Für wen Akku-Wechselstationen eine Überlegung wert sind

Wer Elektrofahrzeuge anschafft, ist nicht zwangsläufig auf den Aufbau von Ladeinfrastruktur angewiesen. Zumindest bei elektrisch betriebenen Leichtfahrzeugen ist auch der Akkutausch möglich. Für wen eignet sich dieser Ansatz? Darüber haben wir mit Swobbee-CEO Thomas Duscha gesprochen.

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Swobbee ist der einzige deutsche Anbieter von Akku-Wechselstationen, auch beim Blick über die Nachbargrenzen sind die Berliner ziemlich konkurrenzlos. Europaweit hat Swobbee bereits 39 dieser „Schränke“ installiert, die in einzelnen Fächern die bis zu zehn Kilogramm schweren Wechselbatterien aufladen und bereit halten. Wer kompatible, leichte E-Fahrzeuge wie E-Cargobikes oder E-Scooter nutzt und mit Swobbee einen Batteriemietvertrag unterhält, kann diese Stationen zu jeder Tageszeit anfahren und seine leeren Akkus gegen vollgeladene Exemplare tauschen – und zwar „in unter 30 Sekunden“, wie der Anbieter auf seiner Webseite wirbt.

Als eine von Swobbees Zielgruppen gelten alle, die im urbanen Umfeld etwas zu transportieren haben – allen voran Logistiker, Lieferdienste, Handwerker und Gewerbetreibende. „Vorteilhaft ist, wenn der Stopp an der Wechselstation ,on the run‘ erfolgt. Also wenn der Batterietausch nebenbei auf einer ohnehin geplanten Route erledigt werden kann“, sagt Thomas Duscha, Geschäftsführer des jungen Unternehmens, das es in seiner aktuellen Form als Battery-as-a-Service-Spezialist seit September 2020 gibt. Insofern sind Paketdienstleister prädestiniert, deren Geschäftsmodell schließlich aus dem Pendeln zwischen Depots und Auslieferbezirken besteht.

Nach Testphasen haben Anbieter wie dpd und Hermes das Akkutausch-Prinzip mit Swobbee-Stationen denn auch schon punktuell adaptiert. Beide Zustelldienste setzen in Zuge der Einrichtung von Mikrodepots in Berlin auf Swobbee-Wechselstationen, um ihre E-Lastenradflotten im Dauereinsatz zu halten. Die Zustellung per Lastenrad forcieren die Paketzulieferer vor allem in dichtbesiedelten Zustellbezirken mit hohem Sendungsaufkommen. Während dpd seit Kurzem eine neben seinem Mikrodepot am Prenzlauer Berg installierte Wechselstation an einer Sprint-Tankstelle nutzt, hat Hermes dieser Tage in seinem Depot in Berlin-Tempelhof auf dem firmeneigenen Gelände eine solche Station in Betrieb genommen.

Unternehmenschef Duscha will sich aber nicht allein auf die Zustelldienste fokussieren. Er sieht Potenzial vor allem in drei Märkten: die „Last-Mile“-Logistik, wie gerade ausgeführt, den Personen-Transport und Sharing Economy-Anwendungen. Unter der zweiten Kategorie versteht er beispielsweise die Mitarbeiter-Mobilität auf großen Campusgeländen oder auch Angebote speziell für Gewerbetreibende, die das Leasing eines E-Rollers samt Akku-Wechsel-Flatrate beinhalten. Solch ein Sonderangebot hatte Swobee zusammen mit Zweirad-Hersteller Kumpan bereits 2020 mit der Frühjahrsaktion „100 E-Roller für Berlin“ ins Leben gerufen. Ähnliche Initiativen sind nun wieder geplant. „Die Saison geht gerade los“, sagt Duscha.

Im dritten Geschäftsfeld bietet sich Swobbee als Partner zum Aufbau von Sharing-Flotten an. So erübrigt sich für potenzielle Betreiber von Sharing-Angeboten die Installation einer eigenen Infrastruktur. „Ein Beispiel dafür sind die Jenaer Verkehrbetriebe“, schildert Duscha. Zusammen mit Kumpan und Swobbee haben die Verkehrsbetriebe einen öffentlichen Elektroroller-Sharingdienst namens Evita kreiert, der beim Laden komplett auf Swobbees Wechselstationen setzt. „Drei Stationen haben wir dazu vor Ort installiert“, erläutert Duscha.

Möglich ist der Akkutausch generell natürlich nur mit kompatiblen Batterien. Swobbee hat sein Angebot inzwischen auf fünf Batteriemarken erweitert: Neben Greenpack stehen auch Akkus von Kumpan, Torrot, Okai und Segway-Ninebot zur Verfügung. Dadurch hat sich auch der Kreis der wiederum kompatiblen Fahrzeuge erweitert. Die Auswahl reicht von klassischen elektrifizierten Rollern und Cargorädern über Dreiräder, E-Bikes, Lastenanhänger bis hin zu pedalgestützten Fahrzeugen mit Dach, Velotaxis, Rikschas und sogenannte Radkutschen. Auch die Marken-Vielfalt wächst: Torrot, Kumpan, Ono, Bayk, Carla Cargo, Citkar, Cargocycling, MaxPro… und das ist nur eine unvollständige Aufzählung.

Duscha ist es gewohnt, Überzeugungsarbeit zu leisten, schließlich konkurriert das Geschäftsmodell von Swobbee mit klassischen Ladevorgängen, die bei Mikromobilitätsanwendungen ja auch nicht ewig dauern. „Vorteile sind, dass die Investitionen in die Ladeinfrastruktur entfallen, dass mit uns in Lagern das Ladechaos beseitigt wird, die Fahrzeuge viele Anfahrtszyklen schaffen und nicht zwischendurch an der Steckdose hängen – und wir auch das Monitoring beim Ladeprozess übernehmen.“ Er merkt zudem an, dass Firmen beim eigenen Laden von Batterien auch Versicherungs-, Arbeitssicherheits- und Steueraspekte beachten müssten. „Je größer das Unternehmen, umso komplexer sind da die Vorschriften.“

Das alles erspare eine Akku-Wechselstation von Swobbee. Als Voraussetzung zur Installation braucht es nicht viel: „Zwei Quadratmeter fester Untergrund, ordentlicher Handyempfang (für die Software-Anbindung, Anm. d. Red.) und ein Hausanschluss zur Stromversorgung reicht völlig“, zählt Duscha auf. Aus Berlin ist seine Firma mit den Wechsel-Stationen inzwischen deutschlandweit expandiert, etwa nach Bochum, Stuttgart oder Frankfurt am Main. Einen der „größten Sharing-Anbieter“ habe sein Unternehmen zudem für ein Projekt in Düsseldorf unter Vertrag genommen, kündigt Duscha an. Details dazu will er in Kürze publik machen. International hat Swobbee in den Niederlanden und in Großbritannien Fuß gefasst.

Ähnliche Geschäftsmodelle verfolgen zurzeit höchstens indische und chinesische Unternehmen. Wie diese vorgehen, interessiere sein Team durchaus, sagt Duscha. Dabei wird nach den Worten des Unternehmenschefs aber auch klar, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland besser sein können. „Im Gegensatz zu diesen Ländern gibt es hier keine Förderung für elektrische Leichtfahrzeuge“. Und: „Während in Deutschland jeder Ladepunkt bezuschusst wird, fallen wir unter keinerlei Förderprogramm“, merkt Duscha. „Hier wäre es Zeit für eine Ergänzung.“

Swobbees Wurzeln liegen wie oben erwähnt in Berlin, wo auch jetzt noch die höchste Dichte von Wechselstationen herrscht. Los ging dort alles vor zweieinhalb Jahren mit fünf Standorten. Seinerzeit gab Greenpack als Vorläufer der heutigen Swobbee GmbH zusammen mit der Berliner Agentur für Elektromobilität eMO sowie den Bundesverbänden solare Mobilität (BSM) und Energiespeicher (BVES) den Startschuss für ein Pilotprojekt. In kürzester Zeit bekamen die Initiatoren jede Menge Zulauf, etwa von dpd, Hermes, Chargery, Ono sowie den Tankstellenketten Aral, Total und Sprint. Nach Ende der Projektlaufzeit wurden die fünf Stationen in den Regelbetrieb übernommen, erst durch weitere Standorte in Berlin und dann bundesweit und international ergänzt.

Als GreenPack mobile energy solutions GmbH im Oktober 2017 gestartet, benannte sich das Berliner Startup im September in die Swobbee GmbH um. Damit unterstrich das Team um Thomas Duscha die Neuausrichtung auf seine Infrastruktur-Lösung Swobbee als hauptsächliches Geschäftsmodell des Unternehmens, nachdem der Batteriespezialist Ansmann im August 2020 die Lizenzrechte am Greenpack-Akku übernommen hatte.

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