Audi Q4 e-tron: Paradebeispiel für technische Ästhetik
Audi schafft ein neues Einstiegsmodell für alle, die mit einem elektrischen Allrounder liebäugeln: Der Q4 e-tron ist die Batterie-elektrische Alternative zum konventionellen Audi Q5. Außerdem ist er nach Volkswagen ID.4 und Skoda Enyaq das dritte Kompakt-SUV auf Basis des MEB. Nur einen Tag nach der Vorstellung des Modells geht’s hier zum Fahrbericht.
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Was bei Volkswagen oben ist, ist bei Audi unten. Die Ingolstädter verkaufen mit dem Q4 e-tron sowie dem Q4 e-tron Sportback jetzt die dritte elektrische Baureihe: Nach dem schlicht e-tron genannten großen SUV und der Sportlimousine e-tron GT rundet der Q4 e-tron das Portfolio ab. Er ist das Einstiegsmodell der Elektroautos von Audi und basiert auf dem Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) des Konzerns. Bei der ersten Begegnung Ende Februar in einer gesicherten Halle in Hamburg ist sofort klar: Audi hat den Markenkern der technischen Ästhetik perfekt umgesetzt. So muss er aussehen. Treffer.
Während drinnen die ungetarnten Serienprodukte zum Betrachten und Ausprobieren einladen, wartet draußen eine Reihe Testwagen mit wilder Folierung als Rest-Camouflage. Also Tür auf, einsteigen und starten. Der Audi Q4 e-tron ist mit 4,59 Meter Länge ein Mü kürzer als der Q5 und trotzdem innen großzügiger. Besonders hinten. So ist das eben, wenn ein Elektroauto von vornherein als solches konstruiert wurde und 2,76 Meter Radstand hat. Erstmals und in Abgrenzung zu Volkswagen ID.4 und Skoda Enyaq kommt im Q4 e-tron ein Zweispeichenlenkrad mit Slidern statt Druckknöpfen zum Einsatz. Das läuft geschmeidig und intuitiv, wie überhaupt die Software selbst im Vorserienstadium nichts mit dem Stolpern zu tun hat, das den Start des Volkswagen ID.3 prägte.
Geschwindigkeitsübernahme „mit Toleranz“
Ein Beispiel für den Feinschliff bei der Software ist die Fahrautomatisierung. Bei der ersten Tour über die Autobahn identifizierte der Q4 e-tron alle Tempolimits korrekt und übernahm sie in die automatische adaptive Geschwindigkeitsregelung. So weit, so gut – das kann ein 3er BMW auch. Ein Polestar 2 dagegen nicht. Der Q4 bietet zusätzlich die Möglichkeit, die Anpassung der Geschwindigkeit „mit Toleranz“ zu übernehmen. Er bremst also nicht abrupt runter, wenn nach dem 100 km/h- ein 80 km/h-Schild folgt, sondern verzögert natürlicher. Das Gefühl, eher von einem Chauffeur als von einer Maschine unterstützt zu werden, bietet auch die prädiktive Rekuperation. Und wie immer lässt sich alles abstellen oder manuell übersteuern.
Dass der Q4 e-tron sehr leise ist, versteht sich von selbst, und die adaptive Dämpfung („drive select“) macht ihren Job im Automatikmodus sehr angenehm. Bei Bedarf geht es auch ordentlich, aber nicht brachial nach vorne: Der Testwagen von electrive.net hatte die Spitzenmotorisierung mit Allradantrieb, einer Batteriekapazität von 77 Kilowattstunden (kWh) netto und einer Systemleistung von 220 kW. Genug für 6,2 Sekunden im Standardspurt und ungefähr gleichauf mit dem stärksten Selbstzünder im Q5. Die Anhängelast wächst beim e-tron mit Allradantrieb im Vergleich zu den heckgetriebenen Versionen von einer auf 1,2 Tonnen. Das ist ebenso etwas weniger als im Hyundai Ioniq 5 (1,6 t) wie die Ladeleistung, die DC-seitig zurzeit bei höchstens 125 kW (Ioniq 5: 220 kW) endet. Leider bietet Audi in der Basisversion mit kleiner Batterie (58 kWh) lediglich ein AC-Ladegerät mit 7,2 kW an, während die anderen Q4 e-tron serienmäßig elf kW dreiphasig ziehen können. Ein falscher Geiz, den Audi überdenken sollte.
Audi hat auch das Augmented Reality (AR) Display anders als Volkswagen interpretiert. Vorweg: So simpel die Funktion für den Fahrer erscheint, so aufwändig ist sie im Aufbau. Es ist eben nicht damit getan, einfach einen blauen Navigationspfeil – die Sprachsteuerung für die Zielführung mit „hey, Audi“ arbeitet sehr gut – auf einer zweiten Tiefenebene (offizieller Eindruck: wie eine „70 Zoll“ Diagonale) einzublenden. Zwei Beispiele verdeutlichen, was alles berücksichtigt werden muss: Wenn der Q4 e-tron über Bodenwellen fährt, dürfen die Projektionen nicht auf- und ab schwingen. Und in einem mehrspurigen Kreisverkehr wirkt der Navigationspfeil tatsächlich wie von Audi beworben als Drohne, die den Weg weist. Er zeigt scheinbar vor dem Fahrzeug schwebend hinein ins Rund (also nach rechts), dann im Kreisel bleibend (also nach links) und zeitnah wieder nach rechts hinausweisend, und das alles Millisekunden-genau und ohne zu verwirren. Klappt. Der Autor dieses Beitrags hat allerdings die Markierungen für die Warnung beim Spurverlassen sowie die für das Erkennen des Vorausfahrenden im ACC-Betrieb deaktiviert. Alles Geschmackssache, alles einstellbar.
280 km Autobahn-Reichweite
Dass der Audi Q4 e-tron bei Richtgeschwindigkeit mit 27,5 kWh / 100 km (rechnerische Reichweite 280 km, Außentemperatur zehn Grad) in etwa so viel Strom konsumierte wie der Volkswagen ID.4 bei einer Stichprobe von electrive.net (26,8 kWh / 100 km) im Dezember ist nicht verwunderlich. Im dichten Stadtverkehr zeigte der Bordcomputer 21 kWh / 100 km an, und im Mittel der lediglich 75 km langen Spritztour lagen 24,6 kWh / 100 km (entsprechend 313 km) an. Dieser Durchschnittswert übertraf den des ID.4 von 22,3 kWh / 100 km leicht. Ob diese Differenz den zufälligen Tagesumständen von Verkehrsfluss und Wetter geschuldet war oder ob sich hier das höhere Gewicht der Allradversion (der ID.4 kam mit Heckantrieb) sowie breitere Reifen niederschlagen, müsste ein direkter Vergleich zeigen.
Dass Kaufinteressenten diesen Vergleich zum VW tatsächlich anstellen, darf bezweifelt werden. Kunden im Premiumsegment schielen wohl eher zum Mercedes EQC oder zum BMW iX3. Beides Elektroautos, die nicht verbergen können, dass sie Conversion Vehicles sind, also von Fahrzeugen abgeleitet, die einstmals für einen Verbrennungsmotor konstruiert wurden. Und das Tesla Model Y ist noch nicht verfügbar.
Noch eine Anmerkung zum Q4 e-tron Sportback: Er hat eine etwas günstigere Aerodynamik (cW 0,26 statt 0,28) und eine bessere Kofferraumausformung (535 statt 520 Liter). Beim größeren e-tron entfallen etwa ein Drittel der Verträge auf die Karosserieform des Schrägheck-SUVs, deren erster Vertreter 2008 der BMW X6 war.
Premium ab 41.900 Euro
Der Audi Q4 e-tron überzeugt durch Qualität und Ästhetik zu einem angemessenen Preis: Bei 41.900 Euro geht es los und weiter bis circa 60.000 Euro für eine Topversion. Von diesen Summen kann jeweils die so genannte Innovationsprämie von 9.570 Euro brutto abgezogen werden. Selbstständige und Dienstwagenberechtigte freuen sich außerdem auf die monatlich nur 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises betragende Versteuerung des geldwerten Vorteils der Privatnutzung. Die meisten, aber nicht alle Ausstattungsvarianten des Q4 e-tron unterbieten die magische Schwelle von 60.000 Euro, ab der ein halbes Prozent fällig ist – was immer noch nur die Hälfte dessen ist, was die Käufer eines TDI oder TSI abdrücken müssen.
Kompakte SUVs wie der Q4 e-tron sind die neuen Universalisten. Höchster Komfort, modernste Software und die gediegene Kraft eines Elektromotors sind der neue Maßstab, und da ist der Audi weit vorne. Nur für Vielfahrer dürfte die Kombination aus Reichweite und Ladeleistung noch nicht ausreichend sein. Diese müssen, wenn sie nicht das Geld für einen e-tron GT aufbringen können oder wollen, bis 2022 warten. Dann, so geht das Gerücht, wird Audi ein Elektroauto auf Basis der Premium Platform Electric (PPE) des Konzerns bringen, also mit einem 800-Volt-Batteriesystem, das aus der J1 des e-tron GT entwickelt wird und hohe DC-Ladeleistungen realisieren kann. Wir tippen bei der Karosserieform auf eine Limousine mit geringer Stirnfläche, die auf den internationalen Märkten gegen BMW i4 und Tesla Model 3 antreten wird.
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