Grünen-Anfrage: Regierung kennt Ladesäulen-Probleme, handelt aber nicht
Die Bundesregierung hat Kenntnis von einigen Problemen rund um die Ladeinfrastruktur, vor allem im Bereich Verbraucherfreundlichkeit. Das geht aus der Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage von mehreren Grünen-Abgeordneten zurück. Die Oppositions-Politiker sehen in den Antworten auch ein „Wegducken“ der Regierung.
Insgesamt 55 Fragen enthält die Kleine Anfrage der Bundestags-Abgeordneten Oliver Krischer, Cem Özdemir und Tabea Rößner an die Bundesregierung. Die Antworten in der Bundestags-Drucksache 19/26354 liegen electrive.net vor.
Darin macht die Bundesregierung gleich zu Anfang klar, dass sie die Nutzerfreundlichkeit der aktuell vorhandenen Ladeinfrastruktur „insgesamt noch als ausbaufähig“ einschätzt. Bei möglichen Lösungsansätzen – genannt werden u.a. Anforderungen wie ein ungehinderter Zugang, ein einheitliches, einfaches Bezahlsystem, ein digitales Gesamtsystem zur Anzeige von Ladepunkten sowie deren Belegung, Betriebsfähigkeit und die Ladedauer – verweist die Regierung jedoch auf den Masterplan Ladeinfrastruktur aus dem November 2019 und die geplante Novellierung der Ladesäulenverordnung. Letztere sollte aber bereits im vergangenen Sommer vorliegen.
Eine große Herausforderung: In Deutschland sind bei der Bundesnetzagentur 2.362 verschiedene Ladepunktbetreiber (CPO) gelistet – laut der Antwort mit Stand 01.02.2021. Die größten 104 Betreiber, die detailliert aufgelistet werden, vereinen rund zwei Drittel aller Ladepunkte. Das restliche Drittel – immerhin 13.888 Ladepunkte laut BNetzA – teilen sich auf 2.258 Betreiber auf. Bei der Abrechnung kocht jeder dieser Anbieter oft sein eigenes Süppchen.
In Hinblick auf die Verbraucherfreundlichkeit halten die Grünen für problematisch, dass der Regierung weder Angaben darüber vorliegen, wie viele Apps für die Nutzung dieser Ladepunkte notwendig sind, an wie vielen Ladepunkten bereits per EC- oder Kreditkarte gezahlt werden kann. Auch die Daten aus der halbjährlichen Datenerhebung aus den geförderten Ladepunkten (was eine Förderbedingung ist) reichen den Grünen nicht aus. An 86 Prozent der geförderten Ladepunkte könne per „webbasiertem System“ gezahlt werden. Darunter fällt aus Sicht der Grünen „alles Mögliche“. Ihr Fazit: „Das ist nicht kundenfreundlich.“
„Die Begleitregulierung im Bereich Elektromobilität ist seit Jahren ein Trauerspiel“, sagt Krischer gegenüber electrive.net. „Das gilt insbesondere für die Verbraucherfreundlichkeit. Entweder wurde in der Vergangenheit schlecht geplant oder gar nicht.“
Immer wieder kritisiert wird zudem die nicht transparente Preisgestaltung – der Kunde weiß zu Beginn des Ladevorgangs oft nicht, was er für den Strom zahlen muss bzw. ob er die günstigste Möglichkeit gewählt hat. Hier prüft die Regierung nach eigenen Angaben derzeit, ob im Rahmen einer Novelle der Preisabgabenverordnung die Betreiber öffentlicher Ladesäulen verpflichtet werden können, eine Preisangabe „für das punktuelle Laden“ zu machen. Eine Art Preisvergleich ist nicht geplant, da dem Kunden beim vertragsbasierten Laden (also mit Ladekarte) die Ladekosten im Vorfeld bekannt seien. Dass jetzt erst eine Änderung geprüft wird, ist für die Grünen „staatlich geduldete Verbraucherunfreundlichkeit“.
Obwohl sich die Regierung im inzwischen verabschiedeten Schnellladegesetz selbst das Recht einräumt, an den im Rahmen der kommenden Ausschreibungen geförderten Ladepunkte bei den Preisen mitreden zu dürfen, ist eine generelle Regulierung der teils hohen Roaming-Gebühren nicht geplant. Hier setzt die Regierung auf den Markt: „Für die Bezahlung der Ladevorgänge steht in Aussicht, dass sich beispielsweise durch das Laden mit Plug-&-Charge und die Weiterentwicklung der Roaming-Technologie, -Netzwerke und -Plattformen einfachere und preiswertere Bezahlprozesse ergeben.“
Regierung beobachtet Blockiergebühren
Auch bei den unter Elektroauto-Fahrern umstrittenen Blockiergebühren ist keine Regulierung geplant, die Regierung beobachtet das Thema nach eigenen Angaben aber „aufmerksam“. Blockiergebühren seien eine Möglichkeit, „hoch frequentierte Ladepunkte möglichst voll auszunutzen“. Der Nutzen von Blockiergebühren soll aber erst noch analysiert werden, konkret als Teil einer Studie zu Modellquartieren für Ladeinfrastruktur, die vom Bundesverkehrsministerium angefertigt werden soll. Wann diese Studie veröffentlicht werden soll, gibt die Regierung aber nicht an.
Interessant ist auch die Antwort auf die Frage 44: „Aus Sicht der Bundesregierung liegt kein Marktversagen im Bereich öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur vor. Die aktuelle Situation ist als Markthochlaufphase einzuordnen“, heißt es dort. Noch im Sommer 2020 hatte die zum BMVI gehörende NOW GmbH zumindest beim Ausbau der Schnelllader ein Marktversagen gesehen. Die Antwort der Bundesregierung bezieht sich nun auf alle Ladepunkte.
„Es springen definitiv zu viele Ministerien in dem Feld umher und die Abstimmungsprozesse dauern ewig. Und am Ende kommt häufig bürokratischer Murks heraus, weswegen dann wichtige Förderprogramme, wie bei der Unterstützung öffentlicher Ladepunkte, kaum abgerufen werden“, sagt Krischer. Er spielt dabei auf die Antwort der Regierung an, wonach bisher nur 27,8 Millionen Euro der bewilligten 251,7 Millionen Euro an Bundesmitteln zur Ladeinfrastruktur-Förderung abgerufen wurden – also rund elf Prozent des Budgets. Und auch das jüngst verabschiedete SchnellLG ist im Verzug: Mit dem nun beschlossenen Rechtsrahmen können die Ausschreibungen starten. Bis am Ende des Prozesses Aufträge tatsächlich vergeben werden und die Bagger rollen können, wird es wohl noch dauern. Ursprünglich sollte der Ausschreibungs-Prozess schon 2020 angelaufen sein.
Quelle: Info per E-Mail
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