Plug-in-Hybride: Förderung nur bei genug elektrischer Fahrt
Plug-in-Hybride sollten ab 2021 nur die staatliche Förderung erhalten, wenn der E-Antrieb überwiegend genutzt wird. Das ist das glasklare Ergebnis unserer These des Monats Oktober. Unsere Leserinnen und Leser haben bei der Abstimmung gute Gründe und Ideen für eine clevere PHEV-Förderung geliefert!
** Sie können sich die Auswertung der These hier auch als PDF herunterladen. **
Ende September 2020 veröffentlichte das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI gemeinsam mit dem International Council on Clean Transportation eine Studie, die trotz ihres wissenschaftlich zurückhaltenden Titels „Reale Nutzung von Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeugen“ (PHEV) aufhorchen ließ. Denn sie zeigte, dass diese reale Nutzung bei weitem nicht der versprochenen entsprach. Die Analyse der Daten von 104.709 PHEV – davon 1.385 Privat- und 72 Dienstwagen aus Deutschland – ergab vielmehr, dass der reale Kraftstoffverbrauch von PHEV im Mittel zwei bis vier Mal höher ist als die Hersteller in Testzyklen ermittelt hatten und ihr realer elektrischer Fahranteil im Mittel nur halb so groß wie dort angegeben. Besonders drastisch war diese Abweichung bei Dienstwagen, für die „der mittlere elektrische Fahranteil im Testzyklus bei 63%, aber nur bei circa 20% in der tatsächlichen Nutzung“ lag. PHEV werden offensichtlich zu selten geladen. Darf ihr Kauf dennoch mit Steuererleichterungen und einem Umweltbonus von bis zu 6750 Euro belohnt werden? Nicht unbedingt, schrieben die Studienautoren. Solche Anreize sollten „an den Nachweis von überwiegend elektrischer Nutzung im realen Betrieb gebunden sein“. Vor diesem Hintergrund stellten wir unsere These des Monats Oktober zur Diskussion:
„Plug-in-Hybride sollten ab 2021 nur die staatliche Förderung erhalten, wenn der E-Antrieb überwiegend genutzt wird.“
Wie dicht wir damit am Puls der Zeit lagen, erwies sich, als die PHEV-Task Force der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität am 9. Oktober in einem umfangreichen Bericht ebenfalls eine Neujustierung des Umweltbonus für PHEV empfahl und damit das mediale Echo verstärkte. Unter den Schlagzeilen „Ökobonus für Geländewagen“ und „Die Tücken des Elektro-Booms“ machte beispielsweise die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung das Thema am 18. Oktober zum Aufmacher ihres Haupt- bzw. Wirtschaftsteils.
An unserer Diskussion beteiligten sich insgesamt 354 Leserinnen und Leser von electrive.net, wobei die überwältigende Mehrheit der These vorbehaltlos (302) oder mit Vorbehalten (24) zustimmte. Eindeutig oder mit Einschränkungen ablehnend standen der These nur 16 bzw. 12 Teilnehmer gegenüber. Neutrale Bewertungen kamen nicht vor.
Zeichnet man die Diskussion der These inhaltlich nach, so finden sich darin die folgenden Aussagen. Sie spiegeln ausdrücklich die Auffassung der Diskussionsbeteiligten und nicht die Meinung der Redaktion wider.
Dass der Umweltbonus dazu dienen sollte, Emissionen zu senken, und dies nur dann realisiert werden kann, wenn möglichst viel elektrisch gefahren wird, ist hundertprozentiger Konsens in dieser Diskussion. Jedenfalls ist niemand explizit anderer Meinung.
Manche Diskussionsteilnehmer bezweifeln jedoch, dass sich Plug-in-Hybride überhaupt dafür eignen, der Elektromobilität eine Bresche zu schlagen. „PHEV sind eine völlige Fehlentwicklung: höheres Leergewicht, höhere Wartungsaufwendungen, ungebremster Verbrauch fossiler Brennstoffe und permanentes Blockieren der Ladeinfrastruktur wegen viel zu geringer Ladeleistung“, heißt es etwa in einem Kommentar. Ein anderer lautet: „PHEV sind eine Übergangslösung, industriepolitisch motiviert, ökonomisch und technologisch nicht dauerhaft sinnvoll, weil 2 parallele Antriebssysteme aus Sicht von R&D, Produktion und Betrieb nicht tragen. PHEV sind meist teurer in der Anschaffung, höher im Kraftstoffverbrauch als das reine Verbrenneräquivalent. Förderwürdig nur wenn elektrisch gefahren wird, und zwar mit grünem Strom!“
Plug-in-Hybride seien sinnvoll, „wenn sie artgerecht eingesetzt werden“, meint dagegen eine andere Gruppe von Thesenbefürwortern. Sie seien aber nicht sinnvoll, „wenn sie überwiegend auf Langstrecken eingesetzt werden“. Artgerecht hieße in dem Fall, den elektrischen Antrieb so viel wie möglich zu nutzen. Andernfalls seien „PHEV das Schlechteste aus zwei Welten – Verbrennerabgase, Lärm, hohes Gewicht, Rohstoff- und Erzeugungsthemen der Batterie, Betriebskosten, Wahn nach mehr Dynamik an der Ampel, Alibi-Funktion etc.“, schreibt ein Diskussionsbeteiligter und ein anderer pflichtet ihm mit Blick auf den Umweltbonus bei: „Ansonsten werden Verbrennungsmotoren gefördert, ohne Vorteile für die Umwelt“.
Aber „war diese Förderung nicht von Anfang an dazu gedacht, dass mehr Autos verkauft werden?“, polemisiert einer und fährt fort: „Dass mit einem PHEV auch rein elektrisch gefahren werden kann, ist dabei nur ein netter Nebeneffekt.“ Dem schließt sich mit ähnlichem Tenor ein anderer Kommentar an: „PHEV sind nur ein Feigenblatt, hauptsächlich der deutschen Autoindustrie, für eine verfehlte Antriebsstrategie.“ Im Grunde genommen, so wird vielfach geäußert, dienten diese Fahrzeuge den Herstellern dank ihrer Supercredit-Anrechnungsmöglichkeit vor allem zum Erreichen der von der EU vorgeschriebenen CO2-Flottenziele. Auch ohne Förderung bestünde schon „ein starker Anreiz, PHEV in den Markt zu drücken“. Supercredits plus Umweltbonus seien also ein „zweifacher Betrug an unserer Umwelt. Dieses System befeuert den Klimawandel (und die Renditen).“
Fördergelder für den Kauf von PHEV, zu der „im Sinne der Fragestellung auch die Reduzierung der 1%-Regel“ gehört, sollte es deshalb nur geben, „wenn auch ein erheblicher Umweltvorteil zu erwarten steht“. Diese Meinung vertreten die meisten, aber längst nicht alle Teilnehmer der Diskussion. Viele wollen lieber grundsätzlich keine Förderung für Hybride sehen. „Leider gab es die Option ‚Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sollen gar nicht mehr gefördert werden‘ nicht, sonst hätte ich die gewählt“, schreibt beispielsweise ein Thesenbefürworter – eine Einstellung, die mehr als ein Drittel derjenigen teilen, die genau deshalb die These ablehnen, wie exemplarisch der folgende Contra-Kommentar zeigt: „Plug-in-Hybride sollten keinerlei Förderung erhalten, sondern ausschließlich komplett emissionsfreie Fahrzeuge.“
Fördergelder für den Kauf von PHEV verleiten, so sehen es viele, zum Subventionsbetrug, „denn viele ‚Dieselfahrer‘ kaufen sich einen PHEV ausschließlich wegen der Preisvergünstigung“. Er kenne „Besitzer, die ihren Plug-in noch nie geladen haben“, berichtet ein Diskussionsbeteiligter und ein anderer bekräftigt: „Gespräche mit Fahrern solcher Autos bestätigen die Ansicht, dass sie den E-Antrieb so gut wie nie nutzen.“ Dass macht manche zornig: „Als BEV-Fahrer finde ich es unverschämt, dass überdimensionierte PKW/SUV mit E-Kennzeichen und Förderung bedacht werden. Fahren (oft erlebt) mit Benzin/Diesel, blockieren aber auch Lader/Schnelllader zum Parken.“
Dennoch sei, heißt es an anderer Stelle, solcher Betrug bei Privatleuten vermutlich eher nicht an der Regel. „Wer sich privat einen Plug-in-Hybrid zulegt, wird diesen wahrscheinlich so oft wie möglich laden.“ Das Hauptproblem seien vielmehr Dienstfahrzeuge. „Ganz besonders die Dienstwagen, bei denen der Arbeitgeber den Kraftstoff bezahlt, werden selten geladen. Wer zuhause nach Feierabend lädt, muss den Strom aus eigener Tasche bezahlen. Unterwegs ist der Besitzer in der Regel zu bequem, eine Ladesäule aufzusuchen, und die niedrigen Laderaten bringen ohnehin zu wenig, um bei kurzen Pausen ordentlich Strom nachzuladen.“
Wo ein Wille ist, kann sich freilich auch ein Weg finden, wie dieser Kommentar zeigt: „Fahre seit 6 Jahren einen Outlander PHEV. Der Benzinmotor kommt nur auf Langstrecken zum Einsatz und lädt dabei die Batterie auf. Fahrten auf Landstraßen und in der Stadt erfolgen elektrisch. Zuhause wird mit PV-Strom geladen. Benzinverbrauch 2.9 l/100 km.“ Kritischer klingen zwei andere Praxisbeispiele: „Fahre selbst PHEV. Obwohl ich das Fahrzeug konsequent lade und auf Kurzstrecke fast ausschließlich im E-Modus unterwegs bin, liegt der Verbrauch dennoch mit 3,6 Litern m.E. zu hoch für eine Förderung in der aktuellen Höhe.“ – „Ich bin 3 Jahre PHEV privat gefahren. Ergebnis: 41 km elektrische Reichweite war Herstellerangabe. Realität nach 3 Jahren waren 27 km elektrische Reichweite. 2,1 Liter/100 km war Herstellerangabe. Effektiver Durchschnittsverbrauch über 3 Jahre waren 5 Liter/100 km.“ Darauf ließe sich die spitze Bemerkung eines Diskussionsbeteiligten beziehen, der schreibt: „Für einen Benziner, der nur 5 Liter Sprit braucht, bekomme ich auch keine Förderung.“
Aber wenn wir, wie eine Diskussionsteilnehmerin schreibt, „reale Treibhausreduktionen brauchen und keine Mogelpackungen“, welche Elektroanteilbedingungen sollten PHEV-Nutzer dann erfüllen, um die Kaufprämie zu erhalten, und wie kann die Einhaltung dieser Bedingungen kontrolliert werden? Viele sind skeptisch, dass das ohne unvertretbar hohen bürokratischen und/oder technischen Aufwand überhaupt möglich ist. Auch das Problem des Datenschutzes wird erwähnt. „Ich würde die PHEV ganz aus der Förderung rausnehmen – wie soll man denn die Nutzung sinnvoll prüfen?“, ist ein für diese Skepsis beispielhaftes Statement. Eine Teilnehmerin weist zudem darauf hin, dass eine von der Nutzung des E-Antriebs abhängige Förderung eigentlich „ja nur im Nachhinein gewährt werden“ darf, weil es nicht ausreichen kann, dass „die Fahrer vorher versichern, dass sie hauptsächlich elektrisch fahren“.
Unsere Diskussion erbrachte trotz dieser Einwände eine Reihe von Vorschlägen, wie die elektrischen Fahranteile von PHEV durch geeignete Fördervergabe-verfahren und technische Kontrollen gesteigert werden könnten, die nachfolgend zusammengefasst sind:
Vergabeverfahren
- Förderung für PHEV sollte nur gewährt werden, wenn im Gegenzug eine Lademöglichkeit zuhause oder beim Arbeitgeber nachgewiesen wird.
- Für PHEV sollte der Umweltbonus abgestuft vergeben werden. Beginnend bei einer E-Reichweite von 50 km könnte er in 50-er-Schritten bis zu einer Vollförderung bei 200 km angehoben werden. „Je näher man der Vollförderung käme, umso attraktiver wäre dann ein reines BEV.“
- Der Umweltbonus für PHEV sollte gestaffelt ausgezahlt werden, zum Beispiel durch Auszahlung der Hälfte beim Kauf und der anderen Hälfte beim Nachweis einer überwiegend elektrischen Nutzung beim ersten TÜV-Termin.
- Wenn der elektrische Fahrtanteil eines PHEV unte 50% liegt, sollte der Umweltbonus anteilig zurückgezahlt werden müssen. Die Androhung solcher Strafzahlungen würde motivierend wirken.
Technische Kontrollen
- Der Verbrennungsmotor des PHEV wird so gebaut, dass er nur funktioniert, wenn die Batterie zu mindestens 30% geladen ist.
- Der Tankinhalt eines PHEV sollte so begrenzt werden, dass damit nicht mehr als 40% der kombinierten Gesamtreichweite gefahren werden kann.
- Softwareseitig sollte sichergestellt werden, dass PHEV innerhalb von Städten und Ortschaften via GPS automatisch auf Elektroantrieb umstellen. Wenn der Akkuladestand zu niedrig ist, sollte es einen akustischen Warnhinweis geben.
- Ein PHEV sollte zwei Kilometerzähler enthalten, die die fossil und elektrisch gefahrenen Strecken getrennt anzeigen und so eine Gewichtung der Förderung/Besteuerung ermöglichen.
- PHEV werden, den EU-Vorgaben entsprechend, serienmäßig mit On-Board Fuel Consumption Metern (OBFC) ausgestattet, die ihren Kraftstoffverbrauch messen.
- Bei weniger als 70% elektrisch gefahrener Strecke ergeht zunächst eine Warnmeldung an den Fahrer und wenige Kilometer später wird die Leistung des Verbrennungsmotors deutlich reduziert, zum Beispiel auf 30 PS.
- Ähnlich wie bei Dieselfahrzeugen, für die ohne Add Blue kein Fortkommen möglich ist, könnte bei PHEV, die eine kritische Marke elektrischer Nutzung unterschritten haben, eine Weiterfahrt vom Aufladen der Batterie abhängig gemacht werden.
Einige Diskussionsteilnehmer machten sich für Förder-Alternativen stark:
- Sinnvoll wäre es, statt des Elektrofahrzeugs die Batterie als dessen teuerste Komponente zu bezuschussen, und zwar nicht pauschal, sondern nach ihrer rein elektrisch erzielbaren Reichweite.
- Fördergelder sollten besser dafür verwendet werden, Elektroautofahrern kostenlosen oder vergünstigten Fahrstrom zur Verfügung zu stellen.
- Die Förderung von Fahrzeugen sollte komplett abgeschafft und besser in den Ausbau der Ladeinfrastruktur investiert werden.
Quer durch alle Bewertungen zieht sich ein gewichtiges Argument für die Förderung von Plug-in-Hybriden, das sich so umreißen lässt: Die meisten Firmenwagen kommen relativ schnell auf den privaten Gebrauchtwagenmarkt, wo sie auf Käufer treffen, die sowohl persönlich an Elektromobilität interessiert sind als auch die Spritkosten selbst zahlen müssten, so dass sie voraussichtlich häufig elektrisch fahren. „Durch die Förderung kommen also vermehrt Hybride in den Markt, die dann spätestens über den Gebrauchtmarkt erschwinglich und dort auch elektrisch gefahren werden.“
Nur im Contra-Lager wird dagegen argumentiert, Plug-in-Hybride seien die „ideale Brückentechnologie zum Einstieg in die BEV-Welt.“ Wer einmal den Komfort der elektrischen Fahrt genossen habe, lade freiwillig so oft er könne, heißt es in einem Beitrag und an anderer Stelle steht: „Als Übergangstechnologie müssen wir den Hybrid fördern, um viele Menschen in Kontakt mit der E-Mobilität zu bringen. Der Wechsel von Verbrennern direkt zu vollelektrischen Fahrzeugen ist nur etwas für Überzeugungstäter, nicht für die breite Masse.“ Gerade weil PHEV den Menschen auch die Reichweitenangst nehmen sollten, dürfe man ihre „Förderung nicht vom Anteil der elektrisch gefahrenen Strecke abhängig machen“.
Fazit
Die Anschaffung von Plug-in-Hybriden zu fördern, ist kontraproduktiv, wenn diese nicht überwiegend elektrisch gefahren werden. Das ist die vorherrschende Meinung in dieser Diskussion. Eine starke Fraktion meint sogar: Die Anschaffung von Plug-in-Hybriden zu fördern, ist grundsätzlich kontraproduktiv. Hauptsächlich die Hersteller sowie die Fahrer von Firmenwagen profitierten vom Verkauf bzw. vom Kauf von Plug-in-Hybriden, nicht aber die Umwelt. Die Mehrheit der Diskussionsbeteiligten zeigt sich aber Kompromisslösungen gegenüber aufgeschlossen. “Hybridfahrzeuge können eine sinnvolle Lösung für die Mobilitätswende sein, dazu ist es aber nötig, die Vorteile aus beiden Welten so zu nutzen, wie sie bei der Konzeption des Fahrzeugs erdacht wurden.“ Zu diesem Zweck müssen finanzielle Anreize so gesetzt werden, dass sie diejenigen belohnen, die mit ihrem PHEV tatsächlich möglichst viel elektrisch fahren, und nicht pauschal alle, die mit ihrem PHEV theoretisch möglichst viel elektrisch fahren könnten. Das kann über geeignete Vergabeverfahren und technische Kontrollen gesteuert werden, für die im Verlauf der Diskussion kreative Vorschläge gemacht wurden. Fraglich bleibt, ob und wie sich der bürokratische Aufwand dafür in Grenzen halten lässt. Wenn Plug-in-Hybride aber tatsächlich eine Brückentechnologie auf dem Weg in die Elektromobilität sein sollen, betont ein Thesenbefürworter, dann „muss die Brücke auch mal begangen werden, um sie überqueren zu können“.
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