XXL-Ladeystem an Hyundai-Doppelzentrale in Offenbach
Das europäische und deutsche Headquarter von Hyundai in Offenbach hat 64 Ladepunkte in Betrieb genommen. Weitere 58 Ladepunkte sind bereits in Planung und auch eine dritte Ausbaustufe ist vorgesehen. Ein Megaprojekt, bei dem viele Rädchen ineinandergreifen müssen.
* * *
Nur wenige Meter vom Main entfernt erhebt sich der Hauptsitz Hyundais – ein mächtiger Glaskubus mit auffälligem Rund-Entrée, der neben der Bündelung der Geschäftsaktivitäten zweifellos auch repräsentative Funktionen erfüllt. Anfänglich saß am Offenbacher Kaiserlei nur die Europa-Zentrale Hyundais. 2013 zog das Deutschland-Headquarter aus Neckarsulm bei Heilbronn im Zuge einer umfangreichen Gebäudeerweiterung unter dasselbe Dach. Rund 500 Personen sind heute in der Doppel-Zentrale beschäftigt, davon sind 233 bei Hyundai Motor Deutschland angestellt.
Mit einem Ladekonzept für elektrische Dienst-, Mitarbeiter- und Gästefahrzeuge, das in der Endausbaustufe 173 Ladepunkte umfassen könnte, setzt Hyundai am Standort nun im Bereich der gewerblichen Ladeparks Maßstäbe. Im Sommer nahm der koreanische Autobauer zunächst 64 AC-Ladepunkte ans Netz – zwei auf dem Gästeparkplatz und alle anderen in der Tiefgarage der Doppel-Zentrale. Während die beiden externen Lader für Besucher zugänglich sind, werden in der Garage ausschließlich Mitarbeiter- und Poolfahrzeuge aufgeladen.
Für die Planung, Umsetzung und den Betrieb der Anlage beauftragte Hyundai die eliso GmbH, einen Ladeinfrastruktur-Spezialist aus Stuttgart. Hauke Stamer, für das Projekt vonseiten der eliso GmbH zuständig, gibt uns einen Einblick in die Herausforderungen des Vorhabens. Es habe sich um eines der größten Projekte gehandelt, die eliso bisher realisiert hat, erzählt er. „Projekte mit ähnlicher Anzahl an Ladepunkten haben wir bereits umgesetzt, aber in Anbetracht dessen, dass wir von der initialen Planung über die Installation und den Betrieb alles aus einer Hand umgesetzt haben, gehört dieses Projekt zu den umfassendsten.“ Nicht nur die relativ komplexe Anschlusssituation stellten Anforderungen an das Projektteam, sondern auch, dass bereits vor dem Projekt einzelne Ladestationen in der Tiefgarage vorhanden waren.
Doch der Reihe nach: Die ersten Schritte der Planung erfolgten Anfang Dezember 2019, die Übergabe der Gesamtanlage an Hyundai Ende Juli 2020. Bis zur Fertigstellung des Ladesystems verging also ein gutes halbes Jahr. In dieser Zeit brachten die Fachleute viele Rädchen in Stellung, die mit Blick auf die aktuelle und die weiteren Ausbaustufen der Ladeinfrastruktur zusammengreifen müssen. Die Ausgangslage dabei: Hyundais Liegenschaft in Offenbach hat einen Mittelspannungsanschluss mit insgesamt acht Trafostationen, die räumlich voneinander getrennt sind. Neben dem Gebäude versorgen die Trafos auch ein Data-Center des Konzerns. Die Niederspannungshauptverteilung sei bereits sehr ausgelastet gewesen, sodass mit dem vorhandenen Bauraum sehr akribisch geplant werden musste, so Projektleiter Stamer.
Gleichzeitig hatte Hyundai bereits zuvor einige nicht-steuerbare AC- und DC-Stationen installiert. Diese baute eliso in Teilen zurück, in Teilen wurden die Zuleitungen für das neue System genutzt und in Teilen in das neue System integriert. „Dies war wegen der Kapazitätsgrenzen und des geringen Bauraums in der Niederspannungshauptverteilung nötig. Bestehende Ladestation zu integrieren ist herausfordernd, weil die unterschiedlichen Stationen in der Regel nicht miteinander kommunizieren können, aber dennoch steuerbar gemacht werden sollen“, führt Stamer aus.
All dies erfolgte unter der Prämisse der Skalierbarkeit. Denn weitere Ladepunkte sind bereits in Planung und auch eine dritte Ausbaustufe ist vorgesehen. Konkret sollen im aktuellen ersten Halbjahr 58 weitere Wechselstrom-Ladepunkte installiert werden. In der dritten Stufen könnten je nach Auslastung und Kapazität bis zu 50 weitere AC-Ladepunkte sowie ein Gleichstrom-Lader folgen. Sind aktuell circa 275 Nutzer hinterlegt, soll es künftig möglich sein, am Offenbacher Standort bis zu 600 Nutzer zu verwalten.
Bereits heute ist ein dynamisches Lastmanagement in das Ladesystem integriert, um die Gesamtladeleistung des Verbunds aus Ladestationen stets an den aktuellen Stromverbrauch anzupassen. Pro Ladepunkt beträgt die maximale Ladeleistung 22 kW. Im derzeitigen Minimum stünden bei Vollbelegung pro Ladepunkt noch 5,5 kW zur Verfügung, teilt der eliso-Fachmann mit.
Neben den großen Eckpfeilern des Ladekonzepts beackerte die Ladeinfrastruktur-Firma aus Stuttgart auch noch einige spezifische Wünsche des Doppel-Headquarters. So wollte Hyundai beispielsweise eichrechtskonforme Hardware und eine Integration der bestehenden Mitarbeiterausweise und Zugangskarten in das Ladesystem. Für den europäischen Hauptsitz sei zudem die Verfügbarkeit der Stationen sehr wichtig, schildert Stamer. Deshalb sei ein ausgeweiteter „2nd Level Support“ vereinbart. „Hierbei werden unter anderem Austauschstationen für den Schadensfall bei Hyundai vorgehalten.“ Den Support realisiert eliso – wie auch schon die Installation – mit der bei Göppingen ansässigen Partnerfirma e361 GmbH.
Grundsätzlich obliegt den Stuttgartern die Betriebsführung in vollem Umfang. Über ein Backend werden die Mitarbeiterausweise und Zugangskarten Kostenstellen und Business Units zugewiesen. Am Ende des Monats erhält Hyundai so eine detaillierte Auswertung aller Ladevorgänge. „Es ist ein tolles Projekt, welches wir trotz vielseitiger Anforderungen und Corona punktgenau fertigstellen konnten“, resümiert Hauke Stamer. Die Möglichkeit des Stromladens biete Hyundai und den Mitarbeitern einen wirklichen Mehrwert.
Und für alle, die sich fragen, ob auch Photovoltaikanlagen und Co. in das Projekt integriert werden: Bei diesem Vorhaben spielt die Integration von Eigenerzeugungs- oder Speicheranlagen keine Rolle. Aber Hyundai soll dazu einen gesonderten Versuchsaufbau planen. Bereits seit 2016 gibt es am Standort in Offenbach davon unabhängig aber ein anderes Highlight zukunftsgerichteter Art: eine eigene, öffentlich zugängliche Wasserstoff-Tankstelle.
2 Kommentare