An der Hardware hat sich im Facelift des Kia Nireo PHEV nichts geändert. Im Vergleich zu einem reinen Benziner dieser Klasse – oder auch der Vollhybrid-Version – kann der Plug-in-Hybrid sparsam bewegt werden. Gerade mit vollem Akku auf einer Strecke von 100 Kilometer. Die E-Reichweite kann sich trotz des recht kleinen Akkus sehen lassen. Wer sich noch nicht für ein reines Elektroauto begeistern kann, aber mal reinschnuppern will, für den könnte der Kia Niro Plug-in-Hybrid eine Alternative sein. Allerdings sollten Flottenbetreiber die notwendige Ladeinfrastruktur bereitstellen. Und im Hinterkopf behalten, dass der Niro als Plug-in-Hybrid nur über eine einphasige Lademöglichkeit mit maximal 3,3 kW verfügt.
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