Ford Transit Custom PHEV: Ein bisschen zu viel von gestern
Während die Konkurrenz vornehmlich auf das Doppel von Diesel- und Elektro-Transportern setzt, hat sich Ford für einen anderen Weg entschieden. Der Transit Custom ist inzwischen auch als Plug-in-Hybrid erhältlich. Kann der Doppel-Antrieb dazu beitragen, dass Unternehmensflotten sauberer werden?
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Es klingt nach einem interessanten Konzept: Ein Lieferwagen, der mit seiner E-Reichweite von 50 Kilometern die allermeisten Zustell- und Handwerker-Einsätze in einer Großstadt rein elektrisch erledigen kann. Sollte die Fahrt doch einmal länger werden, fällt das Fahrzeug nicht mit einem langen Ladevorgang aus, sondern kann einfach mit dem Benziner weiterfahren. Die überwiegenden Elektro-Kilometer sind nicht nur sauberer, sondern auch günstiger.
Aber geht diese Kalkulation in der Praxis auf? Könnten so die immer größer werdenden Flotten von Zustelldiensten sauberer werden? Wir versuchen, diese Fragen mit einem Ford Transit Custom Plug-in-Hybrid zu beantworten. Bei den fünf Meter langen Lieferwagen ist Ford mit dem Hybrid-Konzept mehr oder weniger alleine: Daimler mit dem e-Vito und PSA mit dem Trio Opel Vivaro-e, Citroën ë-Jumpy und Peugeot e-Expert – um nur einige Vertreter zu nennen – setzen alle auf einen Batterie-elektrischen Antrieb.
Zunächst kurz eine Erläuterung zu den Modellbezeichnungen bei Ford: Der Name Transit ist weit bekannt und wird von dem Konzern daher für mehr als eine Baureihe genutzt. Der Transit selbst ist ein Kleintransporter mit 5,53 bis 6,73 Metern Länge. Der Transit Custom ist eine Nummer kleiner und zwischen 4,97 und 5,34 Metern lang. Der Transit Connect ist kein Kleintransporter mehr, sondern ein Kastenwagen auf Basis des Ford C-Max (4,42 bis 4,82 Meter). Das kleinste Modell mit dem Namen Transit ist der Courier, der mit 4,16 Metern Länge Bauteile vom Ford Fiesta und B-Max übernimmt. Vom Custom, Connect und Courier gibt es zudem noch Pkw-Versionen, die dann allerdings auf den Namen Tourneo hören.
Unser Test fand mit einem Transit Custom PHEV in der kleinstmöglichen Ausführung statt – also mit dem kurzen Radstand von 2,93 Metern, einer Gesamtlänge von 4,97 Metern und einer Höhe von 1,97 Metern. Das Ladevolumen liegt bei dieser Karosserie bei 5,95 Kubikmetern – unabhängig vom Antrieb. Dieses Modell ist ab 47.995 Euro netto erhältlich („Basis“), der Testwagen in der „Limited“-Ausstattung steht mit 52.795 Euro netto in der Preisliste. Der 96 kW starke Diesel ist bereits für knapp über 30.000 Euro netto zu haben, ebenfalls in der „Basis“-Ausstattung. Eine Anhängerkupplung gibt es bei dem Plug-in-Hybrid übrigens nicht.
Beim Transit Custom Kombi PHEV und Tourneo Custom PHEV liegt die E-Reichweite nach NEFZ bei 53 Kilometern, beim Kastenwagen sind es 56 Kilometer. Die entsprechenden WLTP-Werte liegen bei 40,4 und 43,2 Kilometer.
Optisch unterscheidet sich der seit Ende 2019 erhältliche Plug-in-Hybrid von den Diesel-Modellen nur durch die Ladeklappe, die vorne in der Stoßstange auf der Fahrerseite angebracht ist. Im Innenraum (sowohl der Fahrerkabine als auch dem Laderaum) gibt es keine Unterschiede – von dem kleinen Schalter für die Antriebsmodi abgesehen. Das Cockpit überzeugt nicht nur mit seinen zahlreichen praktischen Ablagen – unter anderm das Ladekabel unter dem Beifahrersitz –, der Testwagen ist auch üppig ausgestattet – Navi, Sitz- und sogar eine Lenkradheizung.
Im Kombiinstrument fällt eine echte Rarität auf: eine analoge Batteriestandsanzeige. Die Anzeige der Öltemperatur bei den Diesel-Modellen wird hier für den Ladestand genutzt. Im Menü des Bordcomputers wird dann klar, dass es nicht das einzige Verbrenner-Relikt ist: Über die Digital-Anzeige lässt sich der Ladestand nicht abrufen, ebensowenig wie der Stromverbrauch. Hier gibt es nur den Kraftstoffverbrauch. Immerhin wird die Reichweite angezeigt: „5+530 km“ steht für fünf Elektro-Kilometer und 530 Kilometer Benzin-Reichweite.
Auch in der „Ford Pass Pro“-App für die Nutzfahrzeuge zeigt sich der Verbrenner-Ursprung. Zwar kann über die App auch eine Ladesäule gefunden werden, aber hier lässt sich nicht einmal mehr die E-Reichweite abrufen (nur die Benzin-Reichweite), geschweige denn aus der Ferne ein Ladevorgang überwachen oder kontrollieren. Eine praktische Fahrtenbuch-Funktion, welche die Fahrten automatisch mit Start, Ziel, Dauer und Strecke erfasst, gibt es in der App nicht.
1,0-Liter-Dreizylinder statt Zwei-Liter-Diesel
Kommen wir aber zurück zum Fahrzeug, denn unter der Haube unterscheiden sich die Modelle stark: Statt des Zwei-Liter-Diesels ist dort ein EcoBoost-Dreizylinder verbaut. Der Benziner treibt aber nicht die Vorderräder an, sondern fungiert nur als Generator, um die 13,6 kWh große Batterie zu laden. Für den Vortrieb ist immer ein 93 kW starker E-Motor verantwortlich, der seinen Strom aus der vom Verbrenner oder per Kabel nachgeladenen Batterie bezieht.
Mit einem Normverbrauch von 3,1 bis 3,6 Liter Super ist der Plug-in-Hybrid auf dem Papier deutlich sparsamer als die vier Diesel-Optionen (bis zu 7,1 Liter im Normverbrauch). In der Praxis könnten Verbrauch und Kosten aber noch niedriger liegen – wenn viel per Kabel geladen und somit rein elektrisch gefahren wird.
Doch genau das ist die Herausforderung, wie unser Test gezeigt hat: Im Winter bei Temperaturen um den Gefrierpunkt waren von den angegebenen 50 Kilometern E-Reichweite selbst bei voll geladenem Akku laut Anzeige nur 24 Kilometer drin. An Tagen mit etwa acht Grad Außentemperatur waren laut Bordcomputer maximal 30 Kilometer im Elektromodus möglich.
Zu den Reichweiten und Verbrauchswerten vorab eine Info: Ford hatte den Testwagen extra „beladen“: Im Laderaum war eine große Holzkiste verzurrt, die mit Gewichten auf ungefähr 400 Kilogramm beschwert war. Die Nutzlast der getesteten Variante L1H1 liegt bei 1,1 Tonnen (zumindest beim Kastenwagen, beim Kombi sind es noch 740 Kilogramm). Somit waren wir weit von der maximalen Zuladung entfernt, aber auch nicht mit einem unrealistisch leichten Auto unterwegs.
Vier Fahrmodi, nur einer überzeugt voll und ganz
Ein gewisser Teil des Stroms ist bei dem Wintertest sicher in die Heizung geflossen. Dabei verfügte der Testwagen in der Lkw-Konfiguration mit der Trennwand hinter den drei Vordersitzen über den kleinstmöglichen Innenraum – bei der Doppelkabine oder gar dem Kombi Pkw mit bis zu neun Sitzen ist der Innenraum, der von der Heizung temperiert werden muss, ungleich größer. Wie groß der Verbrauchsanteil tatsächlich ist, das lässt sich schwer sagen. Zwar kann der Fahrer durchaus die Heizleistung reduzieren, wenn er die im Testwagen verbaute Sitz- und Lenkradheizung nutzt. Wenn aber wegen der Feuchtigkeit die Scheibe zu beschlagen droht, muss eben das Gebläse ran. Dabei zeigte sich eine kleine, aber unangenehme Schwäche: Die äußeren Lüfter lassen sich nicht weit genug nach außen stellen. Beschlägt die vordere kleine Seitenscheibe, wird der Blick auf den Außenspiegel eingeschränkt – da der Luftstrom die Scheibe aber weiter hinten trifft, dauert es etwas, bis die Sicht auf den Spiegel wieder frei ist.
Zurück zum Antrieb: Ford bietet hier vier Modi. Bei „EV Auto“ wählt der Computer automatisch zwischen der Batterie und dem Verbrenner als Stromquelle. „EV Jetzt“ heißt der Batterie-elektrische Modus, während bei „EV Später“ der Verbrenner für den Strom sorgt und der Batteriestand konstant gehalten wird. Im Modus „EV Aufladen“ wird die Batterie bis zu einem Ladestand von 75 Prozent über den Verbrenner geladen – da das meist sehr ineffizient ist, kein empfehlenswerter Modus.
Nun aber zum Fahren selbst: In „EV Jetzt“ überzeugt der Transit Custom wegen seiner Laufruhe – vor allem im Vergleich mit einem mäßig gedämmten Vierzylinder-Diesel. Die angenehme, lineare Leistungsentfaltung ist in allen Modi gleich – schließlich erfolgt der Vortrieb immer über die E-Maschine. Mit dem Automatikwählhebel in der Stufe D segelt der Transporter, in der Stufe L wird die Rekuperation aktiv und der Wagen kann beinahe in allen Situationen nur mit dem Fahrpedal verzögert werden.
Angesichts des Gewichts ist die Beschleunigung mit 93 kW und 355 Nm nicht berauschend, aber mehr als ausreichend. Sofern man nicht viel auf der Autobahn unterwegs ist, denn bei Geschwindigkeiten über 100 km/h nimmt der Durchzug schnell ab.
Dazu kommt eine andere, nicht sehr angenehme Eigenschaft: Da sich der Akku auf der Autobahn sehr schnell leert, springt eher früher als später der Verbrenner an. Dann muss ein ein Liter großer Benziner die Leistung für einen fünf Meter langen Transporter erzeugen. Ein Mehr-Gang-Getriebe ist übrigens nicht mehr verbaut, da es für die Aufgabe als Generator überflüssig ist. Sie können sich die Geräuschkulisse vorstellen, wenn der Verbrenner mit hohen Drehzahlen versucht, 90 kW an Strom zu erzeugen.
Der Verbrenner läuft häufiger als geplant
Interessant ist, dass Ford als Powermeter im Cockpit keine nichts-sagende Anzeige ohne Skala verbaut. Wie bei einem Drehzahlmesser ist das Powermeter fein abgestuft – von 0 bis 10. Einfach den angezeigten Wert mit 10 multiplizieren und schon erhält man die gerade abgerufene Leistung in kW. Dabei zeigt sich, dass im Stadtverkehr nur in kurzen Momenten beim Anfahren mehr als 50 kW benötigt werden. Will aber das Auto auf der Bundesstraße nur die im Tempomat eingestellten 80 km/h an einer leichten Steigung halten, gibt das Powermeter einen Leistungsbedarf von 70 kW an. Bei Tempo 100 bis 110 ist das Powermeter sehr schnell am Anschlag bei 93 kW – sei es eine Steigung oder nur ein Überholversuch eines Lkws. Für den kleinen Benziner heißt das dann: Vollgas. Entsprechend steigt der Verbrauch auf 12 Liter und mehr.
In unserem Test haben wir versucht, verschiedene Szenarien abzudecken. Von der Autobahn über Kurzstrecken (wie etwa ein Handwerker) oder auch den Großstadt-Verkehr. Selbst wenn es nicht geplant war, ist der Verbrenner dabei häufiger angesprungen. Eine E-Reichweite von maximal 30 Kilometern bei einstelligen Temperaturen war einfach zu wenig, um auch innerstädtisch zu überzeugen. Die Strecke von einem am Stadtrand gelegenen Depot ins zentrumsnahe Zustellgebiet, die Zustellstrecke und die Rückfahrt sind oft länger. Sollte der Anfahrtsweg (egal ob Zustelldienst oder Handwerker) auch ein Stück Autobahn beinhalten, wird die Nadel der Batterieanzeige noch schneller nach links drehen.
Und wenn die Batterie leer ist, dauert es auch recht lange, bis sie wieder geladen ist. Über drei Stunden muss der Transit Custom an einer Wallbox oder Ladesäule hängen, bis die Batterie geladen ist – macht in der Praxis mit der Reichweite also eine Ladegeschwindigkeit von zehn Kilometern pro Stunde. Da muss sich der Fahrer kaum die Mühe machen, in einer halbstündigen Mittagspause eine Lademöglichkeit zu suchen. Mehr als 2,7 kW Ladeleistung waren in unserem Test nicht drin. Die Ladebuchse vorne links ist aber für ein so großes Fahrzeug gut angebracht.
Testverbrauch: 9,2 statt 3,1 Liter
Grundsätzlich eignet sich der Transit Custom PHEV – wie die meisten einphasig ladenden Plug-in-Hybride – nur, wenn man eine feste Lademöglichkeit für das Auto hat. Auf die öffentliche Ladeinfrastruktur sollte man sich hier nicht (mehr) verlassen. Mit dem Boom bei BEV und PHEV der vergangenen Monate kommt der Ladesäulen-Ausbau kaum hinterher. Als wir im Rahmen unseres Tests in und um Düsseldorf an einem Tag zwischen 11 und 14 Uhr acht Ladepunkte der hiesigen Stadtwerke angefahren haben, waren sieben Ladepunkte belegt und einer von einem Verbrenner zugeparkt.
Aber selbst wenn der Lieferwagen über Nacht auf dem Firmengelände geladen werden kann, muss man sich fragen, ob das den Aufwand wert ist. Ob der Wagen nun über Nacht drei Stunden an der Wallbox lädt oder wie ein BEV-Transporter acht bis zehn, ist egal: Am nächsten Morgen ist der Akku bei 100 Prozent. Mit dem Unterschied, dass der E-Transporter dann grob 150 bis 200 Kilometer fahren kann, der Transit Custom PHEV aber elektrisch nur 24 bis 30 Kilometer.
Wer also anhand der E-Reichweite von über 50 Kilometern kalkuliert hat, dass er mit einer Tankfüllung (ca. 450 Kilometer) über einen Monat weit kommt, weil das Auto ja ständig geladen wird, könnte sich hier verrechnen. Am Ende unseres Tests über 555 Kilometer bei 42 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit stand ein Verbrauch von 9,2 Litern im Schnitt. Über die 3.482 Kilometer seit dem Nullen des Bordcomputers in unserem Testwagen zeigte dieser (bei 50 km/h Durchschnittstempo) einen Verbrauch von 9,8 Litern an – wobei wir hier natürlich nicht sagen können, in welchem Fahrprofil der Wagen bewegt wurde.
Heißt also: Wenn das Auto trotz zahlreicher rein elektrischer Fahrabschnitte im Durchschnitt zwischen neun und zehn Liter Benzin auf 100 Kilometer verbraucht, ist es weder günstiger noch besser für die Umwelt. Die Zielgruppe, die von diesem Antrieb in der Praxis wirklich profitiert, ist sehr spitz.
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