Mercedes errichtet „Drive Systems Campus“ in Untertürkheim
Der Zoff um den Elektro-Campus bei Mercedes scheint beigelegt: Daimler hat angekündigt, den „Mercedes-Benz Drive Systems Campus“ in Stuttgart-Untertürkheim zu errichten. Damit solle das Stammwerk auf „Electric first“ ausgerichtet werden – einschließlich der Produktion von Lithium-Ionen-Zellen.
In dem Technologie-Kompetenzzentrum sollen Elektroantriebs- und Batterietechnologie entwickelt werden, wie Daimler mitteilt. Damit untermauere man die im Oktober 2020 verkündete Strategie, so der Konzern. Das Unternehmen wird nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag in das Projekt investieren.
Nach „intensiven Verhandlungen“ hätten sich Geschäftsführung und Betriebsrat des Mercedes-Benz Werks Untertürkheim darauf geeingt, den Campus zu errichten. Der Einigung vorausgegangen war ein lange anhaltender Konflikt zwischen Management und Arbeitnehmervertretung: Als die Geschäftsführung im vergangenen Jahr die Kurbelwellenproduktion ins polnische Werk Jawor auslagern wollte (um Platz für den Campus zu schaffen), stellte sich der Betriebsrat quer. Daraufhin drohte Entwicklungsvorstand Markus Schäfer, den E-Campus an einem anderen Mercedes-Standort zu errichten. Zumindest das konnte abgewendet werden, wie die aktuelle Ankündigung zeigt.
In Untertürkheim, gleichzeitig der größte Standort des Powertrain-Produktionsverbunds von Daimler, sollen nun Forschung, Entwicklung und Produktionsanläufe von Antriebssystemen konzentriert werden. „Die Vereinbarung stärkt die Rolle von Untertürkheim als Entwicklungs- und Qualifizierungs-Hub für Antriebstechnologien“, so Daimler.
Die bereits in Untertürkheim etablierten E-Technikum und Zell-Technikum sollen in den Campus integriert werden, ebenso die in Esslingen-Nabern angesiedelte Forschungs- und Entwicklungsumfänge im Bereich der Batterie, darunter verschiedene Prüfstände. Das Zell-Technikum solle so erweitert werden, „um die gesamte Wertschöpfungskette der Batterietechnologie abbilden zu können“ – von der Grundlagenforschung, der Vorentwicklung und dem Design von Batteriezellen bis hin zu einer Kleinserienfertigung, um die „serienreife Produzierbarkeit“ zu erproben.
Damit erhält der Standort auch die lange vom Betriebsrat geforderte Batteriezell-Produktion – wenn auch nur als Kleinserie. Diese soll bis 2023 in Betrieb gehen. Zudem soll auf dem Campus auch ein eigenes „Battery Safety Lab“ errichtet werden, was die bisherigen Kapazitäten bei der Batterie-Entwicklung erweitern soll.
Bei der Serienfertigung soll sich der Standort nicht auf Batterien, sondern auf elektrische Antriebssysteme konzentrieren. Eine Grundsatz-Einigung, Teile des elektrischen Antriebsstrangs (eATS) am Standort Untertürkheim zu produzieren, wurde bereits im Dezember 2019 erzielt. Der Fokus auf Batterie- und elektrische Antriebssysteme bedeute aber auch, dass „die konventionelle Motoren-, Getriebe- und Komponentenfertigung schrittweise ausläuft, was sich auf Beschäftigungsprofile und -umfänge auswirken wird“, so Daimler. Denn: Bei neuen konventionellen Antrieben wolle man die „Flexibilität des globalen Powertrain-Produktionsverbunds“ nutzen. „Neue Produktionsumfänge werden eingehend hinsichtlich Maximierung von Effizienz- und Rentabilität geprüft“, so Daimler.
In der Mitteilung zu dem E-Campus gibt der Konzern auch an, dass die nächste Generation von Elektromotoren „in-house“ entwickelt werden, „ausgestattet mit Wechselrichter und Hochvolt-Technologie“. Die Fertigung und Montage von Teilen des eATS ab 2024 soll das Produktportfolio am Standort „abrunden“.
Untertürkheim soll Batterien montieren, nicht die Zellen fertigen
Dennoch wird es auch in der Produktion in Untertürkheim um Batterien gehen, jedoch um die Montage von Batteriesystemen aus zugekauften Zellen. Im Werksteil Brühl (der zwar in Esslingen liegt, von Daimler aber noch zum Werk Untertrürkheim gezählt wird) sollen ab 2022 Batterien für Plug-in-Hybride montiert werden. Bereits in diesem Jahr läuft im Werksteil Hedelfingen die Montage von Batteriesystemen für den EQS an, der 20 Kilometer entfernt im Fahrzeugwerk Sindelfingen gebaut wird. Später sollen auch die Batterien für den EQE in Hedelfingen montiert werden.
„Eine führende Rolle bei Elektrofahrzeugen zu übernehmen bedeutet, unsere eigene Forschung und Entwicklung zu stärken und mit globalen Technologiepartnern maximale Fortschritte zu erzielen“, sagt Entwicklungsvorstand Schäfer nun zu der Einigung. „Ich bin fest davon überzeugt, dass in der Entwicklung und Produktion ein optimaler Zugang zu neuen Technologien und globalem Know-how sowie die Fokussierung des Kapitals auf CO2-neutrale Investitionen in Zukunft wichtiger denn je sein werden. Dies erfordert maximale Flexibilität und konsequentes Hinterfragen bestehender Strukturen.“ Ein klarer Schwerpunkt liege auf der „Forschung und Verfahrenstechnik der Batterie- und Zelltechnologie unter Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette“.
Produktionsvorstand Jörg Burzer ergänzt: „Mit dem Mercedes-Benz Drive Systems Campus ist die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Antriebssysteme von morgen zu einem sehr großen Anteil am Standort gestaltet werden können. Darüber hinaus wird die Produktion von Hightech-Batteriesystemen und elektrischen Antriebssystemen ‚made in Untertürkheim‘ auch künftig Mercedes-Benz Fahrzeuge definieren.“
Ein Vertreter der Arbeitnehmerseite kommt in der Mitteilung nicht zu Wort.
Unabhängig von dem Campus in Untertürkheim hatte am selben Tag auch die 100-prozentige Mercedes-Tochter AMG den Spatenstich für ein neues E-Prüfzentrum an seinem Stammsitz in Affalterbach verkündet.
daimler.com
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