Wirtschaftsministerium zieht Gesetzentwurf zur Spitzenglättung zurück
Die Reform des Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes sorgt in der Branche bereits länger für Wirbel. Nun hat das Bundeswirtschaftsministerium den umstrittenen Gesetzentwurf, laut dem Netzbetreiber zur Glättung von Lastspitzen das Laden für bis zu zwei Stunden hätten begrenzen dürfen, zurückgezogen.
++ Dieser Beitrag wurde aktualisiert. Sie finden die neuen Infos ganz unten. ++
Die Forderung der Spitzenglättung beim Laden hatten Netzbetreiber laut einem Bericht von „Heise“ im Dezember gefordert. Nachdem nun auch die „Welt am Sonntag“ darüber berichtete, sah sich das Bundeswirtschaftsministerium zu einer Stellungnahme genötigt. Demnach wird es eine zwangsweise Abschaltung von Wallboxen für Elektroautos durch Netzbetreiber nun doch nicht geben. „Es handelt sich um einen Entwurf der Arbeitsebene, der nicht die Billigung des Ministers gefunden hat und deshalb bereits am vergangenen Freitag zurückgezogen und von der Homepage des BMWi heruntergenommen wurde“, erklärte eine Sprecherin des BMWi.
Der Entwurf zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes hätte die Möglichkeit eingeräumt, „steuerbare Verbrauchseinrichtungen“ wie etwa Wallboxen und Wärmepumpen in Gebäuden zeitweise ferngesteuert vom Netz zu nehmen. Und das für bis zu zwei Stunden am Tag, wenn ansonsten eine lokale Überlastung des Netzes drohe. Der Entwurf wurde den betroffenen Verbänden bereits zur Stellungnahme vorgelegt – ganz ähnlich, wie es bei dem Schnellladegesetz „SchnellLG“ geschehen ist.
Während die Energiewirtschaft den Entwurf begrüßte, sah die Autoindustrie einen „einseitigen Vorschlag zugunsten der Energiewirtschaft“. Wie VDA-Präsidentin Hildegard Müller der „Welt am Sonntag“ sagte, „wäre es sehr schlecht für alle Besitzer von E-Autos und die Unternehmen, die jetzt E-Autos auf den Markt bringen“. Und weiter: „Was Spitzenglättung genannt wird, bedeutet für die Kunden leider Abschalten“, so Müller.
Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), bezeichnete die Spitzenglättung als „Ergebnis eines langen, gutachterlich gestützten Prozesses im Bundeswirtschaftsministerium“. Es sei „ineffizient, die Netze so auszubauen, dass auch noch in absoluten Spitzenzeiten die letzte Kilowattstunde geliefert werden kann, wenn eine kleine zeitliche Verschiebung des Verbrauchs ohne Komforteinbußen für die Kunden möglich ist“, so die BDEW-Chefin.
Wie die Sprecherin des BMWi gegenüber der „Welt am Sonntag“ angab, lege Wirtschaftsminister Altmaier größten Wert darauf, dass der Hochlauf der Elektromobilität schnell und für alle Beteiligten verlässlich erfolgt“. Er werde in den kommenden Tagen diesbezüglich sowohl mit den Fahrzeugherstellern als auch mit den Netzbetreibern Gespräche führen und danach einen neuen Vorschlag vorlegen, der für alle Beteiligten akzeptabel ist“.
Dass das Ministerium nun den Entwurf zurückgezogen hat, sorgt zumindest beim Verband kommunaler Unternehmen (in dem rund 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen organisiert sind) für Verwunderung. „Die Intention des Gesetzentwurfes ist grundsätzlich richtig und entspricht der 2016 getroffenen Grundsatzentscheidung“, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. „Kritik im Rahmen der Verbändebeteiligung darf jetzt aber nicht dazu führen, dass längst gefällte Grundsatzentscheidungen wieder in Frage gestellt werden.“ Aber auch der VKU sieht „bei einigen Aspekten im Gesetzentwurf erheblichen Nachbesserungsbedarf“ – wohl aber bei anderen Punkten als zum Beispiel der VDA.
Der Paragraph 14a sorgt bereits länger für Wirbel, bereits im November warnte etwa der VW-Konzern vor der damals noch in der Diskussion befindlichen Novelle. Ein „simples Abschalten von Ladevorgängen“ könne aber nicht die Lösung sein, sagte damals eMobility-Vorstand Thomas Ulbrich. Nach Informationen der „Welt am Sonntag“ wurde bereits in Regierungskreisen genannt, dass eine nochmalige Überarbeitung des Entwurfs möglich sei. Die Spitzenglättung solle demnach im Gesetz bleiben, wohl aber die Definition geändert werden – also welche Verbraucher abgeschaltet werden dürfen.
Update 16.02.2021: Nachdem der umstrittene Paragraf 14a nicht in der Fassung des Energiewirtschaftsgesetzes, die das Kabinett im Februar beschlossen hatte, enthalten war, kommt nun offenbar Bewegung in den zwischen der Autoindustrie und den Energieversorgern: Am Freitag soll es offenbar ein Spitzentreffen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu den Zwangsabschaltungen für E-Auto-Ladepunkte geben. Entsprechende Informationen des Tagesspiegel wurden Dow Jones Newswires aus dem Kreis der Beteiligten bestätigt. Der Termin ist nicht-öffentlich und soll zur Mittagszeit stattfinden.
Update 20.02.2021: Beim Spitzentreffen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am Freitag gab es keine Einigung. Geladen waren Autobauer und Stromnetzbetreiber, aber auch Vertreter des Verbraucherschutzes und der Elektrotechnikindustrie, die ihre Gespräche nun vertagten. Es wurde deutlich, dass „der Austausch und Dialog auch weiter vertieft und fortgesetzt werden muss“.
„Wir werden uns in die jetzt anstehenden weiteren Gespräche konstruktiv einbringen“, äußert sich Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, zum Spitzentreffen. Und weiter: „Aus Sicht der Netzbetreiber müssen drei Dinge sichergestellt werden: Private Ladestationen müssen schnell an das Netz angeschlossen werden können, und E-Autofahrerinnen und -fahrer müssen weiterhin sicher sein können, dass ihre Batterie immer genügend Strom laden kann. Die Netzbetreiber wollen die Netze bedarfsgerecht auszubauen. Dafür brauchen sie das Instrument der Spitzenglättung. Das ist auch im Sinne der Stromkunden. Für die Energiewirtschaft war zudem immer klar, dass die erforderlichen Regelungen zur netzdienlichen Steuerung die Basis sind für die zukünftige Entwicklung neuer vertrieblicher Geschäftsmodelle und Dienstleistungskonzepte.“
„Wichtig ist, dass wir die guten Impulse jetzt aufnehmen und noch bis Ostern zu einer Lösung kommen. Denn die Spitzenglättung bzw. Lastverschiebung ist das sinnvollste Instrument, um flexible Verbraucher wie Elektromobilität, Wärmepumpen und Speicher schnell und sicher zu integrieren“, so Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung.
„Das Gespräch war konstruktiv. Allerdings wurden kaum neue Argumente ausgetauscht. Wie könnte das auch anders sein? Die Spitzenglättung, die jetzt von einigen Akteuren in Frage gestellt wird, ist das Ergebnis eines mehrjährigen transparenten Diskussionsprozesses, in dem die notwendigen Gutachten und alle Argumente auf dem Tisch lagen. Dabei hat sich die grundsätzliche Ausrichtung der Spitzenglättung, wie sie der bisherige Gesetzentwurf des BMWi vorsah, als beste und wirksamste Lösung erwiesen, um den Hochlauf der Elektromobilität mit Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz zu verbinden. Es wäre daher ein erheblicher Rückschritt, den Prozess neu aufzurollen“, erklärt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.
bmwi.de (Mitteilung des Ministeriums), welt.de (ursprünglicher Bericht), welt.de (mit Reaktion des BMWi), vku.de, finanznachrichten.de (Update I), bmwi.de (Update II)
10 Kommentare