Deutsche Industrieverbände kämpfen für Wasserstoff und E-Fuels
Deutsche Industrieverbände zünden in ihrem Kampf um den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen und Wasserstoff im Verkehr die nächste Stufe: In einer gemeinsamen Mitteilung attackieren VDA, MWV, DWV und VDMA den Kurs des Bundesumweltministeriums zur nationalen Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie scharf.
Passend dazu wurde parallel eine vom Mineralölwirtschaftsverband MWV in Auftrag gegebene Studie veröffentlicht, der zufolge „bisherige Analysen zum Effizienzvergleich von Elektromobilität und erneuerbaren Kraftstoffen häufig weitere wichtige energiewirtschaftliche Aspekte außer Acht“ lassen.
Zunächst aber zu der Mitteilung von VDA, MWV, DWV und VDMA. Die Umsetzung der EU-Richtlinie zu erneuerbaren Energien im Verkehrsbereich hatte bereits in der vergangenen Woche für Schlagzeilen gesorgt, als sich VW in einer Stellungnahme zu dem entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Bundesumweltministerium (BMU) von der VDA-Forderung nach höheren Zielvorgaben distanziert hatte. Nach der Auffassung von Volkswagen werden „die sogenannten Potenziale dieser Alternativen beim flüssigen Kraftstoff im allgemeinen massiv überschätzt“. Die Herstellung synthetischer Kraftstoffe aus überschüssigen erneuerbaren Energien sei „aufwändig, kostenintensiv, wenig klimaeffizient und mit geringem Wirkungsgrad“.
Den VDA haben diese Aussagen seines größten Mitglieds aber nicht von seinem Kurs abgebracht. In der Mitteilung mit dem Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband (DWV), dem Mineralölwirtschaftsverband (MWV) und dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) bezeichnet der VDA das Ziel, wonach Deutschland eine global führende Wasserstoff-Industrie aufbauen solle, als „ernsthaft gefährdet“. Grund für diese Einschätzung ist die Haltung des BMU. Nach Ansicht der vier großen Industrieverbände führt der Referentenentwurf zur nationalen Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II), in die falsche Richtung und solle daher gestoppt werden.
Kern der Vorwürfe: Der Gesetzesvorschlag schaffe weder die Rahmenbedingungen für den Markthochlauf einer deutschen Wasserstoffwirtschaft, noch führt er zu zusätzlichen CO2-Einsparungen im Verkehr. Somit ignoriere er „faktisch“ die Nationale Wasserstoffstrategie.
Heißt aber auch: Anstatt sich auf die Batterie-elektrische Mobilität zu konzentrieren (also der Kurs von Volkswagen), um so die Klimaziele der EU bis 2030 zu schaffen, halten die vier Verbände das nur für möglich, wenn auch synthetische Kraftstoffe eingesetzt werden können. Den Verbänden geht es aber nicht nur um die Klima-Ziele: Zudem fürchten sie, dass das BMU mit dem Entwurf „hunderttausende Arbeitsplätze“ gefährde. Selbst für Lobby-Verbände ist dieser Vorwurf harter Tobak.
Interessant ist auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung: Laut einem Bericht der „Welt“ soll am Mittwoch bei der Vorstandssitzung des VDA ein „Haltungswechsel“ beschlossen werden – der Industrieverband will seinen Widerstand gegen schärfere CO2-Vorgaben der EU offenbar aufgeben. Verknüpft mit der Bedingung, dass die Politik die Rahmenbedingungen schaffe – also etwa den zügigen Ausbau der Ladeinfrastruktur. Aber auch, nicht bei der propagierten „Technologieoffenheit“ zu bremsen. Schließlich sind im VDA nicht nur die Autobauer organisiert, sondern auch unzählige Zulieferer, die sich teilweise auf bestimmte Verbrenner-Komponenten spezialisiert haben und somit in den E-Fuels eine Überlebenschance für das eigene Geschäftsmodell sehen. Ein Umstand, den etwa VW-Chef Herbert Diess scharf kritisiert. „Viele Industrieverbände verteidigen den Status, weil sie Interessen vertreten“, sagte Diess vor der VDA-Sitzung dem „Tagesspiegel“.
Übrigens hatte der VDMA im Juni eine eigene Studie veröffentlicht, wonach in Europa bis 2040 bis zu 68.000 Jobs rund um die Brennstoffzelle entstehen könnten. Die von FEV Consulting durchgeführte Studie ging aber auch davon aus, dass bis 2030 das Batterie-elektrische Auto das Rennen macht und die Brennstoffzelle erst in der Folge höhere Marktanteile erreichen kann. Wie dann bis 2030 die EU-Klimaziele mit den dann noch geringen Anteilen an Wasserstoff-basierter Mobilität erreicht werden sollen, erklärt der VDMA nicht.
Müller: Keine Alternative zur Doppelstrategie
VDA-Präsidentin Hildegard Müller betont, dass Kunden bereits heute unter 70 E-Fahrzeugen deutscher Hersteller wählen könnten, bis 2025 sollen es mehr als 150 sein. „Zugleich arbeiten wir an der Marktreife für E-Fuels und Wasserstoff. Auch der moderne Verbrennungsmotor hat Zukunft“, so Müller. „Wir brauchen E-Fuels und Wasserstoff aus nachhaltigen Energiequellen, um auch bei den Millionen Pkw im Bestand die Klimaziele zu erreichen. Und es wird auch neue, sparsame Pkw und Lkw mit Verbrennungsmotor geben.“ Zu der Doppelstrategie gebe es keine Alternative, wenn man die Klimaziele erreichen wolle.
Die Veröffentlichung der gemeinsamen Mitteilung erfolgt nur einen Tag, nachdem der MWV gemeinsam mit dem UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen eine eigene Studie veröffentlicht hat, die auf Basis eines „gesamtheitlichen Effizienzvergleichs“ das schlechte Image der E-Fuels aufbessern soll. Während in der „konventionellen“ Betrachtung Batterie-elektrische Autos um den Faktor 5,4 effizienter seien als Verbrenner mit E-Fuels, sinkt dieser Faktor in der Studie des MWV je nach Energiequelle nur noch auf 1,1 bis 1,6.
Hintergrund des „gesamtheitlichen Effizienzvergleichs“: Die „extremen Unterschiede“ der Erträge von Solar- oder Windanlagen würden „je nach Standort völlig ausgeblendet“. Die selbe Solaranlage würde in Deutschland nur 40 Prozent der Strommenge liefern, die sie im Jahr erzeugen könnte, wenn sie in Nordafrika aufgestellt wäre. Diesen höheren Stromertrag könne man nutzen, um dort Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe zu erzeugen und nach Deutschland zu importieren.
Wie effizient, sauber und bezahlbar sind importierte E-Fuels?
Das Szenario, dass der MWV hier zeichnet, basiert aber auf einigen Annahmen. Zum einen müsste in den kommenden Jahren ein Weltmarkt für grünen Wasserstoff entstehen – was die Verbände zumindest für Deutschland ja gefährdet sehen. Zum anderen müsste der Import gesichert werden – schließlich hängt dieses Modell davon ab „hochertragreiche Standorte zur Produktion von Wind- und Solarstrom weltweit zu nutzen“ und die strombasierten Kraftstoffe dann zu importieren.
Das wird in der Studie aber mehr oder weniger als gegeben hingenommen. In welchen Kapazitäten aber Solar- und Windkraftanlagen rund um die Welt errichtet werden können, ohne dass lokale Interessen wie Naturschutz oder der Eigenbedarf berücksichtigt werden, geht daraus nicht hervor. Zudem existieren noch keine großindustriellen Anlagen zur E-Fuel-Produktion. Sollte der Wasserstoff oder das Methanol dann wirklich in Deutschland (und nicht in einem Preis-Wettbewerb in anderen Staaten) landen, ist immer noch nicht klar, zu welchem Preis ein Liter E-Fuel hierzulande an einer Tankstelle verkauft werden könnte – oder ob lokal erzeugter Strom in einer Batterie für den Endkunden nicht attraktiver ist.
Natürlich verwundert es kaum, dass die Mineralölwirtschaft die aktuelle politische Lage mit der starken Förderung Batterie-elektrischer Autos für falsch hält. Aber ob ein Windrad in Patagonien – wie in der Studie vorgeschlagen – wegen seiner höheren Strommenge pro Jahr jemals Energie für ein in Deutschland fahrendes Auto liefern wird, ist mehr als fraglich. Die Erzeugung mag dort effizienter sein als auf der Nordsee oder im Hunsrück, aber zum einen wird es auch in Südamerika einen Eigenbedarf an erneuerbaren Energien geben, zum anderen scheint der Transport des Wasserstoffs oder Methanols von einer der entlegensten Gegenden der Südhalbkugel nach Europa nicht gerade effizient – auch wenn es sich gut damit in Beispielen rechnen lässt.
vda.de (Mitteilung von VDA, MWV, DWV und VDMA), mwv.de (Studie zu E-Fuels), welt.de
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