Konflikt zwischen VW-Chef Diess und Betriebsrat bricht wieder auf

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Nur wenige Monate nach dem letzten größeren Konflikt mit den Arbeitnehmer-Vertretern, der im Verlust des Postens als Markenchef endete, sucht VW-Konzernchef Herbert Diess offenbar wieder die Konfrontation. Laut einem Medienbericht könne die aktuelle Entwicklung sogar in einer „kurzfristigen Ablösung“ von Diess münden.

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Einem Bericht des „Handelsblatt“ zufolge soll VW-Konzernchef Herbert Diess eine Verlängerung seines Vertrags anstreben. Dieser läuft noch bis April 2023. Da Diess aber auch eine vorzeitige Verlängerung dränge, werde sich der Aufsichtsrat bzw. das Aufsichtsratspräsidium wahrscheinlich „bereits in den nächsten Tagen“ mit dem Thema befassen.

Laut einem Insider wolle Diess mit der Vertragsverlängerung eine Bestätigung seitens des Aufsichtsrats für seinen aktuellen Kurs erhalten. Diess habe seine Wünsche gezielt platziert und es brauche nun eine Entscheidung, zitiert das „Handelsblatt“ Konzernkreise.

Aber: Der Betriebsrat will dem Vorhaben wohl nicht zustimmen. Sowohl die Arbeitnehmer als auch die Familien Porsche/Piech und das Land Niedersachsen als größte Anteilseigner seien von dem Vorstoß überrascht worden. Ein Interesse an einer Eskalation des Konflikts habe derzeit keine der Parteien. Laut dem „Handelsblatt“ sei es aber denkbar, dass Diess und der Aufsichtsrat „keine gemeinsame Linie“ mehr finden würde – und statt einer Vertragsverlängerung eine kurzfristige Ablösung drohe.

Im Frühsommmer war es zu einer Eskalation im Dauer-Konflikt zwischen dem VW-Chef und dem Betriebsrat gekommen. Diess sah sich durch IG-Metall-Vertreter in der Öffentlichkeit diskreditiert und in der Folge dem Aufsichtsrat Gesetzesbrüche vorgeworfen, ohne aber Belege zu liefern – es sollen vertrauliche Informationen, die nur einem kleinen Personenkreis zugänglich waren, an Medien weitergeleitet worden. Das Leck sah Diess offenbar auf der Arbeitnehmerseite.

Da der nicht belegte Vorwurf des Gesetzesbruchs das Vertrauen des Aufsichtsrats in Diess erschüttert hatte, stand damals sogar eine Trennung im Raum und wurde sogar konkret vorbereitet. Am Ende entschied sich das Kontrollgremium aber für eine leichtere Variante: Diess wurde die Marke VW entzogen (und an Ralf Brandstätter übertragen), Konzernchef durfte er aber bleiben.

In der vergangenen Woche hatte sich das Verhältnis zu den Arbeitnehmer-Vertretern aber wieder verschlechtert. Bei LinkedIn schrieb Diess: „Bei meinem Amtsantritt in Wolfsburg habe ich mir fest vorgenommen, das System VW zu verändern.“ Vor allem in der Konzernzentrale sei ihm das aber nicht gelungen. Am vergangenen Freitag zu einem Festakt zum 75-jährigen Bestehen des Betriebsrats bei Volkswagen war Diess gar nicht eingeladen. In seinem Grußwort mahnte er aber, dass Effizienzsteigerungen notwendig und für den Fortbestand von Unternehmen nicht zu unterschätzen seien. „Hier haben wir bei Volkswagen noch Nachholbedarf“, so Diess.

Für dieses Ziel, die „Festung Wolfsburg“ zu ändern, will Diess nun die Bestätigung des Vorstands. Dabei geht es aber nicht nur um die Personalie Diess selbst, sondern auch andere Vorstands-Besetzungen. Finanzvorstand Frank Witter will 2021 in den Ruhestand. VW-Sanierer Diess will seinen Vertrauten Arno Antlitz nach Wolfsburg holen, der derzeit das Finanz-Ressort bei Audi leitet. Da es in seiner Zeit als Finanzchef der Marke VW immer wieder Konflikte mit dem Betriebsrat gab, soll Betriebsratschef Bernd Osterloh Antlitz „rundherum“ ablehnen, so das Handelsblatt.

Eine weitere mögliche Änderung auf Vorstandsebene betrifft die Marke Volkswagen: Wie der „Business Insider“ aus Unternehmenskreisen erfahren haben will, soll ab Ende 2021, wenn in Zwickau fast nur noch Elektro-Autos produziert werden und der ID.4 seinen Markteintritt gefeiert hat, der von Thomas Ulbrich bekleidete Posten des Elektrovorstands deutlich entmachtet werden. Die Aufgaben und die angeknüpften Strukturen sollen dann wieder in die „Gesamtorganisation der Produktion“ bei VW wieder eingegliedert werden. Elektroautos sollen bis dahin „Mainstream“ bei Volkswagen sein und keine gesonderte Organisation mehr benötigen.

Spätestens in einem Jahr würde e-Mobility-Vorstand Thomas Ulbrich demnach neue Aufgaben erwarten. Laut dem Bericht sei es möglich, dass Ulbrich – früher bereits mehrere Jahre Vice President bei SAIC-VW – nach China gehe. Konkret zu dem Joint Venture mit JAC. Dieses Gemeinschaftsunternehmen soll an der Entwicklung des MEB-Kleinwagens von Volkswagen beteiligt werden.

Update 02.12.2020: Herbert Diess bleibt zunächst Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns. Das Präsidium des Aufsichtsrates hat am Dienstagabend noch keine Entscheidung über eine mögliche vorzeitige Vertragsverlängerung getroffen. Damit ist Diess vorerst weder das gewünschte Vertrauen ausgesprochen noch das Vertrauen in seinen Kurs entzogen. Das Präsidium besteht aber nicht aus allen Mitgliedern des Aufsichtsrats, dort werden bei VW aber in der Regel die richtungsweisenden Entscheidungen getroffen – die restlichen Aufsichtsratsmitglieder folgen in der Regel der Position des jeweiligen Präsidiumsmitglieds ihrer Fraktion.

Im Vorfeld der Präsidiumssitzung am Dienstagabend, bei der auch Diess persönlich seine Sicht der aktuellen Lage vorgetragen haben soll, wurde in Konzernkreisen offenbar auch ein Rücktritt von Diess vor möglich gehalten, sofern er sich nicht durchsetzen könne – auch bei den von ihm gewünschten Personalien für das Finanz- und Einkaufsressort. Aber es hieß auch, dass sich alle wichtigen Gruppen im Aufsichtsrat eine weitere Zusammenarbeit mit Diess vorstellen könnten.

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, soll der gesamte Aufsichtsrat in der kommenden Woche tagen. Aber auch dabei könnte es noch keinen Beschluss zur Causa Diess geben. Auch die offenen Vorstandsposten sollen dann wohl noch nicht besetzt werden. Das „Handelsblatt“ zitiert Unternehmenskreise, laut denen dafür noch „bis zum Frühjahr Zeit“ sei.

Dafür gibt es aber einen anderer Rücktritt einer Spitzen-Personalie bei Volkswagen: Wie ein VW-Sprecher der „Automobilwoche“ bestätigte, wird eMobility-Vorstand Thomas Ulbrich im kommenden Jahr den Konzern verlassen. „Herr Ulbrich verlässt das Unternehmen aus rein privaten Gründen nach einer extrem intensiven Arbeitsphase“, so der Sprecher der Automobilwoche. Der konkrete Termin stehe noch nicht fest. „Thomas Ulbrich hat sich in beispielloser Weise für das Unternehmen eingesetzt.“

Zugleich wies der Sprecher Berichte zurück, Ulbrich verlasse den Konzern im Streit mit Konzernchef Herbert Diess.  Zuvor hatte das „Handelsblatt“ über den möglichen Abgang Ulbrichs berichtet. Demnach sollte der eMobility-Vorstand das Angebot, zum China-Joint-Venture mit JAC zu wechseln, ausgeschlagen haben. Stattdessen werde der 54-Jährige wohl den Konzern in naher Zukunft verlassen und vorzeitig den intern zur Disposition stehenden Posten des Vorstands für das Ressort E-Mobilität der Kernmarke VW räumen, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf Konzernkreise.

Die Verantwortung für das JAC-Projekt, also vor allem für die Entwicklung des Elektro-Kleinwagens für den Konzern, soll Ulbrich mit der Begründung abgelehnt haben, der Posten sei ein Rückschritt in der Konzernhierarchie. Heute ist Ulbrich Mitglied des VW-Markenvorstandes. Von dem JAC-Posten aus hätte Ulbrich an VW-China-Chef Stefan Wöllenstein berichten müssen – derzeit sind Wöllenstein und Ulbrich auf derselben Hierarchiestufe. Da es offenbar kein anderes internes Angebot für Ulbrich gab, zieht dieser den Rückzug aus dem Konzern offenbar vor – Ulbrich ist seit 1992 bei Volkswagen.

In seiner Funktion als eMobility-Vorstand ist Ulbrich vor allem für die Produktion der MEB-Modelle verantwortlich. Intern ist die Bewertung von Ulbrichs Tätigkeit offenbar gespalten: Einige monieren die Probleme und Verzögerungen beim ID.3 – andere geben an, dass es ohne Ulbrichs Arbeit viel schlimmer gekommen wäre und sehen ihn als „Retter des ID.3“. Ein Topmanager gab gegenüber dem Handelsblatt an: „Wir verlieren einen unserer besten Leute.“ Das Unternehmen hätte Ulbrich einen deutlich besser dotierten Posten anbieten müssen – als Anerkennung für die geleistete Arbeit in Zwickau.

Der Fokus von VW auf die Elektromobilität hat eine weitere, wenn auch weniger weitreichende Folge: Die Marke Volkswagen wird ihre Motorsport-Aktivitäten komplett einstellen. Die Belegschaft der in Hannover ansässigen Volkswagen Motorsport GmbH soll in die Volkswagen AG integriert werden. Volkswagen Motorsport hatte bereits im November 2019 angekündigt, keine weiteren Aktivitäten mit Verbrennungsmotor zu starten. Nun erfolgt das komplette Aus der Marke VW im Motorsport, Konzerntöchter wie Audi, Porsche und Cupra sind aber weiter im elektrifizierten Motorsport aktiv.
handelsblatt.com, businessinsider.de (beide Original-Meldung), handelsblatt.com, automobilwoche.de (beide Update Diess), handelsblatt.com, automobilwoche.de (beide Update Ulbrich), kfz-betrieb.vogel.de, volkswagen-newsroom.com (Update Motorsport)

10 Kommentare

zu „Konflikt zwischen VW-Chef Diess und Betriebsrat bricht wieder auf“
Mark Bruford
30.11.2020 um 13:40
Morgen soll es eine Entscheidung geben. Sollte Diess gehen (müssen?): E. Musk ist gerade in Deutschland... ;() Satire off
Albert Dresen
01.12.2020 um 07:24
Interessant wäre, wenn Diess hinschmeißt oder „sich hinschmeißen ließe“ und dann noch ein paar Jahre (er ist 62) etwa als Tesla Europe Chef aktiv würde ;) Ich würde mal nichts ausschließen wollen als potentielle Überraschung - wenn nicht jetzt, dann eben beim nächsten großen Crash auf VW-Executive-Ebene. Die Crashes dort kommen und gehen.
Thomas Tamburin
30.11.2020 um 19:52
Seit wann hat ein Betriebsrat Mitbestimmungsrecht über den CEO Posten? Der Betriebsrat hat sich ausschließlich um Arbeitnehmerrechte zu kümmern.Für die Konzernstrategie sind Vorstand, Top Management und Aufsichtsrat zuständig. Aber doch nicht der Betriebsrat!?
Peter Schwierz
30.11.2020 um 21:40
Bei Volkswagen sitzt der Betriebsrat im Aufsichtsrat – und entscheidet eben mit.
FG
01.12.2020 um 09:07
Nicht nur bei Volkswagen, bei jeder AG in Deutschland:Ein Aufsichtsrat ist bei Unternehmen, die dem deutschen Mitbestimmungsgesetz unterliegen, grundsätzlich paritätisch zu besetzen: zur einen Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer und zur anderen Hälfte aus Vertretern der Aktionäre. Die rechtlich korrekte Zusammensetzung nach dem Mitbestimmungsgesetz ist eine Aufgabe des Vorstands/der Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft. Wird diese Aufgabe vernachlässigt, können unternehmensangehörige Arbeitnehmer oder Gewerkschaften die Einrichtung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats gerichtlich erzwingen. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates wird normalerweise von den Vertretern der Anteilseigner gestellt (vgl. § 27 Abs. 1 und 2 MitbestG). In einem ersten Wahlgang benötigt er 2/3 der abgebbaren Stimmen; bleibt dieser Wahlgang erfolglos, so wählt im zweiten Wahlgang die Anteilseignerseite den Vorsitzenden, die Arbeitnehmerseite den stellvertretenden Vorsitzenden (hierbei genügt jeweils die Mehrheit der abgegebenen Stimmen). Ergibt eine Abstimmung im Aufsichtsrat Stimmengleichgewicht, so hat der Aufsichtsratsvorsitzende bei einer erneuten Abstimmung über denselben Punkt zwei Stimmen. Dieses (Doppelstimmrecht) steht dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden nicht zu (vgl. § 29 MitbestG).Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Aufsichtsrat#Zusammensetzung_und_Wahl_des_Aufsichtsrats
Fritz Grafing
01.12.2020 um 07:14
Auch in anderen Unternehmen sitzen Betriebsräte und Gewerkschaftler mit im Aufsichtsrat, zumal der bei den Konzernen gesetzlich geregelt meist paritätisch aus Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern aufgebaut ist. Aber bei VW ist die Situation in der Tat auch darüber hinaus sehr „speziell“, nicht zuletzt durch die starke Rolle des Landes Niedersachsen als Anteilseigner und somit Mitsprache seitens der Politik. Völlig anders als bei BMW, wo H. Diess herstammt. Aber das wusste er natürlich schon, als er sich 2015 von F. Piëch nach WOB holen ließ ;)
Gerd
01.12.2020 um 08:43
der eine kommt aus der Wirtschaft, die anderen sitzen seit Jahrzehnten im Staatsbetrieb. ...manchmal in Brasilien... eins ist sicher: die Seidenstraße kommt.
Paul
01.12.2020 um 09:47
Das wäre dann wirklich das Ende von VW, denn vermutlich würde mit Diess auch die Elektrostrategie abgewickelt. Elon sollte hier genau hinschauen, das dürfte ein Vorgeschmack auf die kommenden Scharmützel mit Gewerkschaftsfunktionären in Grünheide sein.
Eride
02.12.2020 um 07:45
Grünheide ist blankes Parket für Tesla. Tesla dürfte sich der starken Position der Betriebsräte im deutschen Automobilsektor bewusst sein. Tesla ist in der glücklichen Lage sich ihre Mitarbeiter neu aussuchen zu können. Da ist es ein leichtes auszusieben. Oder denkt jemand, die werden Leute einstellen, die anderswo in Betriebsräten aktiv waren.
Burghardt Diering
01.12.2020 um 10:59
Das mit Betriebsräten und Gewerkschaften mag in Grünheide in der Tat noch „interessant“ werden ;) Vielleicht á la Amazon Deutschland, wo man ja auch seit Jahren viel von Knatsch und Streiks mitbekommen hat und mitbekommt. Am Ende wird Tesla vielleicht noch traurig sein, dass sie nicht 70 Kilometer weiter östlich - und damit haarscharf auf polnischer Gemarkung - gebaut haben. Hätte man dann ja Gigafactory Slubice/Frankfurt(O) nennen können - auch nicht schlecht.

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