Regierung beschließt neue Vorgaben für THG-Quote
Das Bundeskabinett hat neue Vorgaben für erneuerbare Energien im Verkehrssektor beschlossen. So soll deren Anteil im Verkehrsbereich bis 2030 auf 28 Prozent angehoben werden. Einige Punkte des Beschlusses waren bereits vorab bekannt geworden und sind auch noch in der finalen Fassung enthalten.
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Der direkte Einsatz von Strom in Elektroautos wird wie vorab durchgesickert mit einer dreifachen Anrechnung innerhalb der THG-Quote gefördert. Dadurch soll indirekt die Mineralölwirtschaft am Betrieb der bundesweiten Ladeinfrastruktur beteiligt werden. Derzeit wird ihr Ausbau noch stark über Steuergelder finanziert.
Nach dem Beschluss durch das Bundeskabinett muss der Gesetzentwurf noch vom Bundestag beschlossen werden und den Bundesrat passieren. Das Gesetz tritt am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals in Kraft. Spätestens 2024 ist eine Überprüfung des Gesetzes vorgesehen.
Die Bundesregierung strebt bekanntlich an, die deutschen Treibhausgas-Emissionen – darunter hauptsächlich CO2 – stark zu reduzieren. Neben CO2-Flottenwerten für die Fahrzeughersteller gibt die Regierung seit 2015 auch Mineralölunternehmen eine Quote für Treibhausgas-Einsparungen vor, die sogenannte THG-Minderungsquote, nachschlagbar in § 37 BImSchG. Diese ist für Ölkonzerne allein durch Maßnahmen wie die Beimischung von beispielsweise Bio-Ethanol in Benzin nicht erreichbar. Sie müssen also von anderen Unternehmen, die hauptsächlich Kraftstoffe mit geringen Emissionen in den Verkehr bringen, THG-Quoten kaufen.
Auf diese Weise fließt Geld von fossilen zu erneuerbaren Kraftstoffen. Seit 2019 kann nun auch Strom für Elektrofahrzeuge als Kraftstoff mit geringen Emissionen angerechnet werden. Durch den Quotenhandel wird ergo die Verkehrswende quer-subventioniert. Die Höhe der THG-Minderungsquote ist in den vergangenen Jahren von 3,5 % (2015) über 4,5 % (2018) auf 6 % (2020) gestiegen. Im Januar war noch eine Quote von 22 Prozent für 2030 in der Diskussion, beschlossen wurden nun aber genannte 28 Prozent. Damit geht Deutschland deutlich über die EU-Vorgaben von 14 Prozent hinaus.
Erarbeitet wurde der Beschluss im Bundesumweltministerium (BMU). Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) gab an, dass sie nur Kraftstoffe fördern wolle, „die effizient und bezahlbar sind und die das Klima schützen, ohne die Natur zu zerstören“. „Wir brauchen in Deutschland mehr moderne, saubere Technologien, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen“, so Schulze laut der Mitteilung ihres Ministeriums. „Mit dem Gesetz zur Förderung klimafreundlicher Kraftstoffe schafft die Bundesregierung ein wirksames Instrument, um Treibhausgasemissionen wirklich zu reduzieren. Wir wollen aber nicht einfach blind mehr alternative Kraftstoffe im Tank. Was Erdöl ersetzen soll, darf nicht zugleich den Regenwald vernichten.“
Die NGO Transport & Environment zeigte sich von der nationalen Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) im Verkehr weniger beeindruckt als die Ministerin. „Der Kabinettsbeschluss zur Treibhausgasminderung im Verkehr zeigt deutlich, dass die Verkehrspolitik in Deutschland von Partikularinteressen wie der Ölindustrie und der Biokraftstoffbranche getrieben wird“, sagt Jekaterina Boening, Senior Policy Manager bei T&E. „Diese Interessen spiegeln jedoch nicht den internationalen Strategiekurs der deutschen Automobilhersteller wider, die mit voller Kraft für Elektromobilität aufrüsten. Auf den globalen Leitmärkten hat der Verbrennungsmotor keine Zukunft.“
THG-Quote auch für synthetische Kraftstoffe
T&E kritisiert in einer ersten Stellungnahme, dass weiterhin Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen eine prominente Rolle im Verkehr spielen sollen – laut der NGO erzeugen diese Kraftstoffe wegen der Landnutzungseffekte mehr CO2 als Diesel und Benzin. Zudem solle der Ausstieg aus dem Palmöl erst 2026 erfolgen – andere EU-Staaten würden hier entschieden vorgehen.
Für T&E ist zudem der Einsatz strombasierter Kraftstoffe – innerhalb der THG-Quote wurde für 2030 ein Ziel von „mindestens zwei Prozent“ festgelegt – ein „Fehlanreiz im Gesetz“. Das BMU hingegen betont: Da Ökostrom ein kostbares Gut sei und die Produktionskapazitäten erst aufgebaut werden müssten, sollen die flüssigen Kraftstoffe aus Ökostrom (Power-to-Liquid, PtL) zunächst dort eingesetzt werden, „wo es keine effizienteren klimafreundlichen Alternativen als die direkte Stromnutzung gibt“. Das treffe neben der Industrie vor allem auf den Luftverkehr zu.
Ein Punkt, der T&E nicht gefällt, aber etwa vom BDEW ausdrücklich begrüßt wird, ist ein Schutzmechanismus, der höhere Quoten ermöglicht, wenn der Hochlauf der Elektromobilität schneller als geplant erfolgt. „Damit wird verhindert, dass Biokraftstoffe oder Wasserstoff durch das dringend benötigte Mehr an Elektromobilität aus dem Quotenhandel gedrängt werden“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. „Die frühzeitige Regelung schafft zudem Planungssicherheit für die Unternehmen und macht den Weg frei für die notwendigen Investitionen.“
Ob das Kabinett am Mittwoch auch noch das Schnellladegesetz beschließen wird, ist derzeit nicht klar. Laut „Tagesspiegel Background“ soll das noch heute geschehen, Reuters berichtet hingegen, dass das SchnellLG erst in der kommenden Woche beschlossen werden soll.
Update 21.05.2021: Die Gesetzesnovelle zur Treibhausgasminderungsquote für Kraftstoffe hat nun den Bundestag passiert. Demnach wird die Quote bis 2030 von heute sechs auf 25 Prozent ansteigen. Im Verkehrssektor isoliert ist eine Erhöhung von derzeit 10 auf rund 32 Prozent fixiert. Damit haben die Bundestagsabgeordneten dem obigen Regierungsbeschluss noch einige Prozentpunkte hinzugefügt. Mit dem Beschluss geht Deutschland weit über die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien im Verkehr (RED II) hinaus, die den Mitgliedsstaaten bis ins Jahr 2030 einen Anteil erneuerbarer Energien von mindestens 14 Prozent am gesamten Energieverbrauch im Verkehrssektor vorgibt.
Mit dem Beschluss im Bundestag steht nun auch fest, was bereits durchgesickert war: Der direkte Einsatz von Strom in Elektroautos wird mit einer dreifachen Anrechnung innerhalb der THG-Quote gefördert. „Die Mehrfachanrechnung führt hier zu erheblichen Verbesserungen, weil die Ladesäulenbetreiber die getankten Strommengen künftig für die Anrechnung auf die THG-Quote attraktiver vermarkten können“, teilt das Bundesumweltministerium mit. Dadurch werde die Mineralölwirtschaft am Betrieb der bundesweiten Ladeinfrastruktur beteiligt.
Durch die Gesetzesnovelle wird zudem erstmals der Einsatz von grünem Wasserstoff in Raffinerien als Erfüllungsoption eingeführt. Forciert wird der Einsatz von grünem Wasserstoff im Straßenverkehr und in Raffinerien über eine doppelte Anrechnung. Bei allen Anwendungen komme es stets auf den möglichst effizienten Einsatz des grünen Wasserstoffs an, bemerkt das Umweltministerium. Denn: „Ökostrom ist und bleibt auf absehbare Zeit ein kostbares Gut. Auch müssen die nötigen Produktionskapazitäten für strombasierte Kraftstoffe erst noch geschaffen werden. Daher will die Bundesregierung strombasierte Kraftstoffe dort zuerst einsetzen, wo es keine effizienteren klimafreundlichen Alternativen als die direkte Stromnutzung gibt. Das trifft im Verkehrssektor vor allem auf den Luftverkehr zu.“
Mineralölunternehmen müssen nun also im Einklang mit der sukzessive steigenden THG-Quote die Treibhausgasemissionen ihrer Kraftstoffe senken. Dazu können neben sie erneuerbar erzeugten Strom und grünen Wasserstoff auch Biokraftstoffe einsetzen, wobei die Regierung ab 2023 Biokraftstoffe auf Basis von Palmöl aus dem Tank verbannt. Die unterschiedliche Anrechnung bei den Erfüllungsoptionen soll allerdings nicht zu Verdrängungseffekten auf dem Markt führen. Das Gesetz führt laut dem Umweltministerium deshalb einen Schutzmechanismus ein, der verhindert, dass durch Strom Biokraftstoffe und grüner Wasserstoff vom Markt gedrängt werden: „Wird ein bestimmter über die Jahre ansteigender Schwellenwert überschritten, wird die THG-Quote weiter nach oben angepasst.“
bmu.de, transportenvrionment.org, bmu.de (Update)
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