Hamburg: Was 1.000 Ladepunkte alles über E-Auto-Fahrer verraten
Stromnetz Hamburg und die kommunale Projektleitstelle hySolutions haben interessante Statistikwerte zur Nutzung der städtischen Ladeinfrastruktur in der Hansestadt vorgelegt. Die Zahlen geben einen seltenen Einblick in das Ladeverhalten von E-Auto-Fahrern – und demonstrieren überdies die steigende Nachfrage.
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Stromnetz Hamburg betreibt in der Hansestadt 938 öffentliche AC- und 65 DC-Ladepunkte, an denen ausschließlich zertifizierter Grünstrom des Versorgers Hamburg Energie abgegeben wird. Mit dieser Anzahl gehört die Großstadt an der Elbe zu den Vorreitern in Deutschland. Hamburg war früh dran. Bereis 2014 verabschiedete der Senat der Stadt einen Masterplan öffentlich-zugängliche Ladeinfrastruktur. Kleine Anekdote dazu: Zur Einweihung des. 600. öffentlichen Ladepunkts im Oktober 2017 gab die Stadt bekannt, dass im Vormonat mit 5.900 Ladevorgängen ein neues Hoch erreicht worden sei, nach sonst eher knapp 3.000 Ladevorgängen in den Vorjahren. Dies für den Hinterkopf bei den nun folgenden Zahlen.
Insgesamt erfolgten an den gut 1.000 Ladegeräten 2020 trotz „Corona-Delle“ 312.201 Ladevorgänge. Der Dezember stach dabei mit 37.280 Ladevorgängen heraus. Die Differenz zu 2017 ist also frappierend. Die am meisten belegte Ladestation verzeichnete 2020 durchschnittlich 8,4 Ladevorgänge pro Tag. Diese Ladestation befindet sich mitten in einem Subzentrum in einem Hamburger Außenbezirk. „Es zeigt sich also: Nicht nur die Stadtmitte sollte bei Planungen bedacht werden“, folgert die hySolutions GmbH, die die von Stromnetz Hamburg erhobenen Daten gemeinsam mit dem Netzbetreiber auswertet.
Interessant auch: Die Ladevorgänge verteilten sich auf 35 unterschiedliche EMP sowie mehrere Direktbezahloptionen. Durchschnittlich wurde pro Ladevorgang an einem AC-Ladepunkt 13,3 kWh geladen, an einem DC-Ladepunkt 19,6 kWh, dafür schlossen die Fahrer den Ladestecker im Schnitt 5 Stunden und 3 Minuten (AC) beziehungsweise 42 Minuten (DC) an, wobei bei den AC-Ladevorgängen die Übernachtladungen den Schnitt merklich in die Höhe treiben.
Schließlich offenbart die Statistik auch, dass 8,1 Prozent der Ladevorgänge an den 65 DC-Ladepunkten stattfanden. Da diese 6,5 Prozent aller Ladepunkte ausmachen, wird also leicht überproportional mit Gleichstrom geladen. Außerdem offenbaren die Zahlen von Stromnetz Hamburg, dass 11,6 Prozent der Energiemenge über die DC-Lader übertragen wurde. Nicht überraschend, denn beim DC-Laden geht es ja gerade um die wiederholt schnelle Übertragung größerer Mengen Strom.
„Die Nutzungszahlen unserer öffentlichen Ladeinfrastruktur sprechen eine eindeutige Sprache: 2020 war auch in Hamburg das Jahr, in dem die Elektromobilität den Durchbruch geschafft hat“, sagt Christoph Steinkamp, Geschäftsführer der Hamburger hySolutions GmbH, der das „Hamburger Modell“ erst vor wenigen Wochen bei unserer jüngsten Online-Konferenz electrive.net LIVE vorgestellt hatte. Dort äußerte sich der Fachmann auch zur Rentabilität der Ladeinfrastruktur: „Insgesamt ist zwar der Break-Even noch nicht erreicht, aber einzelne Ladestationen lohnen sich bereits heute“, so Steinkamp.
Der Geschäftsführer bezeichnet die steigenden Statistikwerte als „Früchte von schon früh ergriffenen Maßnahmen, insbesondere in Bezug auf die dem Bedarf vorlaufende Bereitstellung von Ladestationen“. Im bundesweiten Länder-Vergleich sei der Anteil der gemeldeten E-Fahrzeuge am Pkw-Bestand in Hamburg am höchsten. Er liegt rund 50 Prozent über dem Bundesschnitt. „Emissionsfreie Antriebe sind ein wichtiger Baustein der Mobilitätswende. Wir arbeiten auch in Zukunft daran, dass sich die exponentielle Entwicklung hier fortsetzt“, betont Steinkamp.
Dafür stößt die hySolutions im Auftrag der Stadt mehrere Maßnahmen an. So strebt die Projektleitstelle an, künftig gemäß dem aktuellen Koalitionsvertrag 200 städtisch finanzierte Ladepunkte pro Jahr aufzubauen – AC, DC und HPC. Bis 2025 dürften alleine dadurch nochmals 1.000 neue Ladepunkte entstehen. Auch private Akteure sollen sich in den kommenden Jahren verstärkt am Ausbau der öffentlich zugänglichen Hamburger Ladeinfrastruktur beteiligen. Dabei denkt Steinkamp etwa an Supermarktparkplätze. In Zuge unserer Online-Konferenz sagte er: „Das Einkaufen ist für den Kunden ein sehr guter Anwendungsfall zum Laden.“ Aber auch das Beispiel Qwello zeigt, wie eine Beteiligung aussehen kann.
In diesem Jahr soll zudem der erste städtisch betriebene Ultra-Schnelllader in Hamburg in Betrieb gehen. Der Standort ist allerdings noch nicht spruchreif.
Davon unabhängig ist Steinkamp und seinem Team an einer Verbesserung der Nutzungseffizienz gelegen. Demnächst sei etwa die Bereitstellung von Informationen zur Parkplatzbelegung vorgesehen, um E-Auto-Fahrern das erfolglose Anfahren der Ladeinfrastruktur zu ersparen, heißt es aus dem Hamburger Büro. Vor diesem Hintergrund sind bereits alle Stellplätze an den Ladestationen mit Parksensoren ausgestattet worden. Die Freischaltung dieser Funktion soll demnächst erfolgen und via App einsehbar sein.
Außerdem setzt sich die hySolutions für eine Entlastung der öffentlichen Ladeinfrastruktur ein, indem für Carsharing-Fahrzeuge zusätzliche spezifische Lademöglichkeiten geschaffen werden. „Wir merken, dass der Druck auf die öffentliche Ladeinfrastruktur steigt. Neben den Zulassungszahlen kommen weitere und wachsende Benutzergruppen wie E-Carsharing oder E-Taxis hinzu“, so Steinkamp. Deshalb hat Hamburg an sogenannten switch-Flächen Ladestationen aufgebaut. Auf diesen kommunal bereitgestellten Arealen werden Stellplätze exklusiv für Carsharing-Fahrzeuge bereitgestellt, damit die Nutzer zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln wechseln können (ÖPNV und Leihräder sind auch einbezogen).
Und: Wie schon mit Blick auf öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur will Hamburg auch auf privatem Grund mehr private Akteure zum Handeln motivieren. Als Anreiz winken Förderungen für den Aufbau von Ladeinfrastruktur aus dem Projekt ELBE. „Sowohl die öffentliche wie auch die private Ladeinfrastruktur soll in diesem wie auch in den Folgejahren weiter ausgebaut werden – in beiden Bereichen unter der Beteiligung privater Betreiber“, betont Steinkamp.
Die Stadt selbst will mit gutem Beispiel vorangehen und bis 2030 alle ihre Pkw auf rein elektrischen Antrieb umstellen. Außerdem wurde im Zuge unserer Online-Konferenz deutlich, dass Hamburg sämtliche Kompetenzen ausschöpfen will, um die Elektrifizierung weiterer Branchen zu erreichen. So sollen öffentliche Unternehmen verpflichtet werden, bis 2030 mindestens 75 Prozent ihrer Flotten auf E-Antrieb umzustellen. Car- und Ridesharing soll in Hamburg künftig nur noch rein elektrisch angeboten werden dürfen. Außerdem will Hamburg die Umstellung des Taxigewerbes über eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) forcieren. Außerdem geplant ist die Schaffung ordnungsrechtlicher Grundlagen zur Einführung einer E-Fahrzeugquote für private Flotten.
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