Fahrbericht: Mercedes-Benz EQC auf der Langstrecke
Der Mercedes-Benz EQC ist ein Premium-Elektroauto in GLC-Größe für einen Basispreis von rund 69.000 Euro. Der Komfort kann sich sehen lassen. Doch wie gut schlägt sich das E-SUV auf der Langstrecke? Ein Test offenbarte die Vor-, aber auch die Nachteile.
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Der EQA lässt noch auf sich warten, der EQS wurde noch nicht vorgestellt und auch zum EQB gibt es noch keine Details. Immerhin: Seit Mai nimmt Mercedes-Benz Bestellungen für den EQV an. Bereits vor rund zwei Jahren stellte Mercedes-Benz den EQC in Stockholm vor, ein gutes halbes Jahr später wurden die Bestellbücher geöffnet. Der E-SUV ist ergo noch immer das „Aushängeschild“ im E-Portfolio von Mercedes-Benz. Es halten sich aber hartnäckig Gerüchte, dass die Nachfrage eher mau ist.
Bevor es um den eigentlichen Fahrbericht geht, zunächst aber noch ein paar Eckdaten: Ausgestattet ist der rund 2,5 Tonnen schwere Stromer mit je einem elektrischen Antriebsstrang an der Vorder- und Hinterachse. Die beiden E-Maschinen kommen auf eine Systemleistung von 300 kW mit einem Drehmoment von 760 Nm. Der EQC beschleunigt innerhalb von 5,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit ist mit 180 km/h angegeben.
Die flüssigkeitsgekühlte Batterie bringt es auf eine Kapazität von 80 kWh und ordnet sich damit deutlich unter dem derzeitigen SUV-Maximum von Tesla (100 kWh) ein und vermag selbst den Jaguar I-Pace (90 kWh) nicht zu schlagen. Selbst ein kompakter Hyundai Kona Elektro bringt es schon auf 64 Kilowattstunden. Hier zeigt sich der erste Kompromiss, den Daimler eingehen musste: Mehr Speicherkapazität war mit der verwendeten Plattform des Mercedes GLC nicht zu machen.
Mit dem chemischen Speicher im EQC soll eine WLTP-Reichweite – abhängig von der Ausstattung – von um die 400 Kilometer möglich sein. Den WLTP-Verbrauch gibt Mercedes mit etwa 21 bis 23 kWh/100 km an. Ist der Akku leer, kann dieser innerhalb von 40 Minuten von 10 auf 80 Prozent an einer DC-Lademöglichkeit mit entsprechender Ladeleistung – der EQC selbst kann bis zu 110 kW – wieder aufgeladen werden. Der Onboard-Charger liefert eine Ladeleistung von 7,4 kW (zweiphasig). Ein AC-Ladevorgang von 10 auf 100 Prozent soll rund 11 Stunden dauern. Zu langsam. Ein 22-kW-Lader wäre wünschenswert, doch der ist nicht in Sicht. Stattdessen soll – wenn man den ersten Informationen im Netz glauben mag – ein dreiphasiger 11-kW-Lader noch diesen Herbst Einzug halten.
Der Autor dieses Tests fährt regelmäßig die Strecke von Hamburg nach Schwalmstadt (Hessen) und umgekehrt. Aufgrund der verschiedenen Gegebenheiten ein nahezu ideales Testszenario für Autobahnfahrten: Die flache Region im Norden, die anspruchsvollen Kasseler Berge, Tempolimits von 120 km/h, Baustellenabschnitte aber auch Streckenabschnitte, bei denen das volle Potenzial der Testfahrzeuge ausgefahren werden kann.
Von Hamburg nach Schwalmstadt und zurück
Rund 380 Kilometer pro Strecke waren in diesem Fall die Aufgabe des EQC. Die Temperaturen lagen bei idealen 20 Grad. Die WLTP-Reichweite ließ es schon im Vorfeld vermuten, dass es mit einer Akku-Ladung trotzdem eher schwierig wird, das Ziel zu erreichen. In der App – und mit dieser kann Mercedes einen klaren Pluspunkt verzeichnen – kann die Route vorab inklusive Ladestopps berechnet werden. Für den Fahrer stehen etliche Parameter wie Ladestand bei Abfahrt, Wunschkapazität bei Ankunft oder aber auch Unterstützung des Mercedes-Me-Ladedienstes bei automatischer Auswahl der Ladestopps zur Verfügung.
Die in der App berechnete Route wurde dann an das Infotainmentsystem im EQC gesendet. Als Zwischenstopp schlug das System die Fastned-Station bei Hildesheim vor. Ideal, denn auf halber Strecke legt der Autor ohnehin gerne eine Pause ein. Leider ist die eigenständige Auswahl eines Ladestopps zum Testzeitpunkt noch nicht möglich gewesen. Alternativ ist es aber möglich, während der Fahrt einen Ladepunkt entlang der Route zu suchen und der Route hinzuzufügen. Und das funktionierte – so viel kann bereits erwähnt werden – erstaunlich gut. Ein weiterer Pluspunkt: Das System errechnet die Restkapazität bei Ankunft an den Zwischenstopps, die Zeit für einzelne Ladevorgänge, um am Zielort möglichst schnell und gleichzeitig mit der gewünschten Kapazität anzukommen.
Jetzt aber los, die Fahrt von Hamburg über die A7 in Richtung Schwalmstadt. Die Fastned-Station in Hildesheim wurde überraschend mit mehr Restkapazität – trotz Richtgeschwindigkeit wo möglich auf der Autobahn – erreicht, als das System zum Start vorhergesagt hatte. Die Berechnung erfolgt wohl sehr konservativ, was sich auch auf all den anderen Testrouten zeigte. Allerdings folgte die erste Ernüchterung: Trotz entsprechender Einstellung in der App, konnte der Ladevorgang mit dem Mercedes-Me-Ladedienst nicht gestartet werden. Mehrfache Versuche mit RFID-Karte und App führten zu keinem Erfolg. Kein Problem für uns, der Ladevorgang wurde einfach über einen anderen Anbieter gestartet. Im Fahrzeug und in der App wurde angezeigt, wann die notwendige Kapazität für die restliche Route erreicht und die Weiterfahrt erfolgen konnte. Auf die Minute genau teilte Mercedes dies mit – analog zu Tesla. Die Fahrt zum Zielort konnte also weitergehen. Nach 4:52 Minuten bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 77,3 km/h wurde schließlich Schwalmstadt erreicht. Den Verbrauch gab der Bordcomputer mit 24,1 kWh/100 km an. Kein schlechter Wert für ein Fahrzeug dieser Dimension.
Nur wenige Tage später dann die Rückfahrt nach Hamburg. Erneut wurde die Route in der App berechnet und an das Fahrzeug gesendet. Aufgrund geringer Abweichungen bei den jeweiligen Kapazitäten (Abfahrt und Ankunft am Zielort), schlug das System den Allego-Standort am Maxi Autohof Rhüden bei Seesen vor – nur wenige Kilometer von Hildesheim entfernt. Aufgrund der vergangenen Erfahrungen ahnte ich bereits, was passieren könnte. Am Zwischenstopp angekommen, trat diese Vorahnung ein: Die High Power Charger waren nicht in Betrieb. Dank der konservativen Berechnungen von Restkapazitäten, fuhr ich – wie bereits auf dem Hinweg – den Fastned-Standort bei Hildesheim an. Angekommen mit 14 Prozent Restkapazität, sollte der Ladevorgang 32 Minuten dauern, um am Zielort mit der gewünschten Kapazität anzukommen. Diese Berechnung erfolgte erneut auf die Minute genau. Die Ladeleistung von bis zu 110 kW wurde bei allen Fahrten nahezu erreicht. Ab etwa 50 Prozent SoC fällt die Ladekurve jedoch unter 100 kW und sinkt weiter, wie diese Grafik von Fastned zeigt:
Allerdings sei an dieser Stelle gesagt, dass diese 32-minütige Ladepause völlig ausreichend ist. Aussteigen, Ladevorgang starten, Nachrichten auf dem Smartphone prüfen, stille Örtlichkeiten aufsuchen, Kleinigkeit essen, etwas trinken, erneut Nachrichten auf dem Smartphone prüfen – schon ist die Zeit verstrichen und die Fahrt kann fortgesetzt werden. Nach 4:17 Minuten und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 88 km/h war Hamburg erreicht. Der Durchschnittsverbrauch lag bei 24,2 kWh/100 km.
In den folgenden Tagen wurde es jedoch deutlich wärmer, weshalb ich noch einmal etliche Kilometer mit dem Mercedes-Benz EQC zurücklegen wollte, um weitere Verbrauchsdaten zu sammeln. Mit überwiegendem Anteil an Landstraßenfahrten, etwas Stadt- und wenig Autobahnanteil, zeigte der Bordcomputer eine zurückgelegte Gesamtstrecke von 610 Kilometern in 10:19 Stunden bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 59 km/h an. Der Verbrauch wurde mit 24,1 kWh/100 km angegeben.
Am Ende noch eine kleine Sonder-Auswertung, die für Langstrecken-Fahrer interessant ist: Wie sieht der Verbrauch des EQC wohl bei 100, 120 und 130 km/h aus? Ein Test auf einer dafür ausgewählten Autobahnstrecke im Norden (nur wenige Höhenmeter im einstelligen Bereich, kaum Rekuperation) gab die Antwort: Die Stichproben ergaben bei 100 km/h einen Verbrauch von 21,6 kWh, bei 120 km/h von 26,9 kWh und bei 130 km/h von 29,1 kWh pro 100 Kilometer. Die Rahmenbedingungen: Kaum Wind, trockene Fahrbahn und Temperaturen von um die 20 Grad.
Fazit
Der Komfort im Interieur ist auf einem sehr hohen Niveau. Der EQC bietet eine gute Anmutung der verarbeiteten Materialien und sehr bequeme Sitze. Allerdings wirkt das Cockpit überfrachtet, Mercedes setzt noch auf sehr viele Schalter. Das adaptive Fahrwerk merzt derweil selbst große Unebenheiten auf der Straße aus. Eine störende Seitenneigung ist selbst im Sportmodus kaum zu spüren. Die Lenkung ist sehr direkt und dennoch lässt es sich entspannt fahren – auch dank der guten Fahrassistenten. Mercedes schafft es, im EQC einen guten Kompromiss aus Komfort und Sportlichkeit zu finden.
Das Infotainment lässt sich – rein subjektiv betrachtet – intuitiv bedienen, der Sprachassistent arbeitet recht zuverlässig. Die zusätzlichen Dienste innerhalb der Mercedes-App lassen kaum einen Wunsch offen. Lediglich das manuelle Auswählen von Ladestopps während der Routenplanung wäre wünschenswert. Hinzu kommt, dass auch die Preisanzeigen innerhalb der App teils verwirrend sind. Aber: Immerhin werden sie zum Großteil überhaupt angezeigt.
Nachholbedarf gibt es vor allem – trotz der recht guten Verbrauchswerte – bei der Effizienz des Antriebsstrangs. Mehr elektrische Reichweite – vor allem bei einem Modell, welches sein volles Potenzial in Sachen Komfort auf Langstrecke ausspielt – ist ganz klar wünschenswert. Bei der Ladeleistung verliert der EQC klar gegen seinen Konkurrenten aus Ingolstadt, den Audi e-tron. Eine höhere DC-Stromversorgung wäre für ein Langestrecken-Elektroauto mit dieser Reichweite angebracht.
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