chargeBIG: Was die Flotten-Ladelösung im Kundeneinsatz kann
Es ist eine recht simple Frage, die künftig mehr und mehr Fuhrparkmanager beschäftigen wird: Wie lade ich die Elektroautos in meiner Firmenflotte? In einem internen Wettbewerb haben Mitarbeiter des Auto-Zulieferers Mahle – sonst nicht für seine Ladeinfrastruktur bekannt – eine Lösung für genau diese Frage entwickelt. Das chargeBIG genannte System ist bereits bei den ersten Kunden im Einsatz – unter anderem bei der LBBW.
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„Elektromobilität braucht intelligente Ladelösungen. Für einige Anwendungsfälle – zum Beispiel das Laden auf Firmenparkplätzen – waren aber die vorhandenen Lösungen mit Wallboxen oder anderen AC-Ladesäulen nicht optimal.“ Mit diesen zwei Sätzen bringt Nicole Heinrich die Idee hinter chargeBIG auf den Punkt.
Nach einem Dualen Studium bei Mahle bewarb sich Heinrich intern für das Inkubator-Programm. In einem Innovationsprogramm wollte Mahle Ansätze außerhalb des eigenen Geschäftsmodells fördern. Zwei Ideen haben sich durchgesetzt und wurden als Corporate Startups aufgebaut – eine davon war chargeBIG. „Diese Startups dürfen eigenständig arbeiten und profitieren gleichzeitig vom Know-how und der Rückendeckung eines etablierten Konzerns“, sagt Heinrich, die heute bei chargeBIG für Marketing und Vertrieb verantwortlich ist. Verständlich, schließlich ist das Thema Laden nicht Teil des üblichen Mahle-Portfolios.
Das Ziel: Schnell und günstig einen Bestand an intelligenten Ladepunkten aufbauen bzw. eine Lösung entwickeln, die genau das ermöglicht. Viele Ladepunkte, die ohne hohe Kosten und vor allem skalierbar in Parkanlagen oder Parkhäusern installiert werden können. Gestartet ist die chargeBIG-Truppe mit dem bei Mahle üblichen „Hardware- und Systemansatz“, wie Heinrich es ausdrückt. „In dem Prozess haben wir aber schnell festgestellt, dass der Markt mehr als Hardware erfordert“, sagt die chargeBIG-Managerin. „Wir müssen ein Rundum-Service-Paket bieten, von der Installation über den Betrieb bis hin zur Abrechnung der Ladevorgänge.“
Kern der Lösung ist ein zentralisiertes Ladesystem: Ladecontroller, Sicherungen und Lastmanagement sind in einem Ladeschrank zusammengefasst. Am Parkplatz selbst ist nur eine Steele oder Wandhalterung für den Ladepunkt mit fest angeschlagenem Typ-2-Kabel. Letzteres soll den Kundenkomfort erhöhen. Ein Ladeschrank kann dabei bis zu 36 Ladepunkte betreiben. Zielgruppen sind Arbeitgeber, Firmenwagen-Flotten, Logistik-Flotten oder Parkhäuser, die nicht von Kurzzeitparkern genutzt werden – an Flughäfen oder Messegeländen etwa. Aber auch Außenanlagen sind möglich.
Ein Vorteil des zentralisierten Ladesystems: Die Wartung wird günstiger, da die gesamte Technik an einem Ort verbaut ist – so müssen etwa nicht an 36 Wallboxen die Schutzschalter kontrolliert werden, sondern nur die Schutzschalter in dem Ladeschrank. Zudem könne man mit der Zentralisierung laut Heinrich Lösungen in das System integrieren, die einzelne Wallbox-Lösungen nicht bieten würden – etwa die Integration in die Brandmeldeanlage oder das Energiemanagement eines Gebäudes.
„Wir setzen auf eine Nische, aber diese Nische bietet viel Potenzial“, sagt Heinrich. „Es gibt sehr viele Anwendungsfälle, in denen 20 oder mehr Ladepunkte aufgebaut werden müssen.“
Solche Fälle gibt es bei der Landesbank Baden-Württemberg. In den Tiefgaragen an zwei Standorten in Stuttgart hat die LBBW jeweils 18 Ladepunkte mit chargeBIG realisiert. Der Kontakt zwischen der Landesbank und dem in Stuttgart ansässigen Zulieferer kam nicht ganz zufällig zustande, beide Unternehmen sind Partner im „Bündnis Luftreinhaltung“ in Stuttgart. Als Mahle von dem Elektrifizierungsvorhaben der Landesbank gehört hatte, wurde ein Termin im Mahle-Parkhaus organisiert.
Für die PHEV und BEV braucht die Landesbank mehr Ladepunkte
„Die Unterzeichnung des Bündnisses für Luftreinhaltung war ein wichtiger Punkt bei der Entscheidung der Bank, in eine eigene Ladeinfrastruktur zu investieren“, sagt Andreas Pignataro aus dem strategischen Einkauf der LBBW. „Wir haben gegenüber unseren Trägern, unter anderem der Stadt Stuttgart, eine Verantwortung, der wir gerecht werden wollen.“ Bereits seit 2015 fördert die Bank mit einer Art Bonus-Malus-System umweltfreundliche Fahrzeuge in ihrer Flotte.
„Nachhaltigkeit ist eine strategische Stoßrichtung der Bank“, sagt LBBW-Einkäufer Pignataro. „Der Fuhrpark trägt dazu bei, indem wir Maßnahmen ergreifen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. In diesem Zuge haben wir entschieden, das Thema Elektromobilität gezielt zu fördern.“ Und mit der steigenden Zahl an Plug-in-Hybriden und Elektroautos in der Flotte wurden auch an die Parkplätze und Ladeinfrastruktur neue Anforderungen gestellt.
Die Demonstration im Mahle-Parkhaus, hatte die LBBW dann überzeugt. Ein weiterer wichtiger Punkt, wie im Gespräch mit electrive.net klar wird: Es ist nicht das System eines großen Herstellers, der seine Lösung möglichst ohne weitere Änderungen verkaufen will. „Wir haben von Seite der Technik sehr schnell festgestellt, dass wir in diesem noch entstehenden Markt mit einem sehr engagierten Partner zusammenarbeiten“, sagt Markus Niebauer, der bei der LBBW Corporate Real Estate Management GmbH das chargeBIG-Projekt betreut. „Das Tempo, mit dem wir gemeinsam Lösungen erarbeitet haben, war beeindruckend.“
chargeBIG unterstützt einphasiges Laden mit bis zu 7,2 kW
Anpassungen sind aber immer wieder nötig – sei es an dem Gebäude oder den Fahrzeugen selbst. „Trotz der Änderungen, die wir immer wieder in das System eingebracht haben, läuft die Anlage sehr stabil“, sagt Niebauer. Bei der Installation haben sich Mahle und LBBW den Aufwand jeweils geteilt: Die chargeBIG-Techniker haben ihren Ladeschrank und von dort ausgehend die Ladepunkte installiert. Die LBBW-eigenen Elektriker kennen ihr Gebäude aber in- und auswendig und waren daher für den Anschluss an die Gebäudeleittechnik und von der Niederspannungshauptverteilung bis zum Ladeschrank zuständig.
Die chargeBIG-Anlage ist allgemein auf das einphasige Laden ausgelegt – mit einer dynamischen Spanne zwischen 2,3 und 7,2 kW. Gesteuert wird die Ladeleistung vom Ladeschrank je nach Belegung oder der verfügbaren Anschlussleistung, die dem Ladesystem gerade von der Gebäudeleittechnik zugewiesen wird.
Ein Konzept, von dem sowohl die Macher als auch der Kunde LBBW überzeugt sind. „Das Fahrzeug soll ohne Umparken über den Tag hinweg geladen werden“, sagt Niebauer und berichtet: „Natürlich kamen zwischendurch Anrufe von Kollegen, die sich darüber gewundert haben, warum ihr Auto nicht schneller lädt. Aber das entspricht nicht dem Konzept des Systems.“
Mit der aktuellen Anzahl an Fahrzeugen sei die Last noch nicht so hoch, weshalb laut Niebauer „meistens mindestens fünf, oft sogar die vollen sieben Kilowatt“ zur Verfügung stehen. „Das sind über zehn Stunden aber immer noch mehr als 50 kWh!“
Für Tagesparker ausreichend
„Für Tagesparker oder beim Laden über Nacht reichen einphasige, aber intelligente Ladepunkte aus, um eine Vielzahl an Fahrzeugen zu laden“, sagt auch Nicole Heinrich. „Wir können vereinzelt 22-kW-Ladepunkte in das System integrieren, da es an Standorten unterschiedliche Lade-Bedarfe geben kann – etwa für Besucher oder Vertriebsmitarbeiter, die eine schnellere Zwischenladung benötigen.“
Die derzeit 2x 18 Ladepunkte sind in öffentlichen Tiefgaragen installiert – auf Stellplätzen, die der LBBW zugewiesen sind. Aktuell stellt die Landesbank die Anlage noch allen Parkenden zur Verfügung, abgerechnet wird noch nicht. „Wenn wir merken würden, dass wegen der hohen sonstigen Nachfrage Dienstwagenberechtigte nicht mehr so laden können, wie sie es brauchen, dann müssen wir eingreifen“, deutet Niebauer an. Sein Kollege Andreas Pignataro ergänzt aber, dass für die Dienstwagenflotte der Bank das Laden kostenlos bleibe.
Aktuell startet der Ladevorgang, sobald das Kabel mit dem Auto verbunden wird. Für ein Laden mit möglicher Abrechnung bietet chargeBIG eine App. „Diese ermöglicht sowohl das Ad-hoc-Laden als auch das Laden von Dienstwagen über Kostenstellen-Verrechnungen und auch das Laden von Gästen über Voucher-Codes“, so Heinrich. Die App sei, wie das System selbst, möglichst schlank gehalten. Am Ladepunkt selbst soll das Scannen eines QR-Codes ausreichen – NFC-fähige Smartphones müssen sogar nur an den QR-Code gehalten werden. App und Backend sollen auch anderen Anbietern angeboten werden. Dabei ist auch eine Roaming-Lösung möglich, um etwa bereits bestehende Ladesäulen an einem Standort gemeinsam mit der chargeBIG-Lösung aus einer App heraus bedienen zu können.
Nächste Stufe: das Eichrecht
Eine der nächsten Änderungen, die ansteht: das Eichrecht. Hier hat das zentralisierte System andere Anforderungen als eine Wallbox oder Ladesäule: Wie die restliche Technik sitzen auch die eichrechtskonformen Zähler im Ladeschrank. Dort wird auch gemessen, nicht am Ladepunkt selbst – also jener Stelle, an der der Strom formal an den Nutzer übergeht. „Damit müssen wir Leitungskompensationen durchführen, um weder den Betreiber noch den Nutzer nachteilig zu behandeln“, sagt Heinrich. „ Wenn sich über das Kabel ein kleiner Spannungsabfall ereignet, kommt die zentral gemessene Kilowattstunde nicht 1:1 am Fahrzeug an. Unsere dafür entwickelte Messlösung ist gerade beim VDE in der Zertifizierung, wir streben die Eichrechtskonformität für Mitte Dezember an.“
chargeBIG-Kunde LBBW steht derzeit hingegen vor anderen Überlegungen: dem Ausbau der eigenen Ladeinfrastruktur. Auch die Hauptsitze in Mannheim, Karlsruhe und Mainz sollen Ladepunkte erhalten, später auch die Filialen. Dort will die Bank wegen der geringeren Nachfrage aber auf andere Ladelösungen zurückgreifen, denn die chargeBIG-Installation rechnet sich erst ab 18 Ladepunkten. Zudem muss oft noch geklärt werden, was vor Ort überhaupt möglich ist. „Teilweise ist es auch eine Abstimmungssache, da nicht alle Liegenschaften unser Eigentum sind, bei angemieteten Immobilien muss das mit dem Eigentümer besprochen werden“, sagt LBBW-Einkäufer Pignataro.
Die Richtung ist aber klar, denn bis Ende 2021 soll die Hälfte der Flotte auf E-Autos umgestellt sein. Die Pool-Flotte soll dann komplett aus Plug-in-Hybriden und Elektroautos bestehen, bei den persönlichen Dienstwagen hängt das Tempo der Umstellung teilweise auch an der Laufzeit der aktuellen Leasingverträge. Dennoch: „Das wird dazu führen, dass die Nachfrage in den kommenden Jahren stark steigen wird“, sagt Pignataro. „Aufgrund der Modularität von chargeBIG können wir da beliebig erweitern. Und wir werden erweitern müssen.“
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