VW: 70 Prozent reine E-Autos bis 2030 in Europa
Die Marke Volkswagen hat ihre neue Strategie „ ACCELERATE“ vorgestellt und will in diesem Rahmen seine Elektro-Pläne nochmals beschleunigen. Dabei nennt VW auch konkrete Modell-Pläne – nur bei dem E-Kleinwagen gehen die Wolfsburger noch nicht ins Detail.
Wie das Unternehmen mitteilt, soll bis 2030 der Anteil reiner E-Autos am Absatz in Europa auf über 70 Prozent steigen – eine Verdoppelung gegenüber der bisherigen Planung von 35 Prozent. In den USA und China peilt das Unternehmen im selben Zeitraum einen E-Anteil von mehr als 50 Prozent an. „Jedes Jahr bringen wir mindestens ein neues Elektroauto“, sagt VW Markenchef Ralf Brandstätter bei der Strategie-Vorstellung. „Wir machen Tempo und gehen in große Stückzahlen und decken alle Segmente ab.“
Konkret bedeutet das laut der Ankündigung: Noch in der ersten Jahreshälfte 2021 soll der allradgetriebene ID.4 GTX auf den Markt kommen, bisher gibt es den ID.4 nur mit einem Heckmotor in drei Leistungsvarianten. In der zweiten Jahreshälfte soll das ebenfalls in Zwickau gebaute SUV-Coupé ID.5 folgen, die Vorserienproduktion läuft hier bereits. VW hatte bereits angegeben, dass der ID.5 vorrangig für Europa gedacht ist – eine Produktion in den USA oder China ist bisher nicht geplant.
Für den wichtigen chinesischen Markt plant Volkswagen ohnehin ein anderes Modell: Dort soll im Herbst der ID.6 X / Cross, ein siebensitziges Elektro-SUV auf den Markt kommen – wie beim ID.4 wird es also eine Version von SAIC-VW und eine von FAW-VW geben.
Die Pläne für ein Elektroauto unterhalb des ID.3 mit einem Einstiegspreis ab 20.000 Euro werden laut Volkswagen um zwei Jahre auf 2025 vorgezogen. Hier geht die Mitteilung des Unternehmens aber nicht weiter ins Detail. Früheren Berichten zufolge soll dieses Fahrzeug (möglicherweise ID.2 genannt) von Volkswagen Anhui (früher JAC-VW) in China entwickelt werden. Die Produktion soll zunächst in China für die Weltmärkte erfolgen, später sei eine Produktion in Europa möglich, hieß es im November 2020 – Favorit war offenbar das Seat-Werk in Martorell. Aber: Laut dem damaligen „Handelsblatt“-Bericht sollte die Fertigung zunächst in China starten und ab 2025 auch in Europa erfolgen. Wenn VW laut den aktuellen Angaben überhaupt erst 2025 mit dem E-Kleinwagen auf den Markt kommen will, könnten die Pläne geändert worden sein. In Spanien bereitet man sich hingegen schon auf eine E-Auto-Produktion ab 2025 vor.
Zurück zu den bestätigten Angaben aus der Strategie-Präsentation: Den E-Antriebs-Baukasten MEB will Volkswagen kontinuierlich hinsichtlich Beschleunigung, Ladeleistung und Reichweite optimieren. Der neue vollelektrische Baukasten für Flachfahrzeuge wird Scalable Systems Plattform heißen und erstmals 2026 im Leuchtturmprojekt Trinity zum Einsatz kommen. In einer weiteren Mitteilung, die sich ausschließlich um Trinity dreht, bekräftigt VW die in der Strategie-Präsentation genannten Ziele – mit Zahlen hinterlegt VW die „neuen Standards bei Reichweite, Ladegeschwindigkeit und Digitalisierung“ aber nicht.
Aber: Volkswagen wird nicht nur die E-Autos weiterentwickeln, sondern auch die Verbrenner-Flotte. Konkret wird angekündigt, dass „alle Kernmodelle“ – genannt werden der Golf, Tiguan, Passat, das China-Modell Tayron sowie das kleine SUV T-Roc – nochmals einen Nachfolger bekommen. Modelle wie den Polo, Touareg oder T-Cross nennt VW an dieser Stelle aber nicht. „Wir brauchen den Verbrenner noch auf bestimmte Zeit, aber so effizient wie möglich“, sagt Brandstätter laut der Mitteilung. „Deshalb bekommt die nächste Generation unserer Kernprodukte – die allesamt Weltmodelle sind – auch die neuste Generation der Plug-in-Hybrid-Technik, mit bis zu 100 Kilometern elektrischer Reichweite.“
Die bisher bekannte Modellvielfalt wollen die Wolfsburger dann aber nicht mehr bieten. Künftige Fahrzeug-Generationen sollen mit erheblich weniger Varianten produziert werden. Die Fertigung soll auch durch den großflächigen Einsatz von „Functions on Demand“ vereinfacht werden: Die individuelle Konfiguration des Autos wird dann nicht mehr über die Hardware beim Kauf festgelegt, sondern kann per Software später frei- oder abgeschaltet werden.
https://www.youtube.com/watch?v=9hoaRlHoXgw
„Wer glaubt, allein mit dem Elektroauto sei man bereits in der Zukunft angekommen, der irrt“, sagt Brandstätter in einem auf YouTube veröffentlichten Video zu der Strategie-Vorstellung. „Der wahre Game Changer ist die Digitalisierung. Elektrifizierung, Software-definierte Produkte, neue Geschäftsmodelle und autonomes Fahren. Diese vier großen Kräfte treiben die zukünftige Entwicklung von Fahrzeugen.“
Bei den neuen Geschäftsmodellen denkt VW offenbar auch an das bidirektionale Laden und will dort laut einem Bericht „Milliarden-Erlöse mit E-Autos als Stromspeicher“ erzielen. Wie Chefstratege Michael Jost gegenüber der „WirtschaftsWoche“ sagte, werde sich die Speicherkapazität der bis dahin abgesetzten E-Autos „auf rund ein Terawatt“ addieren. „Unsere Autos werden mehr Speicherkapazität haben als alle Stauseen zusammen“, so Jost. „Wenn wir die Autos als Stromspeicher einsetzen, sollte es möglich sein, pro Auto eine jährliche Vergütung von bis zu 500 Euro von den Energieversorgern zu bekommen.“ Von dieser Vergütung könnten „die Autobesitzer und auch wir profitieren“.
Doch diese Entwicklung kostet erst einmal Geld, in der Mitteilung beziffert Volkswagen die Investitionen bis 2025 in den genannten Bereichen auf 16 Milliarden Euro. Für die Refinanzierung erhält die „ACCELERATE“-Strategie auch einige Effizienz-Ziele: Bis 2023 sollen die Fixkosten um fünf Prozent sinken, die Produktivität der Werke jedoch um fünf Prozent pro Jahr gesteigert werden. Zusammen mit Einsparungen bei den Materialkosten um sieben Prozent sollen „alle Regionen nachhaltig in die schwarzen Zahlen“ gebracht werden. In den USA soll so bereits in diesem Jahr die Gewinnzone erreicht werden, mit 15 Prozent weniger Absatz. In Südamerika will VW nach eigenen Angaben mit 30 Prozent weniger Absatz profitabel sein. Das globale Ziel: 2023 soll die operative Marge bei sechs Prozent liegen.
„Wir werden Volkswagen in den kommenden Jahren so stark verändern wie nie zuvor“, sagt Brandstätter. „Wir wollen die führende Position aufrecht erhalten, Volkswagen wird die begehrenswerteste Marke für nachhaltige Mobilität.“
volkswagen-newsroom.com (Strategie), volkswagen-newsroom.com (Trinity), wiwo.de (Jost-Aussagen zu Stromspeichern)
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