Tropos Able XT: China-Nutzfahrzeug aus Herne im Test
Mit dem Able bietet Tropos Motors Europe ein leichtes E-Nutzfahrzeug an. Mit verschiedenen Aufbauten soll der Able ein breites Einsatzspektrum abdecken. Bei einer Testfahrt konnten wir einen Einblick in die Möglichkeiten erhalten, die ein solches Fahrzeug etwa in der Logistik oder bei Stadtwerken bietet – aber auch die Grenzen.
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Nach Fahrzeugwerk sieht es nicht sonderlich aus. Unweit des Hauptbahnhofs Wanne-Eickel, direkt an einer der wichtigen Bahntrassen durch das Ruhrgebiet gelegen, hat Tropos Motors Europe sein Montagewerk bezogen – allerdings auf dem Stadtgebiet von Herne. Rechts eine Autowerkstatt, links ein metallverarbeitender Betrieb. Und zwischendrin eine Halle, aus der regelmäßig leise ein paar Elektro-Transporter surren.
27 Mitarbeiter sind in Herne bei Tropos Motors Europe beschäftigt. Vertrieb, Entwicklung und die Zentrale sind in Kirchheim/Teck beim Mutterkonzern Mosolf angesiedelt, in Herne aber wird produziert – beziehungsweise montiert. Die SKD-Karossen (Semi Knocked Down) werden von einem Partner aus China zugeliefert, in Herne wieder montiert und mit in Deutschland gefertigten Aufbauten je nach Kundenwunsch versehen.
Hierher hat Tropos zur Probefahrt eingeladen, und zwar mit dem Top-Modell Able XT2. Dieser verfügt über zwei Lithium-Ionen-Batterien mit insgesamt 26 kWh Energiegehalt und einer Reichweite von bis zu 260 Kilometern – allerdings nicht nach NEFZ oder WLTP ermittelt, sondern dem für die Klasse L7e gültigen Messzyklus UN ECE-R101. Alternativ ist der Able als XT1 auch mit nur einer Li-Ion-Batterie erhältlich (mit 13 kWh bzw. 105 Kilometer Reichweite) oder als günstigeres Einstiegsmodell Abel ST mit Blei-Säure-Batterie (8,6 kWh und 80 Kilometer Reichweite).
Um es gleich vorweg zu nehmen: Anders als sonst bei unseren Fahrberichten üblich können wir hier keine eigene Aussage über die Reichweite treffen. Das Format der Probefahrt war schlichtweg zu kurz, die Rest-Reichweite selbst nach der Testrunde eines Kollegen noch zu hoch. Die täglichen Fahrstrecken dürften bei den leichten Nutzfahrzeugen deutlich unter dem Wert von 260 Kilometern liegen. Tropos gibt an, bei eigenen Testfahrten selbst eine Winter-Reichweite von 199 Kilometern erreicht zu haben. Dazu kommt: Bei unserer Testfahrt waren wir mit leerer Pritsche unterwegs – bei voller Zuladung (derzeit maximal 565 Kilogramm) zieht der 10-kW-Motor mehr Strom. Die Reichweite hängt hier stark vom geplanten Einsatz ab.
Geladen wird dann ausschließlich über eine Schuko-Steckdose, also in den meisten Fällen wohl über Nacht im Depot. Eine andere Lademöglichkeit ergibt zudem wenig Sinn: Die Blei-Säure-Batterie arbeitet mit 72 Volt, die beiden Lithium-Ionen-Varianten mit 86 Volt Betriebsspannung.
Von außen fällt übrigens nicht auf, dass weite Teile des Fahrzeugs aus China kommen. Einzig ein Blick in den schmalen Spalt zwischen Fahrgastkabine und Pritsche verrät die Herkunft: Dort sind auf einem Bauteil chinesische Schriftzeichen zu sehen. Die Verarbeitung ist innen wie außen angemessen, natürlich ist der Innenraum eher robust gestaltet. An der Pritsche, die von einem Zulieferer aus Wermelskirchen stammt, fallen dann aber wieder feine Details wie das lasergeschnittene Logo auf.
Mit einem leichten Ruckeln rollt der Able XT an, beschleunigt danach aber sanft und gleichmäßig auf die Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h (Able ST: 40 km/h). Der an der Hinterachse verbaute Elektromotor ist zwar mit einer Nennleistung von 10 kW angegeben, maximal sind aber 24 kW möglich. Damit wäre sogar eine Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h denkbar. Mit der leeren Ladefläche unseres Testwagens hat die Leistung vollkommen ausgereicht, um im Stadtverkehr ohne Probleme mitzufließen. Auch hier: Mit voller Beladung mag das Anfahren am Berg anders aussehen. Für diesen Fall verfügt der Able XT aber über eine Berganfahrhilfe, die den Fahrer unterstützen soll.
Die freiwillige Beschränkung auf 60 km/h Höchstgeschwindigkeit begründet Tropos Motors mit der Sicherheit: Der Able XT verfügt zwar über vier Scheibenbremsen, aber kein ESP. Zudem kann sich das Fahrverhalten je nach Schwerpunkt der Fracht verändern. Die Konkurrenz, etwa Ari Motors mit dem 458, traut ihren Fahrzeugen bis zu 78 km/h zu.
Dazu kommt: Die Fahrzeuge in dieser Klasse sind allesamt sehr wendig. Tropos gibt einen Wenderadius (nicht Wendekreis) von 3,96 Metern an. Der Wenderadius ist eine branchenübliche Angabe, da er für die Rangierfähigkeit in engen Depots eine bessere Kennziffer ist als der in der Autobranche übliche Wendekreis. Heißt aber beim Fahren: Bei schneller Fahrt sollte man nicht zu stark lenken – die Lenkung ist für das Rangieren ausgelegt und nicht für die zügige Kurvenfahrt.
Tropos Motors will sich mit dem Able XT in anderen Punkten von dem erwähnten Ari 458 oder Goupil G4 in der Klasse L7e-CU (Fahrzeuge der Klasse L7e, die auf die Güterbeförderung ausgelegt sind) abheben. Tropos Motors nutzt die in der Klasse maximal zulässige Länge von 3,70 Metern aus, die Pritsche (2,21m x 1,35m x 0,35m) des Able XT kann somit zwei Europaletten und eine Gerätebox aufnehmen – andere Modelle dieser Klasse können meist nur eine Europalette laden.
Alternativ bietet Tropos die Pritsche auch mit Laubgitter oder Planengestell an, zudem wird es zwei Kofferaufbauten geben. Der Koffer L (2,20m x 1,35m x 1,10m) fasst bis zu 3,5 Kubikmeter, der XL-Koffer ist 30 Zentimeter höher und kommt auf bis zu 4,5 Kubikmeter. Ab dem vierten Quartal sollen auch ein Koffer mit Rollo und eine Kühl-/Wärmebox angeboten werden. Die genauen Spezifikationen hierfür nennt Tropos allerdings noch nicht.
Ladefläche kann in 15 Minuten getauscht werden
Auch ein individueller Innenausbau des Koffers sei möglich. Tropos-Motors-Europe-Geschäftsführer Markus Schrick betont aber, dass der Fokus nicht unbedingt auf den Individual-Ausbauten liegt. „Wir wollen ein standardisiertes Produkt auf den Markt bringen und weiterentwickeln“, so Schrick. Das habe auch das Feedback der ersten Kunden bestätigt. Einen sehr individuellen Aufbau gibt es aber bereits: In Corona-Zeiten sei auf Anfrage ein Desinfektions-Mobil entstanden. In dem Kofferaufbau ist ein Hochdruckreiniger verbaut, der das Wasser zuvor auf 90 Grad erwärmt. Damit können etwa Parkbänke und Bus- oder Straßenbahnhaltestellen angefahren und gereinigt werden – das heiße Wasser soll dabei Bakterien und Viren abtöten.
Die Ladefläche des Able XT bietet zudem eine Besonderheit: Mit dem „Easy Swap“-System sollen zwei Erwachsene in nur 15 Minuten den Aufbau wechseln können – ohne Hilfe eines Krans. Damit sollen die Fahrzeuge flexibler in einem breiten Aufgabenspektrum eingesetzt werden können. Ein Beispiel: Im anbrechenden Herbst könnte eine Park- oder Friedhofsverwaltung den Able XT an einem Tag mit Laubgitter in der Parkreinigung einsetzen, am nächsten Tag (oder sogar nach der Mittagspause) mit der ummontierten Pritsche größeres Sperrgut transportieren.
Die maximale Zuladung gibt Tropos derzeit mit 565 Kilogramm an, stellt aber in Aussicht, dass dieser Wert künftig etwas steigen könnte. Fix ist allerdings schon die Anhängelast von 300 Kilogramm.
Basis ab 18.000 Euro, Top-Modell für 27.000 Euro
Und wer soll den Able XT kaufen? Schließlich kostet die Variante mit großer Batterie 27.000 Euro netto, mit dem kleineren Lithium-Ionen-Akku sind es noch 23.000 Euro vor Steuern. Den Umweltbonus gibt es nicht, derzeit sind L7e-Fahrzeuge dafür nicht qualifiziert. Ganz oben auf der Liste an potenziellen Kunden hat der frühere Hyundai-Deutschland-Chef Schrick Städte und Kommunen, gefolgt von der Industrie und Intralogistik. Auch für Handwerker oder in der Landwirtschaft sei der Able geeignet, ebenso für Zoos, Freizeitparks, Sportstätten oder Friedhofsverwaltungen.
Und natürlich ein Feld, in dem bereits viel über E-Mobile diskutiert wird: die City-Logistik für die Liefer- und Paketdienste. In Berlin setzt der zur Otto Group gehörende Lieferdienst Lierfery den Able ein. Mit einer Fahrzeugbreite von nur 1,40 Metern soll der Able beim Halten in zweiter Reihe Verkehrsblockaden minimieren. Ein anderer prominenter Kunde könnte bald folgen: Wie man hört, soll auch ein Autobauer, der derzeit in Brandenburg ein Werk errichtet, am Einsatz der Leicht-Transporter für seine Werkslogistik interessiert sein.
Nach der Testfahrt scheint der Einsatz in den genannten Branchen durchaus plausibel – wenn auch mit einigen Einschränkungen. Da Tropos die Ladefläche maximieren wollte, fällt die Fahrgastzelle entsprechend knapp aus. Die Rückenlehne ist sehr steil, der Zustieg eng, der Komfort gering. Vor allem im unteren Bereich vor dem Radhaus ist die Türöffnung sehr schmal – was beim häufigen Ein- und Aussteigen oder mit robusten Arbeitsschuhen störend sein kann. Wie knapp der Platz ist, zeigt auch die Lenksäule, die ohne Verkleidung zwischen Fahrer und Beifahrer durch den Innenraumboden zum Lenkgetriebe führt.
Größeres Nutzfahrzeug soll 2021 folgen
Wer zusätzliche Verbraucher wie den Kühlkoffer oder den Desinfektionsaufbau nutzt, muss natürlich nicht nur deren Gewicht, sondern auch den Stromverbrauch mit einkalkulieren – und eventuell zur 4.000 Euro teureren großen Batterie greifen, auch wenn die kleine theoretisch für die geplanten Strecken ausreicht.
Die Hürde des Preises könnte der Hersteller über zwei Hebel angehen: Zum einen könnten mit den Stückzahlen über Skaleneffekte die Preise gesenkt werden. Zum anderen gibt es eine optionale Databox. Damit können die Fahrzeuge vernetzt werden, etwa für ein Flottenmanagement. Damit wird aber auch ein ganz anderes Geschäftsmodell möglich: Bei Transport as a Service wird nur die tatsächliche Nutzung abgerechnet.
Und wem das nicht ausreicht: Für das kommende Jahr plant Tropos Motors einen Kastenwagen der Klasse N1 – also von der Größe eines Abt e-Caddy.
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