Im Oberleitungs-Lkw über die A1: Erstaunlich unspektakulär
Auf mehreren Teststrecken in Deutschland soll mit dem Projekt eHighway der Einsatz von Oberleitungs-Lkw auf Autobahnen erprobt werden. Unsere Autorin konnte in dem ersten O-Lkw der Spedition Bode in Schleswig-Holstein mitfahren. Auf der kurzen Strecke zwischen Reinfeld und Lübeck zeigt sich das Potenzial der Technologie. Aber auch, wo es noch hakt.
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Kaum hörbar startet Detlev Gramkow seinen 40-Tonner. Beim Losfahren ist die Power des E-Antriebs zu spüren, das für 40-Tonner übliche Diesel-Grollen bleibt aus. „Ich war am Anfang skeptisch“, sagt der bei der Spedition Bode in Reinfeld vor den Toren Hamburgs beschäftigte Berufskraftfahrer. Doch nun ist er vollauf begeistert von seinem flüsterleisen Arbeitsgerät, einem Scania R 450 Hybrid. Gramkow pendelt mit seinem Oberleitungs-Lkw jeden Tag auf der etwa 35 Kilometer langen Strecke zwischen dem Speditionssitz in Reinfeld und dem Lübecker Hafen.
Auf einem rund fünf Kilometer langen Stück der Autobahn 1 zieht er elektrischen Strom über Leitungen, wie man sie von Straßenbahnen kennt, die sich in 5,5 Meter Höhe in beiden Richtungen über die rechte Fahrspur strecken. Im Lübecker Hafen und auf dem Bode-Gelände steuert der Berufskraftfahrer seinen schweren Truck reinelektrisch. Die restliche Strecke legt er im Diesel-Modus zurück. Der Scania des Typs R 450 Hybrid ist Teil des Pilotprojekts „FESH – Feldversuch eHighway auf der BAB A1 in Schleswig-Holstein“, das im Dezember vergangenen Jahres gestartet ist.
Nachdem Gramkow seinen Auftrag aus dem Büro abgeholt hat, hängt er den für den Transport bereitgestellten Auflieger an die Zugmaschine, die mit einem sogenannten Pantografen (Stromabnehmer) ausgestattet ist. Er fotografiert Temperaturanzeige und Plombennummer an dem Aufliegers, um zu dokumentieren, dass alle Vorgaben für die Ware eingehalten sind. Dann rollen wir mit Lebensmitteln für einen Lebensmitteldiscounter in Finnland leise vom Hof. Bis zur Autobahnauffahrt ist es nicht weit und schon nach ein paar Minuten Fahrt sind die Oberleitungen in Sicht. Jetzt wird es spannend.
Unter den Leitungen angekommen bekommt Gramkow ein Signal ins Fahrerhaus geschickt, dass er den Pantografen per Knopfdruck aktivieren kann. In Sekundenschnelle fährt der Stromabnehmer aus. Das war’s. Über einen kleinen Bildschirm auf der Beifahrerseite kann er kontrollieren, ob dieser tatsächlich ausgefahren ist. Weil Gramkow schon monatelang mit dem Lkw unterwegs ist, sieht er gar nicht mehr hin. „Beim nächsten Testfahrzeug wird der Stromabnehmer über einen GPS-Korridor gesteuert und dockt dann automatisch an“, erzählt er.
Während der Lkw nun also mit der Oberleitung verbunden ist, fährt er mit Hilfe seines Elektromotors und lädt zugleich seine Batterie auf. Sobald er die Teststrecke verlässt, könnte er mit der in der Batterie gespeicherten Energie weiterfahren. Da die Batteriekapazität mit bislang zehn Kilometern Reichweite noch sehr gering ist, schaltet Gramkow zurück auf Dieselantrieb. „Die nächste Lkw-Generation soll über eine Reichweite von 70 Kilometern verfügen“, sagt der Lkw-Fahrer. Aber auch die reichen längst nicht für den rein elektrischen Pendelbetrieb zwischen Reinfeld und Lübeck. „Die Teststrecke müsste etwa 20 Kilometer lang sein, damit der Akku über die Oberleitung jeweils genügend Strom tanken kann“, erläutert er.
Und tatsächlich, die Strecke ist so kurz, dass das elektrische Fahren schon nach ein paar Minuten vorbei ist. Gramkow setzt den Blinker, der Pantograf fährt automatisch ein und der Dieselmotor springt wieder an. Am Seelandkai angekommen, schaltet er wieder auf Akkubetrieb um und rollt kaum hörbar über das Hafengelände. Bei der Einfahrt findet eine Kontrolle der Frachtpapiere statt und er bekommt den für ihn bestimmten Abstellplatz zugewiesen. Gramkow kennt sich aus. Parkt, koppelt den Anhänger ab und schon verlassen wir den Hafen wieder. Gleich um die Ecke steht ein leerer Auflieger für die Befrachtung in Reinfeld bereit. „Ich fahre selten solo zurück“, sagt er und etwa eine halbe Stunde später hängt der O-Lkw wieder an der Leitung über der A1.
„Wir benötigen dringend mehr Fahrzeuge, um die Oberleitungskapazität besser testen zu können“, sagt Gramkow, der die Teststrecke bislang als einziger nutzt. Es gilt herauszufinden, ob der Strom noch ausreichend fließt, wenn mehrere Lkw gleichzeitig Strom ziehen. Noch in diesem Jahr will Scania weitere vier Fahrzeuge an die Spedition Bode ausliefern. Sie sollten bereits im Einsatz sein, doch die Corona-Pandemie hat die Produktion ausgebremst. Ein Manko sei auch, dass die Batterie nicht aufgeladen wird, wenn der Lkw im Stau steht. „Sobald das Fahrzeug zu langsam wird, bekommt der Pantograf kein Signal mehr und fährt ein“, erzählt Gramkow. Doch gerade Staustandzeiten könnten zum Aufladen der Batterie genutzt werden. Gut sei, dass der Truck auf der Teststrecke Ökostrom aus erneuerbaren Energien wie Solar und Wind bekommt.
Kaum eine Stunde später ist das Erlebnis zu Ende. Richtig spektakulär war die Fahrt nicht. Glücklicherweise lief alles reibungslos und Gramkow ist zufrieden. Bislang hat sein O-Lkw keine Schwierigkeiten gemacht, zumal Scania den Lkw regelmäßig wartet. Sämtliche Testdaten werden über eine Blackbox im Fahrzeug gesammelt, analysiert und ausgewertet. Am E-Highway-Projekt beteiligt sind der Siemens-Konzern, der Oberleitungen und Stromabnehmer auf dem Lkw-Dach entwickelt hat, sowie das Forschungs- und Entwicklungszentrum der Fachhochschule Kiel.
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