Erhält Ionity bald externe Investoren?
Weil der Ausbau des Ionity-Schnellladenetzwerks zu langsam vorangeht, sollen die Eigner laut einem Medienbericht diskutieren, Private-Equity-Kapital für Ionity zu gewinnen. Von mindestens 500 Millionen Euro frischem Geld ist demnach in Finanzkreisen die Rede.
Wie das „Manager Magazin“ schreibt, sollen „selbst die ganz großen Investoren“ Interesse zeigen. Namen möglicher Investoren werden in dem Bericht aber nicht genannt. Nach den Informationen des Magazins sollen die kommenden Wochen entscheidend werden: Dann soll nicht nur über die aktuelle Bewertung des Schnelllade-Joint-Ventures diskutiert werden, sondern auch die Interessenten im Rahmen einer Due-Dilligence-Prüfung Einblick in die Bücher erhalten.
Ionity hat auf eine Bitte um Stellungnahme von electrive.net bisher nicht reagiert.
Die Eigentümer – Mercedes-Benz, BMW, Ford, der VW-Konzern über die Töchter Audi und Porsche sowie seit kurzem auch Hyundai-Kia – haben für ihre 20 Prozent jeweils 200 Millionen Euro investiert. Mit den „mindestens 500 Millionen Euro“, die laut dem „Manager Magazin“ geplant sein sollen, soll der Ausbau des Ladenetzes beschleunigt werden. Offenbar herrscht die Hoffnung, dass externe Finanzinvestoren die Bedenken einiger Auto-Manager ausräumen: „Je höher der Fremdanteil, desto geringer auch der Einfluss der Bremser“, schreibt das Magazin.
Der Ausbau des Ionity-Netzes hinkt in der Tat hinterher. Statt der bis Ende 2020 angepeilten 400 Standorte in Europa sind nur rund 330 in Betrieb. Auf die für Ende 2021 geplante Marke von 430 Standorten fehlen also nicht nur 30 Ladeparks, sondern deren 100. Zum Vergleich: Tesla betreibt in Europa bereits 590 Supercharger-Standorte, aber oft mit mehr Ladepunkten.
Beim Vergleich dieser Zahlen muss aber ein Unterschied bei der Planung berücksichtigt werden: Während Ionity seine Säulen oft an Autobahn-Raststätten baut – und somit jeweils einen Standort mit vier bis sechs Ladepunkten je Fahrtrichtung benötigt –, zieht Tesla Autohöfe oder Standorte vor, die über einen minimalen Umweg von beiden Fahrtrichtungen aus erreicht werden können. Ein Beispiel: Während Ionity an der A3 zwischen Düsseldorf und Köln jeweils vier Ladepunkte an den Raststätten Ohligser Heide Ost und West betreibt, hat Tesla wenige Kilometer weiter im Schnellladepark Seed&Greet 20 Supercharger installiert, die nicht nur über die Autobahn, sondern auch einfacher für Anwohner aus der Umgebung erreichbar sind.
Laut dem Magazinbericht wächst in den Chefetagen der Autobauer nun der Unmut. Ein anonymer Autovorstand soll „bald Staus an den Säulen“ befürchten. Bei BMW soll es heißen, dass Ionity „zu unambitioniert“ plane. Die wohl schärfste Spitze kam aber aus Wolfsburg: Im Dezember 2020 soll VW-Konzernchef Herbert Diess bei einer Video-Fragerunde vor dem Management gesagt haben, dass man mit dem eigenen Ladenetz in den USA – VW musste Electrify America als Auflage nach dem Dieselskandal gründen – sehr zufrieden sei. Man habe dort – abgesehen von Tesla – das führende Ladenetz für Elektroautos aufgebaut. In Europa dagegen, beim Joint Venture Ionity, „sind wir nicht zufrieden“. Man liege ein Jahr hinter dem Zeitplan.
200 Millionen Euro vs. 2 Milliarden Dollar
Der Vergleich zwischen Electrify America und Ionity hinkt allerdings. In das europäische Joint Venture hat der Konzern erwähnte 200 Millionen Euro investiert. In Electrify America musste VW per Gerichtsentscheid jedoch die stolze Summe von zwei Milliarden Dollar stecken.
Da Volkswagen im November allerdings selbst eindringlich vor einer „drohenden Ladelücke“ warnte, ist die Geduld in Wolfsburg offenbar endlich: Diess soll vor den Managern gesagt haben, „da investieren wir notfalls selbst“. Diskussionen um einen VW-Alleingang gab es bereits früher, bevor man sich doch für das Joint Venture entschied – allerdings noch unter der Führung von Diess’ Vorgänger Matthias Müller.
Berichte über die Pläne des Konzerns, unabhängig von Ionity ein exklusives Schnellladenetz zu schaffen, tauchten im vergangenen Sommer auf. In diesem Januar hieß es in einem anderen Bericht, dass sich Audi, Porsche und Ionity bereits auf ein gemeinsames Schnellladenetz verständigt haben sollen, „das zeitnah die anspruchsvolle Kundschaft mit zusätzlichen Dienstleistungen wie Ladegarantie und mit Komfort-Features wie kabellos-konduktivem Laden verwöhnen soll“.
Laut dem „Manager Magazin“ sei hier aber noch nichts entschieden. Audi und Porsche treiben die Pläne aber offenbar weiter voran und teilen sich intern das Projekt auf – ein Unternehmen kümmert sich um die von Ionity bisher vernachlässigten Stadtzentren, das andere um die Fernstraßen. Dabei soll es wohl stark um den Premium-Anspruch der Marken gehen, der laut dem Bericht von Ionity nicht erfüllt wird. „Mit Premium hat Ionity wenig zu tun“, wird ein anonymer Verantwortlicher zitiert. 200 eigene Stationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sollen mit einer Mischung aus „Gastronomie und Autohändler“ zu „kleinen Markenzentren“ werden.
Noch nicht genau geklärt ist dabei wohl die Rolle von Volkswagen Group Components: In der Sparte von Thomas Schmall wurde unter anderem die 22-kW-DC-Wallbox, die AC-Wallbox ID. Charger, aber auch die mobile Schnellladesäule entwickelt. Zudem hat sich die VWGC kürzlich mit der früheren Innogy-eMobility-Chefin Elke Temme verstärkt.
manager-magazin.de
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