Ladesäulenverordnung: Kreditkartenterminal wird offenbar Pflicht
Über eine Änderung im Paragraf 4 soll das Ad-hoc-Laden an öffentlicher Ladeinfrastruktur künftig auch per Debit- oder Kreditkarte möglich sein – und das offenbar nicht nur als Option, sondern als Pflicht. Erste Unternehmen warnen bereits vor negativen Auswirkungen.
++ Dieser Beitrag wurde aktualisiert. Sie finden die neuen Infos ganz unten. ++
Eine im Bereich der Ladeinfrastruktur tätige Quelle bestätigte gegenüber electrive.net, dass laut der neuen Ladesäulenverordnung (LSV) an jeder Station ein physikalisches Debit-/Kreditkartensystem vorhanden sein müsse. Sprich: Für Ad-hoc-Lader ohne Ladekarte, RFID-Tag oder mit Kunden-Account eingerichteter Smartphone-App würde das Laden einfacher, weil nun direkt per Kreditkarte gezahlt werden könnte. Die bisher in Deutschland oft ignorierte Option, ohne Vertrag per Kreditkarte zahlen zu können, wäre dann verpflichtend vorgeschrieben.
Der Ladeanbieter ChargePoint hat aber eine andere Sicht der Dinge: Laut Tina Zierul, Senior Director Public Policy, sei das Vorhaben der Bundesregierung „noch nicht ganz durchdacht und erst auf den 2. Blick im Sinne der Verbraucher sowie der Betreiber“. Laut ChargePoint sei es das Ziel der überarbeiteten LSV, dass das Ad-hoc-Laden verpflichtend über ein gängiges Debit- und Kreditkarten-basiertes Zahlungssystem erfolgen müsse. Zusätzlich könne ein Betreiber der Ladesäule auch das Bezahlen per webbasiertes System anbieten. Sprich: Nicht nur die Säulen müssen nach der Meinung von ChargePoint verpflichtend über ein Kreditkartenterminal verfügen, ein Ad-hoc-Ladevorgang muss demnach auch verpflichtend darüber bezahlt werden.
Aber: Aus gut informierten Kreisen hat electrive.net erfahren, dass die Diskussion zwischen der Industrie und den Ministerien derzeit in eine andere Richtung läuft. Eine entsprechende Änderung des Paragraf 4 könne bereits bald beschlossen werden. Spätestens dann werden wir wissen, was an der steilen These von ChargePoint dran ist – oder doch fortwärtsgewandtere Zahlungsmethoden beim Ad-hoc-Payment möglich bleiben.
Das Schlüsselwort ist laut ChargePoint hier „verpflichtend“. „Einer Kreditkartenpflicht in Reinstform, wo nur die Plastikkarte selbst zum Zuge kommt und eine technische Lösung über die Einbettung der Karte in eine App oder in eine Internet-Seite nur zusätzlich erlaubt wäre, steht in erster Linie die Payment Services Directive 2 (PSD 2) im Wege“, so Zierul. In der PSD 2 ist festgelegt, dass als Schutzmechanismus bei Beträgen über 50 Euro oder nach jedem fünften Bezahlvorgang die Transaktion per PIN-Code autorisiert werden müsse. Für diesen Fall würden die Ladesäulen nicht nur einen geeigneten Kreditkartenleser erhalten, sondern auch eine Tastatur. „Das lehnen Betreiber und Provider wegen der hohen Kosten für Umrüstung und Wartung der Terminals ab“, so Zierul weiter. „Für Verbraucher würde das Bezahlen komplizierter und länger dauern als heute.“
Zudem sei laut ChargePoint noch nicht geklärt, wie eine eichrechtskonforme Rechnung gestellt werden solle. Der Ladesäulennutzer müsse eine Rechnung erhalten, die genau ihm seinen Ladevorgang zuordnet. Bleibt der Nutzer gegenüber dem Charge Point Operator (CPO) bei der Kreditkartenzahlung anonym, wird die Rechnungsstellung schwierig – hier fehle es noch an „konkreten Lösungen, wie eine eichrechtskonforme Rechnung aussehen“ könne.
ChargePoint favorisiert hier ein kontaktloses Zahlen per App, dass sich nach Sicht des Anbieters auch als „karten-basiert“ subsummieren lasse. Es sei – ähnlich einer Browser-basierten Lösung – schnell mit der einmaligen Eingabe der Kreditkartendaten eingerichtet. Hier sei aber rechtlich eine Ausnahme von der PSD2 nötig, damit die PIN-Eingabe wegfalle.
Im Markt gibt es freilich auch Lösungen, die bereits erprobt sind. So bietet etwa der Dienstleister wallbe mit dem x-pay Terminal ein einheitliches Bezahlsystem an, bei dem der Ladevorgang mit Giro- oder Kreditkarten, NFC-Smartphones sowie den gängigen Tankkarten gestartet werden kann. Dieses Tool will beispielsweise Aldi Süd bei seiner Ladesäulen-Offensive nutzen. Über die Seite ev-beleg.de können Kunden dann ihre Belege nachträglich anfordern.
Genau abschätzen lassen sich die Auswirkungen aber erst, wenn die exakte Formulierung in der endgültigen Neufassung der LSV vorliegt – ist es wirklich eine Pflicht oder doch eher eine zusätzliche Option? Wird es genauere Vorschriften für das Bezahlen per webbasiertem System geben? Was wird sich für Kunden mit Ladekarten oder RFID-Tags ändern? Und auch zur Kommunikation des Ladepreises beim Ad-hoc-Laden liegen noch keine Informationen vor. Wir werden weiter über das Thema berichten.
Update 19.10.2020: Nach neuen Informationen haben wir den Artikel überarbeitet. Demnach stehen Industrie und das Wirtschafts- sowie das Verkehrsministerium kurz vor einer Einigung, eine Änderung könne bereits bald beschlossen werden, wie electrive.net aus gut informierten Kreisen erfuhr. Die von ChargePoint in der Mitteilung angesprochenen Punkte seien so nicht Gegenstand der aktuellen Diskussion, hieß es weiter.
Spätestens wenn die neue LSV beschlossen ist, werden wir wissen, was an der steilen These von ChargePoint dran ist – oder doch fortwärtsgewandtere Zahlungsmethoden beim Ad-hoc-Payment möglich bleiben.
Quelle: Infos per E-Mail
40 Kommentare