VW strafft E-Ziele – Artemis vor dem Aus?
VW hat seine konzernweiten Elektro-Ziele offenbar verschärft. Im Jahr 2030 soll der E-Anteil laut einem Medienbericht deutlich höher ausfallen als bisher geplant. Dafür werden auch die Entwicklungsaufgaben unter den Konzernmarken neu verteilt – das betrifft wohl auch das Audi-Projekt Artemis.
Die Informationen zu den verschärften Elektro-Absatzzielen geht auf den VW-Chefstrategen Michael Jost zurück. „2030 sollten 70 Prozent aller verkauften Autos des Konzerns rein elektrische Antriebe haben“, sagte Jost dem „Manager Magazin“. Bisher wurde als Zielmarke für das Jahr 2030 ein E-Anteil von 50 Prozent genannt. Die 20 zusätzlichen Prozentpunkte würden bei einem Jahresabsatz von rund zehn Millionen Fahrzeugen also rund zwei Millionen zusätzlichen Fahrzeugen entsprechen.
Um dieses Ziel zu erreichen, plant VW offenbar auch bei der Plattform-Strategie um: Statt vier Modellarchitekturen soll laut dem „Manager Magazin“ künftig eine zentrale Basisstruktur „für so gut wie alle Autos“ eingesetzt werden. Die „Scalable System Platform“ oder kurz SSP soll vor allem die Elektronik-, Software- und Rechnersysteme für die Autos umfassen. An diesen Kern können dann die Antriebs- und Batteriesysteme angedockt werden, so der Bericht.
Sollten die in dem Bericht ohne genaue Angabe von Quellen genannten Information – es wurden lediglich Formulierungen verwendet wie „hieß es bei Volkswagen“ – zutreffen, würde das nicht nur den MEB in seiner heutigen Form beeinflussen, sondern auch die weitere Produkt- und Plattformstrategie des Konzerns. Eine Bestätigung oder ein Dementi seitens VW enthält der Bericht aber nicht.
Ebenfalls ohne konkrete Nennung von Quellen berichtet das „Manager Magazin“ über eine erste Folge der Strategie: Das bei Audi angesiedelte Artemis-Projekt, in dessen Rahmen bis 2024 eine Premium-Elektro-Limousine entwickelt werden sollte, wird offenbar neu aufgesetzt. Obwohl Audi erst im Dezember die Taskforce Artemis zu einer eigenen GmbH gemacht hatte (mit dem Projektleiter Alex Hitzinger als Geschäftsführer), soll Audi nun eine Kehrtwende vollzogen haben. Das Modell – in Berichten immer wieder „Landjet“ genannt – solle künftig wieder von der Entwicklungsorganisation betreut werden, „heißt es bei Audi“. Geschäftsführer Alex Hitzinger verliere die Verantwortung, er solle stattdessen das mögliche Digitalgeschäft rund um das Modell betreuen.
Wie auch bei VW gibt es zu der Artemis-Passage keine Stellungnahme seitens Audi. Artemis bezeichnete auf Anfrage von electrive.net die Darstellung in dem Bericht als „sehr verkürzend“. „Artemis wurde als Inkubator und Beschleuniger gegründet und agiert als eigenständige GmbH in einem geschützten Raum“, so ein Sprecher. „Entwicklungszyklen werden durch die zur Anwendung kommenden innovativen Entwicklungsmethoden, -prozesse und -tools deutlich verkürzt. Das hat wegweisende Funktion für den gesamten Konzern.“ Das erste Modell „mit wertvollen Ideen aus dieser Tech Company“ werde 2024 an den Start gehen. „Kundenfokus ist die wesentliche und maßgebliche Richtschnur“, so der Sprecher weiter. „Darunter fallen dann gegebenenfalls auch die Ausgestaltung und Entwicklung eines Ökosystems.“ Zu den konkreten Aussagen des Artikels, wonach die Entwicklung des „Landjet“ wieder bei Audi angesiedelt sei, machte der Sprecher keine Angaben.
Wie das „Manager Magazin“ in einem weiteren Artikel schreibt, sei die „offizielle Lesart“, dass die Konzeptphase abgeschlossen sei – was durchaus zur Erklärung des Artemis-Sprechers passen könnte. „In Ingolstadt“ heiße es allerdings, dass Hitzinger „enttäuscht“ habe. Er soll zu viele Wünsche und Ideen eingebracht haben, die nicht für eine profitable Serienfertigung geeignet seien, so der Bericht. Allerdings wurde der frühere Motorsport-Entwickler von Audi-Chef Markus Duesmann (ebenfalls mit Motorsport-Hintergrund) mit dem Artemis-Projekt betreut, weil er eben nicht in den üblichen Beschränkungen der Serienproduktion denkt. Ein anderer Punkt: „Noch dazu habe man begriffen, dass Einzelmodelle nicht ausreichten gegen Tesla.“ Mit der oben beschriebenen Plattform-Strategie wären proprietäre Lösungen in der Tat kontraproduktiv.
VW entwickelt Flach-Plattform, Audi die SUV?
Die neue Aufgabenteilung zwischen Wolfsburg und Ingolstadt soll recht klar sein: VW entwickelt in seinem Projekt Trinity die passenden Plattform-Module für flache Kompakt- und Mittelklasseautos, auf denen Limousinen und Kombimodelle für den gesamten Konzern aufbauen sollen, so das „Manager Magazin“. Audi entwickle hingegen unter dem Projektnamen Apollon die SUV-Varianten.
„Wir sind schon angedockt bei Trinity“, erklärte Audi-Chef Markus Duesmann im Interview mit „Business Insider“. Der Vertraute von VW-Konzernchef Herbert Diess sagte weiter: „Wir arbeiten zusammen an einem Schwestermodell für Audi. Es gibt ein gemeinsames Projekthaus mit Volkswagen und das ist genau die Zusammenarbeit im Konzern, die wir brauchen.“
In dem Interview betonte Duesmann zudem die Wichtigkeit der Software und Steuergeräte für die ambitionierten E-Ziele. „Man braucht eine zentrale E-Computerarchitektur“, so der Audi-Chef. „Und diese Technologie für reine Elektroautos wird über das gesamte Produktportfolio skaliert.“
Aber: An dem dem Interview, zu dem am Montag ein Vorab-Bericht veröffentlicht wurde, hatte auch Hitzinger teilgenommen und wird noch als Artemis-Chef betitelt. Hitzinger äußert dort sehr wohl den Plattform-Gedanken. „Die E-Architektur mit Computer ist das Herz des künftigen Autos. Das wird dann die wahre Fahrzeugplattform sein“, so Hitzinger. „Entscheidend ist also die Computing- und die Software-Plattform. Beide müssen iterativ weiterentwickelt werden. Und nicht für jedes Modell wieder von ganz vorn.“
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