Wie sich E-Lkw im engen Takt der Stückgut-Logistik schlagen
Während die Elektrifizierung von Transportern auf der letzten Meile voranschreitet, tun sich Logistiker in der Stückgut-Branche mit diesem Thema schwer. Das Förderprojekt „iHub“ aus dem Technologieprogramm „IKT für Elektromobilität“ ließ es auf einen Praxistest ankommen.
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Drei Jahre lang setzte DB Schenker drei Elektro-Lkw auf Fahrten zwischen seinen Logistikzentren in Berlin Spandau und im brandenburgischen Großbeeren ein. Mehrere Monate lang transportierten je ein 5,5- ein 12- und ein 18-Tonner größere Warenlieferungen hauptsächlich zwischen Firmen hin und her. Zur Steuerung der gemischten Lkw-Flotte entwickelte das Projektteam zudem ein spezielles IT-System.
Im Interview geben drei in das Projekt eingebundene Experten – Prof. Dr. Karl-Georg Steffens vom Institut für postfossile Logistik, Claudius Jehle vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme und Martin Mittler von der Schenker Deutschland AG – Einblicke in das Stückgut-Logistik-Experiment. Sie schildern, ob sich die E-Lkw im engen Takt der Lieferketten bewähren konnten und inwiefern die Projektpartner sich getraut haben, sie ohne große Puffer beim Batterie-Ladestand einzuplanen.
Vorweg nur so viel: An der Zuverlässigkeit der Elektro-Lastwagen hapert es nicht. Keinen Illusionen sollten wir uns aber in puncto Wirtschaftlichkeit hingeben. Die Anschaffungskosten sind einfach noch enorm. Und: Ohne software-gestützte, dynamische Tourenplanung geht nix. Großes Thema des Projekts „iHub“ außerdem: die Batteriedaten. Diese hat das Fraunhofer-Institut während des Praxiseinsatzes der E-Lkw in Echtzeit erfasst, um sich den Degradationsverlauf evaluieren zu können. Jetzt aber rein ins Gespräch:
DB Schenker hat im Zuge des Projekts iHub drei E-Lkw in der Stückgut-Logistik eingesetzt. Wie verlässlich hat das Trio seinen Dienst erledigt?
Martin Mittler: Die drei Lkw wurde sukzessive getestet, sie befanden sich nicht gleichzeitig im Einsatz. Alle haben verlässlich die ihnen zugewiesenen Touren erledigen.
Wann und wo wurden die Batterien der E-Lkw geladen? Wirkte sich der unter Umständen zeitintensive Ladeprozess auf die „gleichberechtigte“ Einplanung des Trios aus?
Martin Mittler: Die Batterien wurden ausschließlich in der Geschäftsstelle Berlin der Schenker Deutschland AG aufgeladen. Da diese Ladevorgänge nach Feierabend stattfanden, zwischen 18 Uhr abends und 6 Uhr morgens, gab es keine negativen Auswirkungen auf den Betrieb.
Bei DB Schenker ist der Pilotbetrieb vorbei. Wo sind denn die drei E-Lkw inzwischen im Einsatz?
Prof. Dr. Karl-Georg Steffens: Das zuerst getestete 5,5-Tonnen-Fahrzeug wurde vom Institut für Elektromobilität der Hochschule Bochum entwickelt und wird dort weiterhin für Anschauungsfahrten und für technische Experimente im BOWerk in Bochum-Wattenscheid genutzt. Die beiden anderen Fahrzeuge – ein 12- und ein 18-Tonner wurden von der Firma Framo aus Löbichau in Thüringen hergestellt und sind nach den Testfahrten wieder dorthin beziehungsweise an eine Leasingfirma zurückgegeben worden.
Claudius Jehle: Für den weiteren Einsatz des 12-Tonnen-Lkw werden übrigens aktuell interessierte Nutzer gesucht. Diese können sich bei Fragen gerne an das Fraunhofer IVI wenden.
Besonderes Merkmal von iHub war der explizite Einsatz einer gemischten Flotte aus Elektro- und Diesel-Lkw. Warum dieser Mix und nicht zum Beispiel theoretisch eine Hybrid-Lkw-Flotte, die beides vereint?
Prof. Dr. Karl-Georg Steffens: Ziel war es, die Möglichkeiten des Einsatzes von reinen E-Lkw in der Stückgut-Logistik zu testen. Dieser Einsatz ist dadurch erschwert, dass reine E-Lkw durch die Reichweiteneinschränkung für bestimmte Touren nicht zur Verfügung stehen können. Eine im Projekt entwickelte spezielle Tourenplanungssoftware berücksichtigt dies und teilt die E-Lkw entsprechend nur solchen Touren zu. Hybrid-Lkw haben diese Einschränkung nicht und können wie reine Verbrenner auch jede Tour fahren.
Sie sprechen das im Zuge von iHub kreierte Logistik-Planungssystem an, das die Integration von E-Lkw mit allen relevanten Parametern – allen voran der Reichweite und dem Ladestand der Batterie – erlaubt. Wie ist der Stand? Hält das Tool, was Sie sich von ihm versprechen?
Prof. Dr. Karl-Georg Steffens: Das Tool wurde vom Projektpartner PTV entwickelt und ist fertig gestellt und bereit zur Vermarktung. Es erfüllt die Anforderungen.
Ein Planungstool soll in der Logistik ja eigentlich Kapazitäten herauskitzeln und die Lkw möglichst auslasten, gleichzeitig schickt man E-Lkw wohl ungern ohne großen Puffer beim Batterie-Ladestand heraus. Wie passt das zusammen? Und sind Sie da über die Zeit schon mutiger geworden?
Prof. Dr. Karl-Georg Steffens: Zum entwickelten Planungstool gehört auch ein spezielles Navigationssystem, das den Ladezustand der Fahrzeugbatterie stets im Blick behält. Dadurch werden unnötige Puffer beim Akku-Ladezustand vermieden. Auf diese Weise werden auch alle geladenen Touren beliefert. Falls eine Rückhol-Tour nicht mehr gefahren werden kann, wird diese nicht in das Planungstool für den Lkw aufgenommen, das Fahrzeug fährt dann ohne diese Ware zur Geschäftsstelle zurück. Die nicht gefahrene Tour muss dann von anderen Fahrzeugen geholt werden. In der Anfangsphase hatten die Testfahrer Angst, mit leerem Akku auf der Strecke stehen zu bleiben. Diese Angst hat sich gelegt, da die Planungssoftware ihre Zuverlässigkeit zeigen konnte.
So zuverlässig, dass sie nun also kommerzialisiert werden kann?
Prof. Dr. Karl-Georg Steffens: Ja, die Softwareprodukte werden von der Firma PTV aus Karlsruhe vermarktet.
iHub wurde ja auch wissenschaftlich begleitet. Die E-Lkw liefern zum Beispiel wertvolle Daten zur Batteriedegradierung. Lassen sich bereits konkrete Erkenntnisse ableiten? Beispielsweise wie lange das Trio im harten Logistik-Geschäft voraussichtlich noch durchhält?
Claudius Jehle: Auf Basis der erhobenen Batteriedaten wurde zum Projektende eine umfassende Analyse durch Fraunhofer durchgeführt. Im Ergebnis kann eine merkliche Degradation festgestellt werden, die allerdings im Bereich des Erwartbaren liegt. Der weitere Einsatz im Logistik-Geschäft ist damit grundsätzlich möglich. Da das Monitoring die unverzichtbare Grundlage für derartige Analysen ist, soll es auch zukünftig fortgeführt werden. Für dessen skalierende Umsetzung hat das Fraunhofer IVI inzwischen eine eigene Firma ausgegründet, die Themen wie Telematik, Monitoring und Degradationsanalyse nun kommerziell anbietet.
Werfen wir einen Blick auf die Wirtschaftlichkeit von E-Lkw in der Stückgut-Logistik: Was können Sie uns dazu nach der umfassenden Testphase sagen?
Prof. Dr. Karl-Georg Steffens: Die E-Lkw sind bezogen auf die Betriebskosten günstiger als die mit Diesel betriebenen Fahrzeuge, allerdings heben diese Einsparungen nicht die noch deutlich höheren Anschaffungspreise der E-Lkw auf. Darüber hinaus können auch nicht alle Touren, die von der Schenker-Geschäftsstelle in Berlin zu den Zielkunden gefahren wurden, von den E-Lkw bedient werden. Eine vollständige Umstellung auf E-Lkw würde daher auch eine Errichtung zusätzlicher Umschlagspunkte erfordern, was die Kosten für die Last-Mile-Zustellung weiter erhöhen würde. Nach derzeitigem Stand ist die Elektromobilität für den Bereich der Stückgut-Logistik also nicht wirtschaftlich. Eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit würde sich ergeben, wenn die Batteriepreise und somit die Kosten für die Beschaffung von Elektro-Lkw deutlich sinken würden.
Das klingt ernüchternd und nach Futter für Elektrifizierungs-Pessimisten. Was würden Sie Leuten entgegnen, die das Thema für die Stückgut-Logistik jetzt für tot erklären?
Prof. Dr. Karl-Georg Steffens: Der gesellschaftliche Trend geht ja dennoch in die andere Richtung. Mit dem Klimawandel verbundene Probleme rücken in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die straßengebundene Logistik ist immer stärker dem Druck ausgesetzt, klimaschonender und leiser zu werden. Dieser Trend stärkt die Bemühungen für eine elektromobile Logistik. Schon jetzt ist bei den Kurier-, Express- und Paketdiensten deutlich der Wandel zu erkennen, immer mehr reine elektrisch betriebene Fahrzeuge werden eingesetzt, allen voran bei der Deutschen Post mit dem StreetScooter. Ich halte es nur für eine Frage der Zeit, dass auch für die höheren Tonnagen zumindest für die Logistik der letzten Meile ein Umdenken kommt, wahrscheinlich flankiert durch gesetzgeberische Maßnahmen. Mit höheren Stückzahlen werden dann auch die Fahrzeuge wirtschaftlicher, bis schließlich der Break-Even erreicht wird. Nicht jetzt, aber bald.
Über das Projekt:
iHub war ein gemeinschaftliches Projekt des Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität“, welches von Anfang 2016 bis Ende 2019 lief und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wurde. Zum Konsortium gehörten neben DB Schenker Deutschland AG, das Institut für postfossile Logistik an der Hochschule Bochum, das Fraunhofer Institut IVI, der E-Lkw-Hersteller FRAMO GmbH, das Software-Unternehmen PTV Planung Transport Verkehr AG und die Berliner Agentur für Elektromobiliät eMO. Gegenstand des Projekts war der Testeinsatz von E-Lkw in der Stückgut-Logistik nebst der Entwicklung eines IT-gestützten Systems zur Steuerung von gemischten Lkw-Flotten.
ihub-projekt.de (Projekt-Webseite)
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