Spitzengespräch zur Ladeinfrastruktur: „Ich glaube, dass die Probleme lösbar sind“
Beim zweiten Spitzengespräch zum Ausbau der Ladeinfrastruktur mit der Energiewirtschaft und kommunalen Unternehmen betonen Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Verkehrsminister Andreas Scheuer die Bedeutung des gemeinsamen Vorgehens aller Akteure. Doch rund um das Gespräch zeigt sich, dass sich einige der Akteure nicht daran halten.
„Wir haben festgestellt, dass wir gut vorangekommen sind“, sagt Altmaier nach dem Spitzengespräch. „Es ist sehr wichtig, dass es an allen Ecken und Enden Aktivitäten gibt, neue Ladepunkte zu errichten.“ Über zwei Stunden hatten der Wirtschaftsminister und Verkehrsminister Andreas Scheuer mit Vertreterinnen und Vertreter der Energiewirtschaft und der kommunalen Unternehmen diskutiert, auch der VDA als Stimme aus der Autoindustrie war im Gegensatz zum ersten Spitzengespräch zugeschaltet.
„Fast 500.000 E-Fahrzeuge Ende Oktober, 35.000 öffentliche Ladepunkte und mehr als 85.000 beantragte private Ladepunkte nach nur einer Woche – diese Zahlen zeigen: Jetzt geht es richtig los!“, sagt Verkehrsminister Andreas Scheuer bei einer digitalen Pressekonferenz. „Diesen Schwung, diese Begeisterung der Verbraucher müssen wir mitnehmen und weiter vorantreiben.“
Das BMVI werde in den kommenden Jahren mehr als vier Milliarden Euro in die Ladeinfrastruktur an Autobahnen, beim Arbeitgeber, beim Einkaufen und zu Hause in der eigenen Garage investieren. Entsprechende Förderprogramme laufen bereits oder sollen 2021 anlaufen – dann soll auch die lange erwartete Ausschreibung für die 1.000 Schnellladeparks starten. „Kurz: Laden für alle, immer und überall. Und damit das funktioniert und die Ladesäulen schnell aufgebaut werden, brauchen wir die Energiewirtschaft als einen der ganz wichtigen Player“, so Scheuer weiter. „Wir brauchen ein schnelles unkompliziertes Verlegen von Netzanschlüssen. Wir brauchen verlässliche und unkomplizierte Ladevorgänge mit einer Zahlungsmöglichkeit für alle Ladesäulen. Und wir brauchen einheitliche Standards, wie etwa beim Plug & Charge. Daran arbeiten wir gemeinsam.“
Die Botschaft, die die Minister Altmaier und Scheuer vermitteln wollen, ist einfach: Nur, wenn alle beim Lade-Ausbau zusammenarbeiten, kann eine schnelle und erfolgreiche Verbreitung von Elektroautos gelingen. „Gemeinsam mit der Energiewirtschaft, den kommunalen Unternehmen, der Automobilwirtschaft und anderen Stakeholdern wollen wir der Elektromobilität in Deutschland zum Durchbruch verhelfen“, sagt Altmaier und stößt dabei in dieselbe Richtung wie Scheuer.
Sein Wirtschaftsministerium entwickele derzeit einen Vorschlag für ein nutzerfreundliches und europaweit einsetzbares Bezahlsystem für das spontane Laden an öffentlichen Ladesäulen, das soll „in den kommenden Wochen“ vorgelegt werden. „Ich glaube, dass die Probleme lösbar sind“, so Altmaier auf die Frage, ob er den Frust von Elektroauto-Fahrern angesichts des immer noch fehlenden einheitlichen Bezahlsystems verstehen könne. „Sie lassen sich aber nur lösen, wenn sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und das gemeinsam klären.“
Zudem arbeite man an einem Gesetzentwurf, der dazu beitragen soll, Netzprobleme im Zusammenhang mit dem Laden von Elektroautos zu vermeiden – das kündigte Altmaier im Vorfeld des Spitzengesprächs in einer Mitteilung des Ministeriums an.
Den Gesetzentwurf, auf den das Wirtschaftsministerium in der Mitteilung anspielt, ist die Novellierung von Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes. Damit soll der „notwendigen energiewirtschaftlichen Rechtsrahmen“ geschaffen werden, „um einen starken Markthochlauf der Elektromobilität netzseitig zu begleiten“.
Auf Nachfrage von electrive.net erklärt das Ministerium dazu: „Ziel der Neu-Regelung ist es durch regulatorische Anreize Verbrauchsspitzen sogenannter flexibler Verbrauchseinrichtungen wie E-Autos oder Wärmepumpen zu vermeiden. Die Netzbetreiber sollen durch regulatorische Vorgaben angehalten werden, privatvertraglich mit ihren Endkunden Regelungen in Verträgen zu schließen, die Anreize setzen, das E-Auto beispielsweise eher nachts und nicht gleich nach Rückkehr aus dem Büro zu laden. Auch müssen Netzbetreiber im Notfall auch regulierend eingreifen können, sollte zu einem bestimmten Zeitpunkt zu hohe Verbrauchsspitzen eintreten. Insgesamt sollen durch regulatorische Anreize die Auslastungsfähigkeit der Netze verbessert werden.“
Eine Aussicht, die in der Autoindustrie nicht viele erfreut. Bereits im November hatte sich Volkswagen bzw. die Energie-Tochter Elli kritisch zu der geplanten Novelle geäußert. Laut Martin Höfelmann, Leiter Politik und Kommunikation bei Elli, könne die in der Novelle angedachte Unterbrechung der Ladevorgänge „E-Auto-Fahrer massiv verunsichern“. eMobility-Vorstand Thomas Ulbrich ergänzte, ein „simples Abschalten von Ladevorgängen“ könne aber nicht die Lösung sein.
Streitthema Netzintegration?
Das Thema Netzintegration hat Potenzial für weitere Verstimmungen: Laut einem Bericht von „Heise“ fordern Netzbetreiber, zur Glättung von Lastspitzen das Laden – die KfW-geförderten Wallboxen müssen schließlich intelligent sein – für bis zu zwei Stunden begrenzen zu dürfen. Sie fordern Verlässlichkeit angesichts der schnell steigenden Zahl an Elektroautos und Ladepunkten. Auch der zuständige Referatsleiter in Altmaiers BMWi soll laut dem Bericht „eigentlich nur Vorteile bei der Spitzenglättung“ sehen. Ob E-Auto-Fahrer davon begeistert sind, wenn ihnen so lange der Strom gekappt wird, darf bezweifelt werden. Auch Marcus Fendt von The Mobility House warnt laut „Heise“ davor mit einem „Kompromissparagrafen“ anzufangen und die E-Mobilität „mit neuen Fragezeichen“ zu belegen. Er bevorzugt flexible Stromtarife.
Minister Altmaier gibt sich vorerst diplomatisch: „Wir wollen einen wettbewerblichen und vorausschauenden Aufbau von Ladesäulen und setzen dabei insbesondere auf die Energiewirtschaft.“ Vor der Sommerpause 2021 soll es ein weiteres Spitzengespräch geben, bei dem die weiteren Fortschritte besprochen werden sollen. Bei dem nun erfolgten zweiten Gespräch habe man festgestellt, dass sich die beim ersten Gespräch geäußerten Befürchtungen nicht bewahrheitet hätten.
Nur wie sich alleine am Beispiel der Spitzenglättung zeigt: Mit der Einigkeit bei den wichtigen Akteuren ist es nicht weit her. Bereits bevor die beiden Minister zur digitalen Pressekonferenz vor die Kameras traten, erneuerte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) seine Forderung nach einem bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Ausbau. „Die Energiewirtschaft hat ihre Ziele erreicht“, sagt BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae und verweist auf über 33.000 vor allem von der Energiewirtschaft aufgebauten Ladepunkte. „Von einem wirtschaftlichen Betrieb der öffentlichen Ladeinfrastruktur sind wir aber noch deutlich entfernt.“ Sprich: Es fehlt an E-Autos für die Auslastung, um weitere Investitionen zu rechtfertigen. Der Ball liegt aus Sicht des Energieverbands also bei der Autoindustrie.
VDA stellt eigenes „E-Ladenetz-Ranking“ vor
Deren Verband, der VDA, kontert am Tag des Spitzengesprächs mit einem eigenen „E-Ladenetz-Ranking“. Mit dem Ranking will der Autoindustrie-Verband „ die Attraktivität für den Umstieg auf E-Mobilität und die Dichte des öffentlich zugänglichen Ladenetzes für E-Autos“ abbilden. Bereits im November hatte VDA-Präsidentin Hildegard Müller vorgerechnet, dass man 2.000 neue Ladepunkte pro Woche benötige, um das politische Ziel von einer Million öffentlich zugänglicher Ladepunkte bis 2030 zu erreichen – aktuell kämen aber nur 200 Ladepunkte pro Woche hinzu.
Eine Rechnung, die Müller nun auch anlässlich des E-Ladenetz-Rankings wiederholt – und so die Energiewirtschaft, aber auch die Kommunalpolitik in der Verantwortung sieht. „Das Ladenetz-Ranking ist ein Ansporn für alle Kommunen, die Sache nun aktiv in die Hand zu nehmen und schafft eine wichtige Transparenz“, so Müller. „Die Landräte und Bürgermeister müssen sich ab jetzt an diesen Zahlen messen lassen.“
Kurzer Exkurs in das Ladenetz-Ranking des VDA: Mit zwei Werten soll der Ausbau des Ladenetzes erfasst werden. Der „A-Wert“ (für Attraktivität) setzt die Anzahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte im Verhältnis zu den im Landkreis oder der Stadt zugelassen Autos. Je mehr Ladepunkte vorhanden sind, desto attraktiver ist die Region für die Umstellung auf E-Autos. Aktuell liegt der Mittelwert bei 1.486. Am besten schneidet der Landkreis Regen mit 310 Autos pro Ladepunkt ab, Schlusslicht ist Krefeld mit fast 24.000 Autos pro Ladepunkt.
Der T-Wert gibt an, wie viele E-Autos sich einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt teilen müssen. Auch hier liegt der Landkreis Regen mit 1,3 E-Pkw pro Ladepunkt vorne, aber auch der Landkreis Freyung-Grafenau (2,8,) die Stadt Salzgitter (3) und der Kyffhäuserkreis (3,2) schneiden gut ab. Schlusslicht ist wiederum Krefeld (199), aber auch in Wuppertal (78) und Stuttgart (88) gibt es laut dem VDA Nachholbedarf. Das Ranking will der VDA nach eigenen Angaben quartalsweise aktualisieren.
Die von Verkehrsminister Scheuer gestartete und gelobte Wallbox-Förderung bezeichnet VDA-Präsidentin Müller als „großen Schritt nach vorne“. Aber: „Die Erfassung von privaten Ladepunkten an Haushalten muss jetzt eingerichtet werden. Die Zahlen können am besten von der Energiewirtschaft beigebracht werden.“
Bis wirklich alle an einem Strang ziehen und sich nicht nur gegenseitig die Verantwortung zuschieben, wird es wohl noch einige Spitzengespräche dauern.
Quelle: Livestream der Pressekonferenz, bmwi.de (Vorab-Mitteilung), heise.de (Spitzenglättung), bdew.de, vda.de, vda.de (Ladenetz-Ranking)
8 Kommentare