Daimler: Verbrenner-Aus bereits vor 2039?
Daimler hat sich bekanntlich das Ziel gesetzt, bis 2039 eine CO2-freie Flotte zu erreichen. Nun prüft der Konzern laut einem Medienbericht ein vorzeitiges Ende des Verbrenners. In einem Interview hatte Daimler-Chef Ola Källenius bereits angedeutet, dass die Zwischenziele für E-Anteile nach oben korrigiert werden könnten.
Wie das „Handelsblatt“ ohne Nennung von Quellen berichtet, lasse Källenius im Vorstand Szenarien durchspielen, wonach Mercedes nicht erst 2039, sondern schon fünf oder acht Jahre früher nur noch Neuwagen mit Elektroaggregaten anbieten könnte.
Zum „Symbol dieses beschleunigten Wandels“ könnte laut dem Bericht die nächste Generation der S-Klasse werden, die offenbar 2028 auf den Markt kommen soll. „Macht Källenius Ernst mit seinem beschleunigten Umstieg, gäbe es sie voraussichtlich nur noch als Stromer“, so das „Handelsblatt“. Bei der aktuellen Generation der S-Klasse hat sich Mercedes noch bewusst dafür entschieden, die S-Klasse als konventionelleres Auto maximal als Plug-in-Hybrid zu bringen. Den Elektro-Part übernimmt ab diesem Herbst der vollelektrische EQS auf einer eigenen Plattform.
Källenius selbst deutete in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ an, dass die bisherigen Zwischenetappen beim Absatz von reinen Elektroautos und Plug-in-Hybriden – ein Viertel bis 2025, die Hälfte bis 2030 – nach oben korrigiert werden könnten. Zu einem früheren Exit aus der Welt der Verbrenner äußerte er sich in dem Interview aber nicht.
Källenius rechnet aber damit, bis 2030 mit E-Autos ebenso hohe Margen erzielen zu können wie mit Verbrennungsmotoren. Sei die Kostenparität erst einmal erreicht, gebe es keinen Grund mehr, am Verbrenner festzuhalten, argumentieren die forschen Kräfte im Konzern. Zumal genug Geld für den Umbau vorhanden sei.
Aus Sicht des Vorstands könnten die Arbeitnehmervertreter diesen Wandel aber bremsen. Noch nicht vergessen ist der Streit um die Produktionsverlagerung einiger Komponenten von Stuttgart nach Polen – nach dem Veto des Betriebsrats drohte der Vorstand damit, ein Technologiezentrum für Elektromobilität nicht in Stuttgart zu bauen. Der Betriebsrat fordert weiterhin eine eigene Fertigung von Elektromotoren und anderen E-Auto-Komponenten – etwa eine Großserienproduktion von Batteriezellen. Der Vorstand – in dem Bericht werden ausdrücklich Källenius und Finanz-Vorstand Harald Wilhelm genannt – wollen Batteriezellen aber nur zukaufen und setzen auch sonst auf Kooperationen. „So könnte womöglich alles noch viel schneller gehen“, schreibt das „Handelsblatt“. Sprich: Die Verzögerung, eine eigene Zellproduktion aufzubauen, will sich Källenius nicht leisten.
Eine wichtige Rolle bei dem möglichen Vorzug des Auslaufens der Verbrenner spielt die kürzlich angekündigte Abspaltung der Lkw-Sparte bis Jahresende. Ohne das wohl noch einige Jahre Verbrenner-lastige Geschäft von Daimler Truck können die Auto- und Van-Sparte (die künftige Mercedes-Benz AG) schneller auf E-Antriebe setzen, so das Kalkül.
„Electric first“ oder „Electric only“?
In anderen Bereichen wirft die Trennung aber Fragen auf: Da Daimler Truck bisher ein integraler Bestandteil des Konzerns war, wurden dort auch alle Aktivitäten um die Brennstoffzellen-Entwicklung und viel Knowhow um das autonome Fahren gebündelt. Beide Fälle sah man in der Stuttgarter Konzernzentrale eher bei den Nutzfahrzeugen: Langstrecken-Lkw bewegen sich auf der Autobahn gleichförmiger als Pkw, daher könne man hier schneller autonome Fahrfunktionen auf den Markt bringen als bei den Pkw. Nur: Wenn Daimler Truck und Mercedes-Benz bald zwei unabhängige Unternehmen sind, geht auch der Zugriff auf diese Entwicklungen verloren.
Dennoch scheint aus der aktuellen Strategie „Electric first“ im Eiltempo ein „Electric only“ zu werden, so das „Handelsblatt“. Daimler-CEO Källenius scheine Gefallen an dieser Idee gefunden zu haben. Das könnte auch Einfluss auf die kommenden Modelle haben: Der bisher auch von Daimler verfolgte BMW-Weg des Multi-Purpose-Ansatzes für die Plattformen wird offenbar hinterfragt – Modelle wie der EQC und EQA basieren bekanntlich auf Verbrenner-Plattformen, erst der EQS greift auf eine reine E-Plattform zurück.
Wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Konzernkreise schreibt, erwägt das Top-Management bei der Plattform-Strategie auch andere Optionen: „Die radikalste hätte zur Folge, dass die 2024 anlaufende Kompaktwagenplattform MMA bereits die letzte neue Architektur sein könnte, auf der noch in hohen Stückzahlen Verbrenner gebaut werden.“
handelsblatt.com
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