Toyota Mirai: Komfortable Limousine mit nur einem herausstechenden Merkmal
Am 1. März erfolgt der Verkaufsstart für die zweite Generation des Toyota Mirai. Wir konnten die Brennstoffzellen-Limousine bereits vorab für einen ersten Test fahren. In einigen Punkten kann das Modell überzeugen. In anderen Bereichen gehen dem Mirai aber schnell die Argumente aus.
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Der erste Blick stimmt schon einmal zuversichtlich: Der neue Mirai ist deutlich gefälliger gezeichnet als sein Vorgänger. Und trotz der verbesserten Technik ist die große Limousine mehrere Tausend Euro günstiger geworden. Ab 63.900 Euro (brutto) steht der Mirai nun in der Preisliste, selbst die Top-Ausstattung „Advanced“ bleibt mit 73.900 Euro brutto und 62.100,84 Euro netto unter der wichtigen Grenze von 65.000 Euro Nettolistenpreis. Von den genannten Preisen lassen sich also 7.975 Euro (Umweltbonus in Höhe von 7.500 Euro inkl. Mehrwertsteuereffekt von 475 Euro) abziehen, was zu einem Basispreis von 55.925 Euro nach Förderung führt – für eine 4,98 Meter lange Premium-Limousine.
Ein beträchtlicher Teil dieser Außenlänge (8,5 Zentimeter mehr als beim Vorgänger) geht jedoch bereits an der Front verloren. Die Fronthaube ist extrem lang, die Frontscheibe fängt erst hinter dem Vorderrad an zu steigen. Bei der zweiten Generation des Mirai sind die Brennstoffzellen komplett im „Motorraum“ verbaut, nicht mehr unter den Vordersitzen. Insgesamt ist der Mirai sieben Zentimeter breiter (1,89 Meter) und dank der neuen Einbaulage der Brennstoffzellen 6,5 Zentimeter flacher (1,47 Meter) geworden – was stimmige und elegante Proportionen ergibt.
Wegen der in der Front verbauten Technik ist die Fahrgastzelle relativ weit nach hinten gerückt, mit der sanft abfallenden Dachlinie ergibt sich so eine beinahe Sportwagen-ähnliche Silhouette – nur eben auf knapp fünf Meter Länge gestreckt. Was das in der Praxis bedeutet, dazu später mehr.
Zunächst zur Antriebstechnik: Die vorne verbaute Brennstoffzelle leistet 128 kW, der am Heck verbaute E-Motor 134 kW. Die zweite Generation des Mirai baut auf der GA-L genannten Plattform für Fahrzeuge im D- und E-Segment auf – und diese ist grundsätzlich auf Heckantrieb ausgelegt. Der größte der drei Wasserstofftanks ist längs im früheren Kardantunnel verbaut, ein weiterer sitzt quer unter der Rückbank, der dritte quer hinter der Hinterachse, also unter dem Kofferraum. Die Gesamtkapazität der drei Tanks steigt auf 5,6 Kilogramm, rund ein Kilogramm mehr als bisher. Die Hochvolt-Pufferbatterie (jetzt Lithium-Ionen-Akku statt Nickel-Metallhydrid) mit 1,24 kWh sitzt über der Hinterachse zwischen den Federbeinen der hinteren Radaufhängung. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 175 km/h, die Beschleunigung fällt auf dem Papier mit 9,2 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h überschaubar aus.
Die Reichweite wird mit 650 Kilometern angegeben, rund 30 Prozent mehr als beim Vorgänger. Bei unserer Testfahrt rund um den deutschen Toyota-Hauptsitz in Köln-Marsdorf ist davon allerdings nichts zu sehen. Der Bordcomputer zeigt für das vollgetankte Fahrzeug eine Reichweite von 457 Kilometern an – jedoch bei den Minustemperaturen der vergangenen Woche. Auch ein Brennstoffzellen-Auto muss zunächst vor allem elektrisch heizen – und den Strom hierfür aus dem mitgeführten H2 erzeugen.
Das zeigt sich auch beim Verbrauch: Zu Beginn der Testrunde gibt der Bordcomputer 1,75 kg H2/100km an, nach 83 Kilometern ist der Verbrauch auf 1,50 kg/100km gesunken – als das Fahrzeug warm war, musste weniger Energie für die Heizung aufgewendet werden. Damit bleibt der Mirai bei winterlichen Temperaturen deutlich über dem Normverbrauch von 0,79 bis 0,89 kg/100km.
Sprich: Reichweite und Verbrauch hängen auch beim Brennstoffzellenauto spürbar von der Umgebung ab – wenn auch weniger stark als bei einem Batterie-elektrischen Auto. Und natürlich auch vom Fahrprofil: Wer im Winter viel Kurzstrecke fährt und immer wieder hohe Heiz-Anteile hat, kommt am Ende des Tages auf einen höheren Verbrauch als der Langstreckenfahrer. Ein wichtiger Verbrauchs-Faktor fällt beim Mirai allerdings weniger ins Gewicht: Fahrer von Batterie-elektrischen Autos nutzen dann doch hin und wieder das hohe Beschleunigungspotenzial ihrer Autos und verbrauchen so die ein oder andere kWh mehr. Bei 134 kW Leistung und 300 Nm Drehmoment in einer Fünf-Meter-Limousine mit über 1,9 Tonnen Leergewicht bleibt von dem sportlichen Beschleunigungs-Erlebnis eines BEV wenig übrig.
Heißt aber auch: Bei etwas alltäglicheren Temperaturen als in der vergangenen Woche könnte sich der Verbrauch bei 1,0 bis 1,3 kg/100km und die Reichweite bei 450 bis 550 Kilometer einpendeln – wie gesagt eine Vermutung, kein in einem Alltags-Test ermittelter Wert. Mit dem höheren Verbrauch der ersten Testfahrt sinkt nicht nur die Reichweite, sondern steigen auch die Kosten – der Preis für das Kilogramm Wasserstoff liegt derzeit immer noch bei fixen 9,50 Euro. Bei unserem Testverbrauch von 1,50 kg/100km entspräche das also Kraftstoffkosten von 14,25 Euro auf 100 Kilometer – bei wärmeren Temperaturen entsprechend dem Verbrauch weniger.
90 H2-Tankstellen in ganz Deutschland
Bei der Reichweite von Brennstoffzellenautos kommt aber immer noch das Tankstellennetz hinzu. Derzeit sind es in Deutschland rund 90 Zapfsäulen, man habe die 100 Tankstellen „fest im Blick“, so Toyota Deutschland. Eine „problemlose Reise durch die Bundesrepublik von Nord nach Süd und von West nach Ost“ sei möglich. Aktuell ballen sich die Tankstellen aber rund um die Großstädte wie etwa das Rhein-Ruhr-Gebiet oder das Rhein-Main-Gebiet. Zwischen Frankfurt und Hannover befindet sich jedoch nur eine einzige Tankstelle – und die muss bei der immer noch anfälligen Technik dann auch funktionieren.
Im Alltag ist das Tanken (bei funktionsfähiger Tankstelle) zwar schnell erledigt. Sofern die Tankstelle aber nicht zufällig entlang der Pendelstrecke liegt, ist das mit Umwegen verbunden. Ein Beispiel, zum Zeitpunkt des Entstehens dieses Artikels in Düsseldorf: Die Tankstelle am Höherweg, eine der ersten in Deutschland, wird wegen ihres Alters derzeit modernisiert – außer Betrieb. Bleibt die Tankstelle in Wersten ganz im Süden Düsseldorfs oder Ratingen im Nordwesten – die Tankstellen in Leverkusen und Duisburg sind derzeit nicht in Betrieb. Für einen „kleinen“ Umweg zum Tanken sind sie im Alltag aber auch nicht praktikabel.
H2-Tankstellen sind selten und erfordern meist Umwege
Ähnliches gilt auch für Langstrecken-Reisende: Wer das Rheinland in Nord-Süd-Richtung durchquert, muss erst den Umweg über die A46 machen, um zur derzeit einzigen Tankstelle im Ballungsgebiet zu gelangen. Mit dem Ladepark Seed & Greet in Hilden, den Ionity-Stationen in Ohligser Heide Ost und West sowie dem EnBW-Ladepark Ratingen-Hohenstein bieten sich 28 CCS-Ladepunkte und 20 Tesla Supercharger in direkter Autobahnnähe an. Der Schnellladevorgang dauert zwar etwas länger, dafür entfällt aber der Umweg zur Tankstelle. Und bei der Fahrt vom Rheinland nach Frankfurt kommt man in Limburg an der Lahn an nur einer Autobahn-nahen H2-Tankstelle vorbei – und an mehr als 50 CCS-Schnellladepunkten mit mehr als 100 kW.
Zurück zu den Fahreindrücken: Nicht nur bei der Beschleunigung, auch beim restlichen Charakter des Mirai zeigt sich, dass hier eher Cruisen angesagt ist: Das Fahrwerk ist betont komfortabel, der Innenraum gut gegen Geräusche gedämmt und mit allerhand Assistenzsystemen ist der Wagen für die entspannte Langstrecke gemacht. Der Radstand von immerhin 2,92 Metern (+14 Zentimeter) trägt das Seine zum Geradeauslauf bei.
Für BEV-Fahrer ungewöhnlich ist die Rekuperation. Grundsätzlich rekuperiert der Mirai so sanft, dass man es fast als Segeln bezeichnen könnte – die Bremswirkung ist minimal. Auf Wunsch kann über den kleinen Gangwahlhebel in der Mittelkonsole auch die Stufe Br gewählt werden. Dann verzögert der Mirai beim Ausrollen etwas (und speist dabei Strom in den Akku), mit einem Batterie-elektrischen Auto ist die Rückgewinnung und Verzögerung aber nicht vergleichbar. Gedacht ist diese Funktion eher für längere Bergabfahrten: Mit dem nächsten Befehl am Gaspedal wechselt das Fahrzeug wieder in den D-Modus.
Komfortabler Cruiser statt Spurt-Wunder
Wir sind aber nicht zum Verzögern hier, sondern zum Fahren. Auch auf der Autobahn ist der Mirai eher der Cruiser und kein Spurt-Wunder: Über 120 km/h wird die Beschleunigung zäh, der Verbrauch steigt. Begleitet wird der Versuch der starken Beschleunigung von einem Zischen, wenn der Kompressor Luft in den Brennstoffzellen-Stapel befördert.
Innen fallen die großen Displays, die wegen des darunter liegenden Wasserstoff-Tanks recht breite Mittelkonsole und eine gewisse Redundanz bei der Bedienung auf. Die Grafiken auf den Displays sind verständlich, aber Toyota-typisch etwas verspielter als zum Beispiel bei einem deutschen Hersteller. Funktionen der Klimaanlage lassen sich zum einen über den Touchscreen, zum anderen über die in der Mittelkonsole verbauten Tasten „oldschool“ steuern. Nettes Detail: Das Bedienfeld auf dem Touchscreen lässt sich ganz einfach vom linken zum rechten Bildschirmrand verschieben – mal in perfekter Reichweite für den Fahrer, mal für den Beifahrer.
Unser Testwagen in der Top-Ausstattung „Advanced“ verfügt zudem über ausgesprochen bequeme Ledersitze, Sitzheizung und -kühlung vorne und hinten, eine Lenkradheizung, ein Head-up-Display, einen digitalen Innenspiegel, eine Drei-Zonen-Klimaautomatik und – sofern der Mittelsitz nicht genutzt wird – in der Armlehne über Bedienelemente, mit denen die Fond-Passagiere alle wichtigen Funktionen der Klimaanlage selbst steuern können.
Großes Auto, kleiner Innenraum
Wer bei solchen Funktionen in einer statusträchtigen Fünf-Meter-Limousine an ein gutes Chauffeurs-Fahrzeug denkt, wird aber enttäuscht: Hier kommt die oben angesprochene Silhouette mit der langen Fronthaube und der abfallenden Dachlinie zum Tragen. Da der Fahrer bereits ungefähr in der Mitte des Fahrzeugs sitzt, bleibt bis zur Hinterachse für die Rücksitze nur wenig Platz – was die Beinfreiheit einschränkt. Das zeigt in der Seitenansicht auch die im Verhältnis relativ kurze hintere Türe. Mit dem quer vor der Rückbank eingebauten Tank 2 sitzen die Mitfahrer auf der Rückbank ein gutes Stück höher – von oben schränkt allerdings die abfallende Dachlinie die Kopffreiheit ein.
In dem Testwagen mit dem in der „Advanced“-Ausstattung enthaltenen Panoramadach kommt noch der Querbalken am Ende des Glasdaches hinzu. Mit 1,85 Metern stößt man schon am Dach an und hat den erwähnten Querbalken vor der Stirn. Ohne das Glasdach (Ausstattung „Mirai“ oder „Executive“) ist es etwas angenehmer, aber immer noch sehr knapp. Zwar ist der Mirai 2 ein Fünfsitzer, auf der Langstrecke wird es für groß gewachsene Mitfahrer hinten aber schnell unbequem. Dazu trägt auch der Kardan-Wasserstofftank-Tunnel bei, der hinten die Beinfreiheit bei drei Passagieren einschränkt. Immerhin ist die Zuladung mit rund 500 Kilo jetzt praxistauglicher, beim Vorgänger waren es keine 300 Kilogramm.
Ein weiterer Punkt, weshalb die Urlaubsfahrt mit vier Personen trotz der Fahrzeuggröße eher schwierig werden dürfte: Der Kofferraum ist für ein solches Fahrzeug sehr klein – eine Zahl konnte Toyota nicht nennen, geschätzt dürfte er etwas über den Vorgänger (361 Liter) liegen, aber wohl noch unter 400 Litern. Und da zwischen Rücksitzlehnen und Kofferraum die Hochvolt-Batterie montiert ist, gibt es nicht einmal eine Durchlademöglichkeit für lange Gegenstände, falls die Rücksitze nicht belegt sind. Ein knapp 40 Zentimeter kürzerer Polestar 2 bietet hier einen größeren Kofferraum (und einen kleinen Frunk). Das Tesla Model 3 hat zwar wie der Mirai eine recht kleine Kofferraum-Öffnung, in dem Model 3 kommt aber neben dem Frunk noch das tiefe Fach unter dem Kofferraumboden hinzu. Auch hier bietet der Mirai keine weitere Lademöglichkeit.
Was ist der USP des Mirai?
Zum Vergleich in der Fünf-Meter-Klasse: Ein Audi e-tron GT (4,96 Meter) packt hinten bis zu 405 Liter, vorne sind es nochmals 85 Liter. Beim Tesla Model S (4,97 Meter) sind es bis zu 894 Liter (Frunk+Kofferraum). Der erwähnte Polestar 2 mit seinen 4,60 Metern kommt auf 405 bis 1.095 Liter.
Ja, der Mirai fährt leise und komfortabel und hat nette Digital-Funktionen – aber das können Batterie-elektrische Autos auch. Am Ende muss er sich aber im Markt messen. Und da stellt sich die Frage nach der Zielgruppe: Wer soll den Mirai kaufen oder leasen? BEV-Limousinen in seiner Preisklasse (zum Beispiel die erwähnten Tesla Model 3 und Polestar 2) bieten bei geringerer Größe mehr Stauraum, deutlich mehr Leistung (abgesehen vom günstigeren Model 3 SR+ mindestens 300 kW) und Norm-Reichweiten von bis zu 580 Kilometern. BEV-Limousinen in seiner Größenklasse sind zwar deutlich teurer, bieten aber mehr Platz für Passagiere und Gepäck, nochmals mehr Leistung und auch das in der Fünf-Meter-Klasse nicht ganz unwichtige Marken-Prestige.
Und: Alle hier genannten BEV-Limousinen bieten unabhängig von ihrer Laufruhe (ohne das Brennstoffzellen-Zischen) auch den Spaß-Faktor der enormen Beschleunigung. Mit seinen 134 kW liegt der Mirai auf dem Niveau eines BMW i3S – einem E-Kleinwagen. Das soll Batterie-elektrische Autos nicht auf den Faktor Beschleunigung reduzieren, sondern auch die emotionale Seite des Autokaufs beachten. Wer von seinem 5er BMW, Audi A6 oder der Mercedes E-Klasse mit Drei-Liter-Diesel auf ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug umsteigen will, muss sich also fragen, ob er ein ordentliches Leistungs-Plus (BEV) oder ein Leistungs-Minus (Mirai) haben will. Das BEV kann er zudem in der heimischen Garage oder beim Arbeitgeber bequem laden, beim Mirai ist das Tanken wie erwähnt nur mit einer entlang der Pendelstrecke gelegenen Tankstelle wirklich bequem. Das Fass der Energiebilanz Batterie-elektrische Mobilität vs. Wasserstoff wollen wir an dieser Stelle nicht öffnen – es soll einfach um einen Modellvergleich gehen.
Wägt man die Eigenschaften des neuen Mirai gegen den Markt ab, läuft es im Grunde genommen auf ein Versprechen hinaus: das Tanken in 5 Minuten. Ob das reicht, um auf den Flotten-Markt zu überzeugen?
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