DB und Siemens entwickeln H2-System für die Schiene
Die Deutsche Bahn und Siemens Mobility bereiten den Testlauf eines Wasserstoff-Systems auf der Schiene vor. Erprobt werden soll im Jahr 2024 ein H2-Zug mit bis zu 600 Kilometern Reichweite und eine neu konzipierte Wasserstoff-Tankstelle im Raum Tübingen.
Vorgesehen haben die Partner einen einjährigen Probebetrieb zwischen Tübingen, Horb und Pforzheim. Dieser soll zu dem langfristigen Ziel beitragen, Dieseltriebzüge im Regionalverkehr durch Wasserstoff-Exemplare zu ersetzen.
Die Vorbereitungen sind umfänglich: Siemens Mobility wird den Wasserstoffzug auf Basis des Regionaltriebzugs Siemens Mireo Plus bauen. Die Deutsche Bahn kreiert ihrerseits eine Tank-Infrastruktur und rüstet eines ihrer Instandhaltungswerke so um, dass der H2-Zug dort gewartet werden kann. Offiziell trägt das Verbundförderprojekt den Namen „H2goesRail“. Gefördert wird es vom Ministerium für Verkehr in Baden-Württemberg und vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur via das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP 2).
Zunächst zum geplanten H2-Zug namens Mireo Plus H: Das Modell wird als zweiteilige Version mit einem neu zu entwickelnden Wasserstoffantrieb ausgerüstet und soll dann ebenso leistungsfähig sein wie elektrische Triebzüge. Die Reichweite beziffert die Deutsche Bahn auf 600 Kilometer – abhängig von den betrieblichen Einsatzbedingungen wie der Jahreszeit oder der Strecke. Eine dreiteilige Zug-Variante könne bis zu 1000 Kilometern erreichen, heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung. Als Merkmale des Mireo Plus H führt die DB ansonsten eine Antriebsleistung von 1,7 MW für bis zu 1,1 m/s² Beschleunigung, eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h und vergleichsweise niedrige Lebenszykluskosten an.
Die Deutsche Bahn entwickelt parallel eine neuartige H2-Tankstelle. Der Wasserstoff wird in Tübingen von DB Energie mit Hilfe von Ökostrom produziert. Betankt werden können soll der Zug dank eines innovativen Verfahrens in nur 15 Minuten – analog zur Betankung von Dieselzügen. „Das ist ein wichtiger Aspekt angesichts der eng getakteten Zugfolgen im Regionalverkehr der DB. Damit wird die Wasserstofftechnologie im Betriebsalltag konkurrenzfähig zum bisher verwendeten Dieselkraftstoff“, heißt es aus der Konzernzentrale. Zur Wartung des Mireo Plus H wird zudem die Werkstatt von DB Regio in Ulm auf die Instandhaltung von Wasserstofftriebzügen umgerüstet.
2024 wird der H2-Zug dann ein Jahr lang zwischen Tübingen, Horb und Pforzheim im Probebetrieb unterwegs sein. Vorgesehen sind etwa 120.000 Kilometer planmäßiger Bahnbetrieb. Die Strecke eigne sich besonders wegen der für den Regionalverkehr beispielhaften Taktung des Fahrplans und der abwechslungsreichen Topografie, so die Partner.
„Mit diesem Projekt beweisen wir einmal mehr, dass die Deutsche Bahn nicht nur ein Mobilitäts-, sondern auch ein Technologiekonzern ist“, äußert Prof. Sabina Jeschke, DB-Vorstand für Digitalisierung und Technik. „Dass wir den Wasserstoff vor Ort aus Ökostrom herstellen und den Zug so schnell wie einen Dieselzug betanken werden, zeigt: Die klimafreundliche Verkehrswende ist möglich. Wir müssen den Verbrauch fossiler Kraftstoffe auf null bringen. Nur so kann die DB im Jahr 2050 klimaneutral sein. Dann werden wir kein einziges Fahrzeug mehr mit konventionellem Diesel betreiben.“
Die Forschungsarbeit in dem Themenfeld geht derweil weiter: Die Konzerntöchter Siemens Energy und Siemens Mobility haben erst vor wenigen Wochen ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, um gemeinsam Wasserstoffsysteme für Schienenfahrzeuge anzubieten. Zunächst will das Duo eine „Standardlösung für die Wasserstoffinfrastruktur zur Versorgung der Wasserstoffzüge“ entwickeln, später sollen Pilotprojekte und konkrete Kundenprojekte folgen. Siemens Mobility konzentriert sich dabei auf die Ausrüstung der Fahrzeuge, deren Wartung und die entsprechenden Depot-Ausrüstungen. Siemens Energy stellt die Systeme für die Erzeugung des grünen Wasserstoffs bereit. Ein konkreter Zeitplan für die Entwicklung und Pilotprojekte ist noch nicht publik.
Hersteller Alstom ist mit seinem selbst entwickelten H2-Zug namens Coradia iLint unterdessen schon länger im Testbetrieb. Die niederländische Provinz Groningen hat Anfang Oktober die Ergebnisse jener Testfahrten veröffentlicht, die im März 2020 auf einer 65 Kilometer langen Strecke zwischen Groningen und Leeuwarden im Norden der Niederlande absolviert worden sind.
Auch in Großbritannien haben Tests mit dem Wasserstoffzug HydroFLEX begonnen. Die Entwicklung des Modells geht auf eine britische Initiative unter Federführung von Porterbrook, eine der drei großen Leasinggesellschaften für Eisenbahnfahrzeuge in Großbritannien, und dem Centre for Railway Research and Education (BCRRE) der Universität Birmingham zurück. Mit an Bord sind eine ganze Reihe von Unternehmen, darunter Chrysalis Rail, die Denchi-Gruppe, Ballard Fuel Cell Systems und Luxfer. Die britische Regierung unterstützt das Projekt mit einem Zuschuss von 750.000 Pfund, umgerechnet knapp 830.000 Euro.
spiegel.de, deutschebahn.com
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