Wie sich der Mercedes eSprinter im Zustellgeschäft schlägt

Der Paketdienstleister GLS hat in Hamburg seit dem Frühjahr acht Mercedes eSprinter in seiner Flotte. Der in Düsseldorf vom Band laufende E-Transporter ist seit Mitte Mai bestellbar, aber auf den Straßen noch rar. Unsere Autorin hat sich einen Morgen lang an die Fersen der GLS-Paketzusteller geheftet.

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Ist er schon an? Diese Frage hat sich Emin Gülnaz anfangs öfter gestellt. Jetzt hört er sie gelegentlich von Leuten, die ihn auf seiner Zustelltour durch die Hamburger Innenstadt begleiten. Der GLS-Paketzusteller ist seit Mitte Mai mit einem Mercedes Sprinter rein Batterie-elektrisch unterwegs ‒ vom Motor ist weder beim Anlassen noch bei der Fahrt etwas zu hören. Lediglich das Kopfsteinpflaster unter den Rädern auf dem Hof des Depots verursacht beim Abrollen Geräusche. Gülnaz fährt einen von acht eSprintern, die GLS in der Elbmetropole einsetzt.

„Eigentlich hätten wir die E-Fahrzeuge schon im vergangenen Jahr kriegen sollen. Es gab aber noch technische Probleme“, sagt Henning Stegen, Manager des Distribution Centers 20 im Hamburger Süden. Die seien nun aber gelöst und bislang laufe der Praxiseinsatz reibungslos. Mercedes checkt die Transporter während der Erprobung alle zwei Monate. Um die Elektro-Sprinter in die Flotte integrieren zu können, investierte GLS am Depot in eine Ladeinfrastruktur. „Wir haben zwei Schnellladesäulen aufgebaut, wo vier Fahrzeuge gleichzeitig laden können“, fügt Stegen hinzu.

„Es war uns wichtig, dass sich die Akkus schnell laden lassen“, erläutert der Depotleiter. Und tatsächlich verfügt die Batterie nach 30 Minuten an der Steckdose über eine Kapazität von etwa 80 Prozent, in 45 Minuten ist sie voll geladen. Die Zusteller beginnen ihre Schicht um 5.30 Uhr und da sie zunächst die Pakete für ihre Tour zusammenstellen, ist morgens genug Zeit, alle acht eSprinter nacheinander aufzuladen. Die Batteriereichweite ist mit 165 Kilometern angegeben. Das reicht locker für die rund acht Kilometer lange Anfahrt ins Zustellgebiet, die komplette Tour, Rückkehr ins Depot sowie An- und Abfahrt zum Wohnort des Paketboten. Den Strom überlässt GLS dem Unternehmer zum Selbstkostenpreis. Kfz-Steuer fällt keine an. Die Leasingkonditionen entsprechen etwa denen herkömmlich angetriebener Fahrzeuge.

„Da die eSprinter bislang nur mit mittlerem Radstand zu haben sind, mussten wir die Gebiete ein bisschen anders zuschneiden“, sagt Stegen. Der kleinere Sprinter verfügt über rund elf Kubikmeter Ladevolumen und damit weniger als die herkömmlichen Diesel-Sprinter, die GLS üblicherweise einsetzt. Sie sind in der Regel höher und länger und können etwa 17 Kubikmeter aufnehmen. „Das heißt, dass wir zwei Diesel durch drei E-Fahrzeuge ersetzen“, fügt er hinzu. Daimler arbeite aber daran, dass die E-Variante künftig auch für den großen Sprinter zu haben ist. Da GLS die Fahrzeuge für ein Jahr von Mercedes geleast hat, könnte der Paketdienst beim Elektrobetrieb danach möglicherweise auf höher und länger umsteigen.

„Ich bin wirklich begeistert. Das Auto fährt sich super angenehm“, sagt Zusteller Gülnaz. Wie bei einem Automatikgetriebe müsse er nur Gas geben und bremsen. Kein Kuppeln, kein Schalten. Gülnaz ist entspannt und drückt nicht auf die Hupe, sollte mal ein Fußgänger vor ihm herspazieren, ohne ihn zu bemerken. „Ich hoffe immer darauf, dass ein anderer denjenigen auf mich aufmerksam macht“, erzählt er, was in der Regel auch geschehe. Kunden und Passanten in den Tourgebieten würden durchweg positiv auf das Fahrzeug reagieren. Häufig werde er gefragt, wie lange der Ladevorgang dauere und wie weit man damit fahren könne.

Auch er habe anfangs befürchtet, dass er bei der Zustellung mit der Batterieleistung nicht auskommt. In der Regel fährt er zwischen 50 und 65 Kilometer pro Tour. „Wer bremst, gewinnt“, sagt er. Denn der Antrieb rekuperiert, das heißt, die Batterie bekommt bei jedem Bremsvorgang Energie zurück. Den Akku leer fahren, sei dagegen nicht geschickt, da das Fahrzeug dann abgeschleppt werden müsste. Gülnaz lobt weiter, dass der elektrische Betrieb viel günstiger sei als der konventionelle bei herkömmlich angetriebenen Fahrzeugen. Strom laden koste zwischen 50 und 60 Euro, ein Dieselfahrzeug verbrauche monatlich Sprit zwischen 300 und 500 Euro. Allerdings ist Gülnaz gegenüber der Batterie kritisch eingestellt. „Wie lässt sie sich recyceln?“, fragt er.

GLS versorgt von seinem südlichen Hamburger Depot aus etwa drei Viertel des gesamten Stadtgebietes. Die E-Fahrzeuge laufen zuverlässig in der gesamten Flotte mit. Würde GLS dort noch mehr elektrisch angetriebene Transporter einsetzen wollen, müsste der Dienstleister in eine bessere Stromanbindung investieren. Die Anlage sei nicht für extreme Lasten ausgelegt, eine störungsfreie Versorgung des kompletten Betriebs könne dann nicht mehr gewährleistet werden.

Als Herausforderung bewertet Depotleiter Stegen außerdem, dass die Belieferung in der Innenstadt nur bis 11 Uhr möglich ist, die meisten Geschäfte aber erst um 10 Uhr öffnen, so dass im Prinzip nur eine Stunde für die Belieferung des kompletten City-Gebietes bleibe. „Das ist definitiv zu wenig Zeit“, sagt er. Dazu komme, dass Ladezonen häufig zugeparkt seien. „Hier müsste die Stadt konsequenter durchgreifen und Falschparker abschleppen“, fordert Stegen.

 

4 Kommentare

zu „Wie sich der Mercedes eSprinter im Zustellgeschäft schlägt“
Jonas
25.09.2020 um 09:31
Ok die Sprinter haben eine Reichweite von 165km, fahren am Tag auf einer Tour zwischen 50 und 65km aber auf dem Hof stehen Schnelllader. Ich kenne mich jetzt nicht so gut im Paketgeschäft aus, wenn es normal ist, dass die Zusteller die Fahrzeuge Abends auch mit nach Hause nehmen macht das vielleicht Sinn. Ich hätte aber jetzt erwartet, dass die Sprinter Abends im Depot abgestellt und dort die komplette Nacht geladen werden könnten. Das wäre wesentlich schonender für die Akkus und man müsste sich keine Gedanken um die elektrische Last machen, 11kW Wallboxen sollten kein Thema sein wenn heute vier Schnelllader gehen.
Peter
29.09.2020 um 09:35
GLS setzt als Fahrer Subunternehmer ein. Daher nehmen die Ihre Fahrzeuge auch mit nach Hause. Ob dieses Beschäftigungsmodell moralisch vertretbar ist, interessiert niemanden, Hauptsache, die Pakete kommen billig und schnell an
eMobilitätsberater K.D.Schmitz
02.10.2020 um 17:39
Mal angenommen dieses "moralische" Beschäftigungsmodell gibt es auch in Berlin, dann könnte seit gestern, 01.10.2020, der Subunternehmer vom Senat für so ein Leasing-FZ 15000,- EUR als Förderung auch beim Leasing mit 12 Monaten LFZ. erhalten. Ich glaube, dann käme er, seinen Dieselkollegen gegenüber, aus lachen nicht mehr raus. Wir beantragen solche Fördermittel für interessierte.
Matthias
01.10.2020 um 17:53
Der Zusteller könnte auch zu Hause laden (wenn er die Infrastruktur dazu hat). Kann er ja ganz normal als Geschäftsausgabe abrechnen, da er ja Unternehmer ist.

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