BMWi stoppt kombinierte Förderungen für E-Autos

Die Bundesregierung rudert bei der Förderung von Elektroautos zurück. Die Kaufprämie dürfe künftig nicht mehr mit zusätzlichen Programmen der Länder aber auch eigenen Programmen des Bundes kombiniert werden, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Das Kumulierungsverbot ist ein Paukenschlag!

++ Dieser Beitrag wurde aktualisiert. Sie finden die neuen Infos ganz unten. ++

Getätigt hat das Ministerium diese Aussage gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Konkret heißt es in dem Bericht, dass „dadurch eine Überförderung vermieden werden soll“. Ein Antrag auf den Umweltbonus dürfe nur gestellt werden, wenn der Kauf nicht zugleich durch andere öffentliche Mittel gefördert werde.

Tatsächlich wurde die maßgebliche Förderrichtlinie „zur Förderung des Absatzes von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (Umweltbonus)“ bereits am 25. Juni 2020 geändert. Darin befindet sich nun der Satz: „Der Erwerb oder das Leasing eines nach dieser Richtlinie geförderten Fahrzeugs darf nicht zugleich mit anderen öffentlichen Mitteln gefördert werden.“ Offensichtlich ist dieser Satz ohne jede Abstimmung mit den verschiedenen Ministerien in der Richtlinie gelandet, wie gut unterrichtete Kreise gegenüber electrive.net berichten. Man geht davon aus, dass es sich bei der angepassten Förderrichtlinie um eine Art Betriebsunfall im zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) handelt, der vom BMWi nicht rechtzeitig erkannt worden ist. Schließlich sind solche Kummulierungsverbote sehr häufig in Förderprogrammen mit Blick auf EU-Richtlinien zu finden. In diesem Fall aber hebelt es viele andere sinnvolle Initiativen aus – und bremst letztlich einmal mehr die Elektromobilität.

Da die allgemeine Kaufprämie erst seit der Corona-bedingten Erhöhung in der Regel lukrativer ist als die zielgerichteten Zusatzprämien aus anderen Programmen, werden letztere faktisch nicht mehr abrufbar. Reuters spricht von Bund- und Länderprojekten über mehrere Hundert Millionen Euro, die auf diese Weise ausgehebelt würden. Beispiel gefällig? Das im Rahmen des Corona-Pakets aufgelegte Programm „Sozial & Mobil“, das künftig dazu beitragen soll, die Flotten von gemeinnützigen Sozialdiensten schneller auf E-Antriebe umzustellen. Laut Reuters kündigt ein Sprecher des Umweltministeriums, unter dessen Regie „Sozial & Mobil“ laufen soll, eine Prüfung an. Auch das Verkehrsministerium befürchte wegbrechende Projekte. Gespräche mit dem vorgepreschten Wirtschaftsressort laufen diesbezüglich offenbar. Eine gut koordinierte Abstimmung zwischen den Ressorts sieht anders aus.

Zu den bekanntesten Programmen, die nach der neuen Regelung auf der Kippe stehen, zählen das Sofortprogramm „Saubere Luft“ und das „Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie“. Ebenfalls betroffen sind Landesinitiativen wie beispielsweise das Programm „Wirtschaftsnahe Elektromobilität“ (Welmo) in Berlin oder die „Pendlerströme“ in Hamburg. In kürzester Zeit hat die geplante Richtlinie dann auch schon eine Reihe von Kritikern auf den Plan gerufen. Bei Reuters melden sich etwa Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), BDL-Hauptgeschäftsführerin Claudia Conen und Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands E-Mobilität, kritisch zu Wort. Auch der Hamburger Senat hat mit deutlichen Worten reagiert: Der „politisch angestrebte Effekt einer noch stärkeren Marktaktivierung durch die Ressortförderprogramm“ wäre „faktisch vollkommen eliminiert“, heißt es in einem unserer Redaktion vorliegenden Schreiben des Hamburger Wirtschaftssenators Michael Westhagemann an das BMWi. Doch all die Kritik ist vermutlich wirkungslos. Denn die Förderrichtlinie ist in Kraft und das Kumulierungsverbot damit bereits wirksam. Die Verunsicherung vieler Flottenbetreiber ist entsprechend groß. Mit anderen Worten: Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen.

Zur Erinnerung: Im Corona-Konjunkturprogramm hat die Bundesregierung den Bundesanteil an den Kaufprämien für E-Autos und Hybride im Juli erst unter dem Stichwort Innovationsprämie auf bis zu 9.000 Euro angehoben. Die Erhöhung geht auf das Ergebnis des Koalitionsausschusses vom 3. Juni 2020 zurück. Seinerzeit wurde beschlossen, dass der Bundesanteil am Umweltbonus verdoppelt werden soll – der Herstelleranteil bleibt hingegen gleich. Für BEV und FCEV ergibt sich bis zu einem Basis-Nettolistenpreis von 40.000 Euro eine Förderung von 9.000 Euro netto, bis 65.000 Euro sind es noch 7.500 Euro. PHEV werden bis 40.000 Euro mit 6.750 Euro netto gefördert, bis 65.000 Euro Nettopreis sind es 5.625 Euro.

„Wir verdoppeln den staatlichen Anteil beim Kauf eines E-Autos und setzen so einen deutlichen Anreiz für Verbraucherinnen und Verbraucher für den Kauf eines E-Autos“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Juli anlässlich der Prämien-Verdoppelung. „Wir wollen so den Umstieg auf E-Autos vorantreiben und der Elektromobilität in Deutschland einen neuen Schub verleihen.“ Das organisch gewachsene Netz an verschiedenen Förderinitiativen hält er dabei offenbar für überflüssig.

Update 03.09.2020: Inzwischen liegen auch die Zahlen der Umweltbonus-Anträge aus dem August vor: Mit 22.241 beim BAFA eingegangenen Anträgen war der August ein weiterer Rekordmonat, der den damaligen Rekordwert aus dem Juli erneut überboten hat.

Bis zum Stichtag 31. August 2020 sind bei der Behörde seit der Einführung des Umweltbonus insgesamt 257.046 Anträge auf die Kaufprämie eingegangen, davon 161.164 für Batterie-elektrische Fahrzeuge, 95.718 für Plug-in-Hybride und 164 für Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Alle weiteren Details, inklusive der Verteilung der Anträge auf die Hersteller und Modelle, finden Sie hier.

Update 04.09.2020:

Im Falle des Kumulierungsverbots beim Umweltbonus gibt es offenbar eine Kehrtwende. Nach heftiger Kritik an der Regelung prüft das Bundeswirtschaftsministerium nun doch eine Kumulation mit anderen Förderprogrammen. „Derzeit prüft die Bundesregierung die Frage einer Erhöhung des Umweltbonus auch ohne Kumulationsverbot“, heißt es wörtlich in einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Grünen, wie Reuters berichtet. Die Abstimmungen dazu sollen in Kürze abgeschlossen sein.

Wie Reuters schreibt, soll ein Kompromissvorschlag der Arbeitsebene der verschiedenen Ressorts bereits auf dem Schreibtisch des Wirtschaftsministers liegen. Dieser soll offenbar ermöglichen, dass verschiedene Förderprogramme wieder kombiniert werden können, gleichzeitig aber eine zu hohe Förderung vermieden werden soll. Wie genau die Regelung aussieht, ist noch nicht bekannt.

Wirtschaftsminister Altmaier hatte mit dem Kumulierungsverbot, das offenbar ohne Ressortabstimmung in die Förderrichtlinie als eine Art Betriebsunfall übernommen wurde, den Ärger anderer Ministerien auf sich gezogen. Förderprogramme wie das im Umweltministerium angesiedelte „Sozial & Mobil“ oder das vom Verkehrsministerium verwaltete Programm „Saubere Luft“ wären in vielen Fällen für Antragsteller nicht mehr attraktiv gewesen, da der Umweltbonus mit der Innovationsprämie die höhere Förderung versprochen hätte.

Update 19.10.2020: Das Kumulationsverbot bei der Förderung von Elektroautos wird laut einem Medienbericht womöglich bald wieder abgeschafft. Das Bundeswirtschaftsministerium soll derzeit an einer neuen Richtlinie arbeiten, welche die Kombination mehrerer Förderungen bei der Anschaffung eines Elektroautos wieder ermöglicht.

reuters.com, reuters.com (Update II), handelsblatt.com (Update III)

Redaktionelle Mitarbeit: Peter Schwierz

6 Kommentare

zu „BMWi stoppt kombinierte Förderungen für E-Autos“
Hans Herbert
20.08.2020 um 15:28
Das ist wirklich eine Groteske! Das war doch vorauszusehen, dass man mit dieser Richtlinie andere Maßnahmen unwirksam macht. Sollen die jetzt verhungern? Politiker verstehen offenbar die Situation nicht recht: die deutschen Autobauer brauchen jede Unterstützung für die neue Technologie, weil die Konkurrenz durch EV- Startups, z.B. chinesische, bald sehr drängend werden kann. Bremsen ist hier der falsche Weg.Eine Alternative wäre doch, die Bundesförderung nur auf die Hälfte zu kürzen, anstatt sie ganz wegfallen zu lassen.
notting
20.08.2020 um 18:17
Wie bitte?! E-Mobilität fördert man nicht, in dem man ein paar Glücklichen unterm Strich Autos & Co. fast schenkt und viele Interessenten komplett leer ausgehen weil Fördergelder verbraucht, bis es brauchbare Fahrzeuge gibt! Wieviele bezahlbarere BEV in typ. Familienkutschen-Größe mit guter Reichweite gibt es? Eben! Sondern das Geld muss einigermaßen gleichmäßig auf die Interessenten und über die Zeit verteilt werden! Bei uns gibt's z. B. keine Programme des Landes oder des Kreises für Privatleute! Man hätte sich auch abstimmen können, dass z. B. der Bund die Fahrzeuge fördert und alle anderen sollen sich auf die Ladeinfrastruktur konzentrieren.notting
Markus Wolter
20.08.2020 um 20:39
Wer bremst, verliert!
Bernhard Jodeleit
20.08.2020 um 21:19
Habt ihr mal den direkten Link zu dem zitierten Update der Förderrichtline BAFA / Umweltbonus? Wir waren heute hier recht alarmiert, als wir das lasen, und sind auf der Suche nach Informationen.
Paul
01.09.2020 um 09:26
Leider ist es in Deutschland nicht möglich im "Neuland" Direktlinks auf die Veröffentlichung im Bundesanzeiger zu setzen. Eventuell klappt zumindest der Link unten, ansonsten auf dem Bundesanzeiger nach Veröffentlichungen vom 07.07.2020 suchen und dann dem Sucherergebnis "Bekanntmachung der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (Umweltbonus)" folgen. Die genannte Einschränkung findet sich in Absatz 2.2 ganz unten.https://www.bundesanzeiger.de/pub/de/amtlicher-teil;wwwsid=6800DCB114C05ACD165A4D6542471783.web08-pub?0&edition=BAnz+AT+07.07.2020
Roger Hobbs
24.08.2020 um 13:49
Jetzt wo in mir der Gedanke keimt, doch auf ein eFahrzeug umzuschwenken...nun ja, um ehrlich zu sein, sind Verbrennermodelle nicht nur preislich attraktiver sondern auf Grund der verfügbaren Modellvielfalt auch einfach praktischer. Dann bleibe ich wohl auf der dunklen Seite.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Lesen Sie auch