Porsche Taycan 4S: Der reisetaugliche Elektro-Sportwagen
Mit dem Taycan ist Porsche ein Elektroauto gelungen, das trotz sechsstelliger Preise besser verkauft wird als sogar von Porsche zunächst geplant. Das bestätigt auch unser Test, der Taycan 4S hinterlässt nach über 1.700 Kilometern einen tadellosen Eindruck – wenn hier und da nicht die Software wäre.
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Dass Elektroautos langstreckentauglich sind, ist inzwischen klar. Als auf Elektroautos spezialisierter Journalist bin ich in der glücklichen Lage, viele der aktuellen Modelle fahren und testen zu können. Neben den eigenen Erfahrungen verfolgen wir natürlich auch die Berichte vieler Kollegen, Blogger und YouTuber. Soll heißen: In der Regel hat man vor dem Einsteigen bereits einen ganz guten Eindruck, was auf einen zukommt – positive und negative Überraschungen natürlich nie ausgeschlossen.
Dennoch gibt es immer wieder Modelle, bei denen selbst die Erfahrung und der Blick auf die technischen Daten nicht das Erlebnis widerspiegeln. Natürlich machen eine Normreichweite von bis zu 463 Kilometern (mit einer geschätzten realistischen Reichweite von 360 Kilometern) und vor allem das 800-Volt-System mit einer Ladeleistung von bis zu 270 kW klar, dass der Porsche Taycan in der stetig länger werdenden Liste von Elektroautos ein herausragendes Modell ist. Das in der Praxis zu erleben, ist dann doch etwas anderes – Papierform hin oder her.
Zum Test hat Porsche einen Taycan 4S mit der Plus-Batterie gestellt – also die reichweitenstärkste Variante des Taycan. Der Stromspeicher fasst 93,4 kWh brutto, von denen 83,7 kWh netto nutzbar sind. Die 4,96 Meter lange und 1,38 Meter hohe Limousine ist in einem auffälligen „Mambagrün Metallic“ lackiert.
Ab auf die Autobahn, Langstrecken-Fahrt Nummer 1: Bosch hat zu einem Termin in das Prüfzentrum Boxberg geladen (den entsprechenden Artikel hierzu finden Sie hier), rund 380 Kilometer entfernt. Die Batterie des Taycan ist zu 80 Prozent geladen, die Autobahn auf den ersten 100 Kilometern nass – anfangs bei rund zehn Grad Außentemperatur, später bis zu 15 Grad. Im morgendlichen Berufsverkehr geht es im Range-Modus durch das Rheinland Richtung Süden. In diesem Modus wählt der Taycan den effizientesten Antrieb – dabei kann es sogar sein, dass der Taycan zeitweise nur den vorderen Motor nutzt und temporär zu einem Porsche mit Frontantrieb wird. Prognose der Software: Mit 34 Prozent bei Fastned in Limburg ankommen und in elf Minuten auf 61 Prozent laden.
Da die Fahrt sparsamer war als kalkuliert, sinkt die Ladezeit bis zur Ankunft auf nur noch neun Minuten. Der Gang zu dem nahegelegenen Fastfood-Restaurant für einen Toilettenbesuch und Kaffee hat länger gedauert. Auf dem Rückweg zum Auto meldet sich bereits die App, dass eine Weiterfahrt möglich sei. Später auf der Strecke warnt das Navi noch zuverlässig vor einem Stau und plant die Route um. Ankunft in Boxberg mit 7 Prozent State of Charge.
Das Problem: Bosch hatte im Vorfeld bereits versichert, dass vor Ort zwei AC-Ladesäulen mit insgesamt vier 22-kW-Ladepunkten installiert sind – konnte aber nicht zusagen, ob diese bei Ankunft auch frei sind. Wegen der Stau-Umfahrung liegt die im Vorfeld ausgesuchte HPC-Station an der Raststätte Ob der Tauber West für einen kurzen Puffer-Ladestopp nicht mehr auf der Strecke. Der Taycan plant die Umfahrung so, dass man sicher am Ziel ankommt – so weit, so gut. Die im Menü versteckte Option, mit der man den geplanten Ladezustand am Ziel einstellen kann, finde ich während der Fahrt nicht. In der Anzeige während der Routenführung wird diese unter Umständen (siehe Stau-Umfahrung) wichtige Option nicht angeboten.
Zum Glück war bei Bosch ein Ladeplatz frei, während des Termins konnte der Taycan über 20 kWh nachladen. Genug Strom, um auf dem Rückweg den 150-kW-Lader von EnBW in Ob der Tauber Ost überspringen und bis zur Ionity-Station Spessart Nord weiterfahren zu können. Dort mit noch elf Prozent angekommen, ist der Taycan in einer seiner Parade-Disziplinen – niedriger Ladestand und warm gefahrener Akku sind beste Voraussetzungen für hohe Ladeleistungen. Noch bevor ich den Ladevorgang starten konnte, stand der Fahrer eines ebenfalls dort ladenden e-Golfs hinter mir. „Ich will mal schauen, ob der wirklich so schnell laden kann“, sagt er. Ergebnis: Er kann. 264 kW in der Spitze, nach einer weiteren Kaffee-Pause, einem Gespräch mit der in einem e-tron quattro angekommenen Familie (erste Frage: „Hat der fünf Sitze?“ Antwort: Er hat fünf Gurte, aber kaum einen vollwertigen Mittelplatz) geht es weiter.
Software-Bug für 140 Kilometer Umweg
Dieses Mal aber nicht im sparsamen Range-Modus, der den Taycan auf 150 km/h begrenzt. Im Normalmodus beschleunigt der Taycan mühelos auf weit über 200 km/h. Dafür steigt der Verbrauch – und die Kalkulation ist dahin. Zugegeben: Ich hätte ohnehin noch einen Ladestopp eingeplant. Da ich zu Hause nicht laden kann, war noch ein kurzer Halt bei Ionity in Ohligser Heide Ost fällig geworden – auch wenn der Porsche sagt, dass er bis zum Ziel in Düsseldorf kommt. Da der Taycan von meinem Plan mit Ohligser Heide nichts weiß und die Ladung im Spessart exakt bemessen war, plant die Software nach dem kleinen Zwischenspurt mit erhöhtem Verbrauch einen Stopp ein, wie bereits auf der Hinfahrt bei Fastned in Limburg.
Da die Fastned-Station allerdings einige Meter abseits der Autobahn-Ausfahrt in einem Gewerbegebiet liegt, ist mir der Zeitverlust der Anfahrt für den auf gerade einmal zwei Minuten angesetzten Ladestopp zu hoch – zumal ich weiß, dass noch HPC-Ladepunkte direkt an Autobahn-Raststätten direkt auf der Strecke liegen. Nur ist der Taycan mit der Entscheidung, den Ladestopp bei Fastned auszulassen, nicht einverstanden. Bei jeder Möglichkeit fordert das Navi auf, zu wenden und nach Limburg zu fahren. Selbst noch 70 Kilometer weiter in Bad Honnef auf der Höhe des dortigen Ionity-Parks will das Navi unbedingt in Limburg laden und dafür einen Umweg von 140 Kilometern verursachen. Das einfache Neuberechnen der Route scheint bei dem geplanten Ladestopp ausgesetzt zu haben. Erst ein Abbruch der Routenführung und der erneute Start bringt dann auch den Ladestopp an der Ohligser Heide. Bei Porsche ist dieser Software-Bug bekannt und soll behoben werden. Er kann offenbar auftreten, wenn der Verbrauch wegen einer geänderten Fahrweise höher ausfällt als kalkuliert oder der Fahrer den Modus wechselt – in „Range“ rechnet der Taycan mit anderen Werten als in „Sport“.
Beim Ladestopp an der Ohligser Heide hat sich ein Nachteil der Ladeports im Taycan gezeigt. Diese sind jeweils zwischen Vorderrad und Türe positioniert, der CCS-Anschluss ist auf der Beifahrerseite. Wenn man mit dem Taycan genau in der vorgesehenen Parklücke steht, kann an einigen Stationen das fest angeschlagene HPC-Kabel zu kurz sein. Man bekommt es zwar noch meist auf die Beifahrerseite geführt, allerdings berührt das Kabel dann die Stoßstange. Sobald das Kühlmittel durch das Kabel gepumpt wird und dieses vibriert, kann das zu kleinen Kratzern im Lack führen. Weiter links parken konnte ich in diesem Fall nicht, da die linke der vier Ladesäulen mit einem Verbrenner zugeparkt war. Selbst dann hätte der Taycan teilweise auf dem Parkplatz der zweiten Säule stehen müssen, um mit dem Kabel bequem an den Ladeport zu kommen.
Fazit des Tages: Knapp 750 Kilometer in 6:20 Stunden. Zeitverlust im Vergleich zum Verbrenner quasi nicht vorhanden, weil ohnehin Erfrischungs- und Verpflegungspausen notwendig waren – und diese länger gedauert haben als die nötige Ladepause. Durchschnittsverbrauch 21,3 kWh/100km auf der gemütlichen Hinfahrt, auf der abschnittsweise zügiger zurückgelegten Rückfahrt mit 22,1 kWh/100km nur ungleich höher.
Ja, der Software-Bug hat genervt und die nicht gefundene Funktion zum Anheben des Ziel-SoC hätte zu einem unangenehm langen Ladestopp an einem öffentlichen AC-Lader in der Nähe von Boxberg führen können. Eine Funktion, die aber etwas mehr gestört hat, war der Spurhalteassistent – aus zwei Gründen. Zum einen warnt er auf der Autobahn recht penetrant vor einem Verlassen der Spur und das nicht nur bei Gefahr. Auch auf einer komplett leeren Straße erinnert das System stets daran, sehr mittig in der eigenen Spur zu fahren. Selbst wenn man bewusst etwas weiter an den Rand der Spur fährt – etwa weil der Nebenmann selbst kurz davor ist, seine Spur zu verlassen und unangenehm nahe kommt – warnt der Spurhalteassistent. Ja, er macht nur seinen Job, übertreibt es aber hier und da, vor allem bei der Kommunikation mit dem Fahrer. Wenn das System die Spur nicht mehr zuverlässig erkennen kann, ploppt eine Meldung im Display auf. Diese jedes Mal wegzudrücken lenkt vermutlich mehr ab als die kurzzeitig ausbleibende Unterstützung des Assistenzsystems. Natürlich ist es wichtig zu wissen, ob das System funktioniert oder nicht. Eine kleine Status-LED oder ein Symbol hätten aber auch gereicht.
Kalte Batterie begrenzt Ladeleistung, heizt aber schnell auf
Am nächsten Tag geht es im abendlichen Berufsverkehr nach Hilden, der Schnellladepark „Seed & Greet“ wird eröffnet. Auf der vollen Autobahn im Range-Modus verbraucht der Taycan 4S 20,7 kWh/100km. Dabei wurde der Akku nicht richtig warm, während der Veranstaltung parkt der Wagen rund zwei Stunden bei einstelligen Außentemperaturen. Als ich ihn zum Laden nach dem Ende der Reden an eine der Fastned-Hypercharger anschließe, liegt die Ladeleistung bei rund 50 Prozent SoC nur bei etwa 80 kW. Nach nur wenigen Minuten erwärmt sich die Batterie, die Leistung steigt auf über 150 kW. Scheint so, als ob das Batteriemanagement bei niedrigen Temperaturen eher vorsichtig agiert, aber dann recht zügig die Leistung freigibt.
Wiederum einen Tag später steht die nächste Langstrecke an: 430 Kilometer von Düsseldorf aus in die Nähe von Stuttgart. Dank des Ladevorgangs bei Fastned am Vortag ist der Akku noch zu über 90 Prozent gefüllt. Im freitagnachmittäglichen Berufsverkehr mit einigen Staus liegt das Durchschnittstempo nur bei 82 km/h. Da ohnehin selten mehr als 130 km/h möglich sind, ist der Taycan wieder im Range-Modus unterwegs. Der Klimakomfort wird im Gegensatz zu anderen Autos von der Eco-Einstellung nicht zwingend beeinflusst, die Klima-Steuerung kann separat erfolgen. Aber auch hier lässt sich auf Wunsch Energie sparen.
Den einzigen Ladestopp auf der Strecke plant der Taycan bei EnBW in Hockenheim West ein. Eine interessante Wahl, denn dort steht „nur“ ein Hypercharger mit 150 kW Leistung. Entlang der Strecke wären auch 300-kW-Ladepunkte verfügbar. Aber: Die Software hat errechnet, dass es mit dem erwarteten Ladestand bei Ankunft, dem Zeitverlust beim Verlassen der Autobahn und der benötigten Energiemenge die schnellste Möglichkeit ist. Neun Minuten soll der Ladevorgang nach 310 Kilometern Fahrt dauern.
Der Taycan 4S hält länger durch als der Fahrer
Sagen wir so: Ich habe es durchgezogen. Oder es zumindest versucht. Nach verkehrsbedingt beinahe vier Stunden Fahrt wäre eine Pause eigentlich früher fällig gewesen. Aber zu Testzwecken wollte ich dem Taycan-Plan folgen und neun Minuten in Hockenheim laden. Geklappt hat das nicht: Nach der Rückkehr von der Toilette begutachtete ein Lkw-Fahrer den mambagrünen Porsche – und wollte wissen, „ob das noch ein echter Porsche“ sei. Um Ladeweile muss man sich im Taycan keine Gedanken machen. Zum einen, weil die Ladepausen recht kurz sind. Zum anderen, weil immer jemand sich nach dem Auto erkundigt. Nach 14 Minuten kann ich den Ladevorgang beenden.
Am Ziel angekommen sind wegen der Extra-Minuten am Schnelllader noch 12 statt der von der Software zuvor geplanten 7 Prozent im Akku. Der Puffer war nach der Abfahrt in Hockenheim noch etwas größer, aber das konnte man dann auf der sich leerenden Autobahn nutzen.
Über Nacht stand das Auto draußen, wiederum bei einstelligen Temperaturen. Am nächsten Morgen ging es mit dem kalten Auto zu einer acht Kilometer entfernten HPC-Säule. Die Strecke war zu kurz, um den Akku ausreichend vorzuheizen. Selbst bei dem Ladestand von rund zehn Prozent konnte der Taycan natürlich nicht die sonst üblichen Ladeleistungen erreichen. Auffällig ist, wie zügig die Ladeleistung dann aber steigt. Auf Nachfrage bestätigt ein Porsche-Sprecher diese Einstellung zum Bauteilschutz der Zellen. Da der Strom trotz des 800-Volt-Systems entsprechend hoch ist, erwärmen sich die Zellen zusätzlich zum Thermomanagement zügig.
Keine Limitierung beim HPC-Laden
Übrigens: Laut Porsche gilt die Batterie-Garantie (80 Prozent der nutzbaren Kapazität nach acht Jahren oder 160.000 Kilometer) auch bei ausschließlichem Schnellladen. Eine vom Hersteller programmierte Begrenzung der Ladeleistung nach zu vielen HPC-Ladevorgängen soll der Taycan nicht haben. Dennoch führt Porsche zum Modelljahrgang 2021 eine Funktion namens „batterieschonendes Schnellladen“ ein, welche die Ladeleistung auf Wunsch auf 200 kW begrenzt. Wer das Auto least und nach zwei oder drei Jahren zurückgibt, wird das unter Umständen weniger nutzen. Wer seinen Taycan aber lange fahren will und das zweifelsohne belastende Schnellladen etwas abmildern will, kann das mit einem geringen Zeitverlust aktivieren.
Dennoch dauert unser Kalt-Ladevorgang etwas länger als mit warmer Batterie an der Autobahn. Zeit, sich ein wenig im Fahrzeug umzuschauen. Im Innenraum selbst ist vieles Geschmacksache. Fakt ist, dass der Taycan absolut hochwertig verarbeitet ist. Die Materialien fassen sich gut an (gerade an wichtigen Kontaktpunkten wie dem Lenkrad) und wirken haltbar. Persönlicher wird es, wenn es um das grundsätzliche Layout des Cockpits geht. Porsche hat sich hier für einen Sportwagen-artigen Ansatz entschieden, die ansteigende Mittelkonsole und Gestaltung der Türe umschließen den Fahrer, der Blick wird auf das gebogene Fahrerdisplay geführt. Einige mögen genau dieses Fahrer-fokussierte Cockpit und erwarten es bei Porsche. Andere bevorzugen eine offenere Gestaltung des Innenraums, obwohl sie gerne Fahrwerk und Antrieb eines Porsches nutzen wollen.
Beifahrer-Display fragwürdig, gebogenes Fahrer-Display top
Zusammen mit dem konventionelleren Innenraum-Konzept fällt auch das Bedien-Konzept aus. Auf der Mittelkonsole ist der übliche Touchscreen des Infotainmentsystems (von Porsche PCM genannt) verbaut, das Navigationssystem, Audiosystem, Telefonie und das Menü abdeckt. Sämtliche Klima-Funktionen wurden in den darunter liegenden Touchscreen verbaut, der in der ansteigenden Mittelkonsole sitzt. Dieses Display verfügt auch über ein haptisches Feedback. Das macht die Bedienung etwas einfacher, aber blind lässt sich die Sitzheizung auch damit nicht regulieren. Dazu kommt in unserem Testwagen das PCM-Display auf der Beifahrerseite: Über einen eigenen Touchscreen kann der Beifahrer etwa den Radiosender oder die Playlist wechseln, ohne dabei das Mitteldisplay nutzen zu müssen, welches zum Beispiel dem Fahrer weiterhin die Navi-Karte anzeigen kann. Ob dieses Feature sinnvoll ist, muss sich jeder Taycan-Interessent selbst überlegen. In unserem Test haben wir es kurzzeitig für Beifahrer als eigenes Tacho-Display genutzt. Den überwiegenden Teil der Zeit war das Zweit-Display aber deaktiviert.
Das gebogene Instrumenten-Display des Fahrers hat im Test mit seinem blendfreien Glas überzeugt. Das freistehende Display ist kaum vor Lichteinfall geschützt, dennoch war es auch bei tief stehender Herbstsonne zu jedem Zeitpunkt einwandfrei ablesbar. Mit den verschiedenen Darstellungs-Optionen (vor allem der Navi-Karte auf der Autobahn) wird sogar ein Head-up-Display gut ersetzt. Angenehm ist auch der reduzierte Modus, der etwa in der Nacht bis auf die Geschwindigkeit und gesetzlich vorgeschriebene Anzeigen das Display schwarz schaltet. Nicht intuitiv ist aber die Bedienung: Die drei individualisierbaren Display-Bereiche müssen zunächst über die Lenkradtasten angewählt werden, bevor dann die Anzeige selbst geändert werden kann. Nicht weltbewegend, aber braucht etwas Übung.
Auf der Rückbank fallen die berühmten „Fuß-Garagen“ des Taycan (also Aussparungen in der Batterie) positiv auf, der Knie-Winkel ist tatsächlich angenehmer als in anderen E-Limousinen. Den Blick durch das große Glasdach können in der Regel nur die Fond-Passagiere wirklich genießen, auf den vorderen Plätzen bekommt man davon kaum etwas mit. Der Nachteil des Glasdachs: Es mündet direkt über den Kopfstützen der Rücksitze in dem tragenden Quer-Holm. Je nachdem, wie groß die Mitfahrenden sind, kann das die Kopffreiheit einschränken. Abhilfe schafft hier wohl erst die Kombi-/Shooting-Brake-Version des Taycan namens Cross Turismo. Dieser bietet dann auch mehr Platz im Kofferraum, auch wenn die 366 Liter hinten meist ausreichen. Die 81 Liter des vorderen Kofferraums sind mit dem Ladekabel und dem Porsche Mobile Charger gefüllt.
Reisetauglicher Sportwagen statt sportliche Reiselimousine
Um die Passagiere auf der Rückbank geht es im Taycan aber nur bedingt. Er will lieber ein reisetauglicher Sportwagen als eine sportliche Reiselimousine sein. Dass er ein Sportwagen ist zeigen nicht nur die 420 kW Spitzen- oder die 360-kW-Dauerleistung, sondern auch sein Fahrverhalten. Die Lenkung ist zwar etwas leichtgängiger als in einem Panamera, aber immer noch sehr direkt und präzise. Im Sport-Modus liefert auch das Fahrwerk mehr Feedback, während es im Normal- oder Range-Modus ein komfortabler Kompromiss ist.
Die Reifen auf den 20-Zoll-Aero-Felgen des Testwagens bauen eine gute Haftung auf, mit dem tiefen Schwerpunkt der Batterie fährt sich der Taycan erstaunlich neutral durch schnelle Kurven. Ja, das ist noch ein Porsche. Auch wenn er nicht nach Sechszylinder-Boxermotor klingt. Im selben Atemzug, in dem man das Fahrverhalten des Taycan lobt, muss man aber auch einschränkend sagen: Das gilt nur auf trockener Straße. Bei Nässe ist der Taycan ein schweres Auto (2,38 Tonnen) mit breiten Reifen. In Kurven kann da das Fahrzeug schon einmal nach außen drängen und untersteuern.
Vor der letzten Langstreckenfahrt zurück nach Düsseldorf steht noch ein letzter Test an: das Laden an der Steckdose. Hierfür legt Porsche dem Taycan den Porsche Mobile Charger Connect bei. Über einen Adapter kann entweder per Schuko-Steckdose oder CEE32-Drehstromanschluss geladen werden – weitere Adapter sind erhältlich. Über das Touch-Display kann zum Beispiel die Stromstärke in Zwei-Ampere-Schritten geregelt werden, um die Steckdose zu entlasten. Aus Flotten-Sicht interessant: Über das Display kann ausgewählt werden, ob privat oder dienstlich geladen wird. Beide Statistiken können über die Porsche-Connect-App ausgelesen werden und so zum Beispiel der dienstlich verbrauchte Strom mit dem Arbeitgeber abgerechnet werden.
21,8 kWh/100km im Schnitt – nach 1.720 Kilometern
Auf der letzten Langstrecke wähle ich bewusst nicht den Range-Modus, auch wenn dieser die von Porsche angegebene „Langstreckenreichweite“ von 365 Kilometern locker bietet. Laut WLTP sind es bis zu 463 Kilometer, mit unserem Testwagen mit den Aero-Felgen haben sich rund 400 Kilometer auf dem Bordcomputer als realistisch erwiesen. Im Normal- und Sportmodus stieg der Autobahn-Verbrauch auf 23,9 kWh/100km.
In der Summe stehen nach 1.720 Kilometern in 19:16 Stunden 375 verbrauchte Kilowattstunden, also 21,8 kWh/100km. Dabei war der Taycan im Schnitt 89 km/h schnell. Auf den zahlreichen Autobahn-Kilometern war der Zeitverlust im Vergleich zu einem Verbrenner nicht mehr vorhanden, wenn nicht sogar schneller: Der Benziner muss zuerst getankt werden, dann den Platz an der Zapfsäule frei machen und erst dann in der Raststätte auf die Toilette. Mit dem Taycan gilt: Das Auto ist schneller wieder bereit als der Fahrer. Unser langsamerer, aber bewusst herbeigeführter Kalt-Ladevorgang an der HPC-Säule hätte auch einfach durch ein Über-Nacht-Laden zu Hause ersetzt werden können. Zeitverlust hier zum Kabel einstecken: Zehn Sekunden.
Ob der Taycan nun besser mit einem ebenfalls fahraktiven, aber günstigeren und effizienteren Tesla Model 3 Performance oder doch einem Model S verglichen werden sollte, ist am Ende eine akademische Frage. Porsche ist ein technisch sehr, sehr gutes und ein emotionales Elektroauto gelungen. Andere mögen etwas sparsamer sein, aber so hoch ist der Verbrauch des Taycan 4S bei normaler Fahrweise auch nicht. Andere mögen futuristischer sein und eine noch bessere Connectivity bieten, einige werden diese Funktionen aber nicht wollen und auch nicht nutzen. Die aktuelle Nachfrage scheint zumindest nahezulegen, dass der Bedarf nach einem solchen Auto vorhanden ist.
Details angefangen bei der (von Bugs abgesehen) durchdachten Routenführung mit Ladestopps über die variable Abstimmung des Elektroantriebs hin bis zu dem Mobile Charger zeigen, dass Porsche das viel zitierte „Ökosystem Elektromobilität“ verstanden hat. Daher macht der Taycan vor allem Lust auf eines: Mehr davon, bitte!
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