Freies Feld für Opel Zafira-e Life und seine Geschwister

Der PSA-Konzern und Toyota bieten den Personen-Transporter Opel Zafira und seine Derivate jetzt auch mit Elektro- statt Dieselmotor an. Das funktioniert richtig gut – wenn auch nicht für alle Anwendungsfälle. Reporter Christoph M. Schwarzer hat den Opel-Kleinbus einer Analyse unterzogen.

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Einatmen. Ausatmen. Entspannen. Im Opel Zafira-e Life stellt sich nach dem Aufsitzen – Einsteigen wäre der falsche Begriff – das typische Busgefühl ein, das viele Menschen eigentlich mit dem Volkswagen „Bulli“ verbinden. In dieser Fahrzeugklasse wurden bisher ausschließlich Dieselmotoren angeboten. Der Opel aber sowie etliche Derivate aus der Kooperation des PSA-Konzerns und Toyota ist ab sofort mit Batterie-elektrischem Antrieb bestellbar. Der Zafira-e Life ist hoch (rund 1,90 Meter), und er ist breit (mit Spiegeln etwa 2,20 Meter). Kann eine solche Schrankwand überhaupt vom Fleck kommen mit ein paar Kilowattstunden (kWh) elektrischer Energie?

Sie kann. Und das sogar ziemlich gut, solange die Erwartungshaltung nicht identisch mit dem Dieselmotor ist. Konkret: Der Testwagen hatte mit 75 kWh (69 kWh netto) die größere der zwei Batterieversionen (Basis: 50 kWh, 46 kWh netto). Der Durchschnittsverbrauch über 882 Kilometer lag bei 29,8 kWh/100 km. Wer den Tempomat auf 120 km/h klemmt (bei Richtgeschwindigkeit wird abgeriegelt), pendelt je nach Windrichtung ebenfalls um 30 kWh/100 km. Daraus ergeben sich 250 km Praxisreichweite. Viel weniger als mit dem Selbstzünder. Dennoch genug für viele Anwendungsfälle.

Respektable DC-Ladekurve

Dazu kommt eine respektable Ladekurve: In der Spitze waren an entsprechenden DC-Säulen gut 100 kW Ladeleistung ablesbar. Bei einem SOC (Abkürzung für State of Charge, also Ladestand) von 50 Prozent waren es noch gut 80 kW und bei SOC 75 Prozent noch rund 50 kW. In der Lebensrealität heißt das: Nach einer Viertelstunde an der Autobahnraststätte (Kaffee holen) waren 17,1 frische kWh in der Batterie. Nach einer halben Stunde vorm Supermarkt waren es 37,6 kWh. Und AC-seitig konnte der Zafira-e jederzeit die angegebene Ladeleistung von elf kW abrufen. Der Dreiphasenlader gehört genauso zur Serienausstattung wie die CCS-Buchse.

Der Minimalverbrauchswert während des Zweiwochentests lag bei 23 kWh/100 km (Bundesstraßentour). Auf kurzen Stadtstrecken können es im Extremfall über 40 kWh werden. Wobei grundsätzlich gilt: Am Komfort wie der Heizung wird bei Außentemperaturen von acht bis 13 Grad nicht gespart. Es erfordert eben Energie, Fahrzeug und Insassen auf Temperatur zu bringen.

Die Nutzbarkeit und deren Begrenzung im Vergleich zu den Dieselantrieben lassen sich also klar benennen. Eine Einschränkung gibt es auch bei der Anhängelast, die von 1,8 bis 2,3 Tonnen beim Verbrennungsmotor auf eine Tonne sinkt. Die Fahrleistungen (13,3 bzw. 12,1 Sekunden für 75 bzw. 50 kWh bis 100 km/h) liegen ungefähr auf dem Niveau der mittelstarken Selbstzünder. Den Punch eines Tesla darf man hier nicht erwarten.

Viel höherer Komfort als mit Dieselmotor

Den stärksten Kontrast im Alltag machen die klassischen Elektroauto-Tugenden aus: Unter den Füßen gibt es kein Gerumpel und kein Nageln. Hier vibriert nichts, und es klappert auch nichts. Geschmeidiges Gleiten. Wunderbar. Und auch am Surfstand ist klar, dass man vorerst der einzige ist, der nicht abstinkt.

Zusätzlich deutlich anders als bei den Bussen mit Dieselmotor ist das Kurvenverhalten. Die Batterie wirkt wie ein Kiel beim Segelboot. Die Wankneigung ist ungleich geringer und die Fahrsicherheit dadurch höher. Naturgemäß ist ein 2.381 kg schweres (Zuladung: 679 kg) quasi-Nutzfahrzeug nicht sportlich. Aber die Präzision auf kurvigen Landstraßen und der Sicherheitsgewinn bei Autobahnausfahrten sind ein echter Vorteil.

Die Variantenvielfalt ist von Beginn an hoch: Zu den Konzernmarken Citroen, Peugeot und Opel kommt die Zusammenarbeit mit Toyota. Die Fahrzeuge sind weitgehend identisch – klassisches Badge Engineering. Diese vier Marken bieten den Bus jeweils mit zwei Batteriegrößen, mit bis zu drei Radständen und zusätzlich als Pkw und Nutzfahrzeug an. Daraus ergibt sich eine umfangreiche und teils verwirrende Nomenklatur.

So heißt der Citroen als Pkw e-Spacetourer (nach Innovationsprämie ab 41.697 Euro brutto) und als Nutzfahrzeug e-Jumpy (nach Staatsförderung ab 25.690 Euro netto). Der Jumpy sollte nicht mit dem Jumper verwechselt werden, der eine Klasse größer und baugleich mit dem Fiat Ducato ist. Bei Opel wiederum übernimmt der Zafira-e den Namen des ehemaligen Vans, und die Nutzfahrzeugversion Vivaro-e den des Vivaro, der einstmals ein umbenannter Renault Trafic war. Ein typischer Vorgang in der Nutzfahrzeugszene, wo das Gleichteileprinzip und die Skaleneffekte noch wichtiger sind als beim Pkw, weil der Kostendruck höher ist.

Kaum Konkurrenz

Während der Opel und seine Geschwister bestellt werden können, gibt es bei der Konkurrenz fast kein Angebot. Ausnahme: der Mercedes EQV. Der hat 90 statt 69 kWh Netto-Batteriekapazität, ist nochmals etwas teurer und bietet im Gegenzug zeitgemäße Fahrassistenzsysteme – die gibt es im Opel leider noch nicht.

Und Volkswagen? Dort bietet man ein wenig verschämt den e-T6 von Abt im Leasing an. Das Fertigungsprinzip: Volkswagen liefert einen TDI zu Abt, wo ein Batterie-elektrischer Antrieb eingebaut wird. Eine Option, die ursprünglich für den norwegischen Markt konzipiert war, wo der e-T6 aber nicht angeboten wird. Anders gesagt: Die Kunden warten auf den ID.Buzz. Im Werk in Hannover werden bereits die ersten Produktionslinien errichtet. Der Marktstart wird trotzdem erst in zwei Jahren stattfinden.

Zeit für den PSA-Bus, Kunden zu gewinnen. Preisgünstig ist der Opel allerdings nicht. Die von electrive.net gefahrene Spitzenversion Elegance (Lederausstattung, Panoramadach, elektrische Sitze und so weiter) kostet 69.960,67 Euro bei 16 Prozent Mehrwertsteuer und ohne Berücksichtigung der Förderungen. Mit etwas Umsicht lässt sich der Bruttolistenpreis auf unter 60.000 Euro drücken. Dann sinkt die Versteuerung des geldwerten Vorteils der privaten Nutzung eines Firmenwagens von einem halben Prozent auf ein Viertelprozent pro Monat.

Angesichts rapide sinkender Batteriepreise ist das letzte Wort bei den elektrischen Nutzfahrzeugen noch lange nicht gesprochen. Die Lernkurve ist zurzeit noch etwas steiler als bei den typischen Alltagskompaktwagen, wo man offenbar eine Generation weiter ist. Ein wirklich guter Anfang ist mit dem Opel Zafira-e trotzdem gemacht. Er zeigt, wohin die Reise geht: Auch in diesen relativ großen Fahrzeugen wird der Batterie-elektrische Antrieb bald dominieren. Er ist nicht für jeden Zweck tauglich. Aber für sehr viel mehr, als die Skeptiker vermuten.

electrive.net hat den Opel Zafira Life parallel dieser Tage einem Langstreckentest unterzogen: von Hamburg nach Herne bei Bochum und zurück. Wie es gelaufen ist, können Sie auf unsere Threads bei Twitter nachlesen, hier alles zum Hinweg und hier alles zum Rückweg. Eine ausführliche Analyse zum Zafira Life auf der Langstrecke können Sie demnächst auf unserer Webseite lesen.

2 Kommentare

zu „Freies Feld für Opel Zafira-e Life und seine Geschwister“
Sebastian
05.12.2020 um 03:43
Danke für den, wieder mal, ausführlich und sachlichen Bericht. Opel hat nun ein paar richtig schicke und alltagstaugliche Elektrofahrzeuge, ich hoffe sehr Opel kann auch Stückzahlen!Eine Bemerkung zu dem Bild oben mit der Ladesäule: rechts parken und das linke Ladekabel nehmen geht gar nicht. Das nervt ohne Ende an den Ladesäulen, wenn so ein Unding praktiziert wird und man den Kabelsalat handhaben muss.
Vilius
14.12.2020 um 21:45
“ In dieser Fahrzeugklasse wurden bisher ausschließlich Dieselmotoren angeboten” - und was ist mit Nissan e-NV200 Evalia? Der gibt es seit 2014...

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