Aquila ersetzt Kranz bei Canoo / Details zu Neuausrichtung

Mit Ulrich Kranz verlässt der nächste Mitgründer das kalifornische eMobility-Startup Canoo. Kranz tritt mit Wirkung zum 30. April als CEO zurück. Die Position des CEO wird ab dann zusätzlich von Executive Chairman Tony Aquila übernommen. Auch zur künftigen Ausrichtung des Startups gibt’s Neuigkeiten.

Zunächst zur Personalie: Vor knapp einem Jahr hatte bereits Mitgründer Stefan Krause das Unternehmen verlassen, Ex-Opel-Chef Karl-Thomas Neumann war schon 2019 bei Canoo ausgeschieden – Neumann war aber nicht Teil des Gründer-Teams. Kürzlich trat auch der bisherige Canoo-Finanzchef Paul Balciunas zurück. Nun teilt Canoo in einer offiziellen Pressemitteilung mit, dass auch Ulrich Kranz das Unternehmen zum Monatsende verlässt, ebenso Chefjurist Andrew Wolstan, der durch Hector Ruiz ersetzt wird – ein Aquila-Vertrauter, der mit diesem zuvor bei Solera Holdings, Aquilas vorheriger Firma, gearbeitet hat.

Der Umbau von Canoo vollzieht sich im Windschatten des SPAC-Börsengangs, denn Aquila übernahm als Teil der SPAC-Fusion Ende 2020 die Rolle als Executive Chairman von Canoo. Der Executive Chairman ist Vorsitzender des Kontrollgremiums (vergleichbar mit dem deutschen Aufsichtsrat), aber als „Executive Chair“ nimmt er zugleich eine vom CEO unabhängige Leitungsfunktion über die Geschäfts des Unternehmens ein.

Bei Canoo war es angedacht, dass Kranz als CEO das Unternehmen leitet und Aquila mit seiner Investoren-Erfahrung den Börsengang des Unternehmens begleitet – also auch eine operative Aufgabe übernimmt. Doch wie sich inzwischen gezeigt hat, nimmt Aquila auch weit über den Börsengang hinaus Einfluss auf die Ausrichtung von Canoo: Seitdem hat er sich laut „The Verge“ darauf konzentriert, das Startup weg von seinem ursprünglichen Ziel hin zur Entwicklung von mehr Truck-ähnlichen Fahrzeugen für kommerzielle Flotten zu bewegen.

Er ließ diesen Strategiewechsel bereits im März bei der ersten Telefonkonferenz mit Investoren anklingen, bei der auch offensichtlich wurde, dass die Kooperation mit Hyundai und Kia nicht weiterverfolgt wird. Dass Kranz nicht mehr durchdringt, ließ schon die Tatsache erahnen, dass er als CEO bei dieser Telefonkonferenz nicht anwesend war.

Tony Aquila, der selbst zu den größten Investoren von Canoo gehört, wird ab Mai also die Doppelspitze aus Executive Chairman und CEO geben. Das Geschäftsführungsbüro wird in diesem Zuge nach Dallas verlegt, Kalifornien werde aber weiterhin die Heimat der Konzeptentwicklung einschließlich Design und Technik bleiben, heißt es.

In einer Mitteilung zur neuen Postenverteilung wird Aquila mit folgenden Worten zitiert: „Wir konzentrieren uns darauf, das Unternehmen so auszurichten, dass es die größte Marktnachfrage befriedigen kann.“ Dafür habe er mit internen und externen Experten eine umfassende Analyse durchgeführt. Ergebnis ist, dass der vollelektrische Pickup-Truck auf Basis der Canoo-Plattform „eine bedeutende Rolle für das Wachstum des Unternehmens spielen wird“. Die Produktionsversion soll ab dem zweiten Quartal 2021 bestellbar sein, die Auslieferung 2023 beginnen.

Strategiewechsel: Pickup kommt zuerst, der Minibus nicht im Abo

Im Gegenzug nimmt das kalifornische Startup von dem ursprünglichen Plan Abstand, seinen 2019 vorgestellten E-Minibus über ein Abonnement-Modell zu vertreiben. Danach hatte Canoo zwei weitere E-Fahrzeug-Konzepte vorgestellt: ein Mehrzweck-Lieferfahrzeug und zuletzt besagten Pickup-Truck.

Aquila präzisiert die neue, zweistufige Strategie wie folgt: „In Phase 1 werden wir, wie bereits angekündigt, die Auftragsfertigung nutzen, um die Produktion des MPP1 LV-Derivats (der Pickup-Truck, Anm. d. Red.) zu starten. Wir werden die Auswahl unserer Partner in Kürze bekannt geben. In Phase 2 werden wir unsere Mega-Mikro-Fabrik vorantreiben, in der wir unser MPP1 und bestimmte hochvolumige Derivate herstellen werden. Wir befinden uns in fortgeschrittenen Gesprächen mit einer Reihe von Gouverneuren und ihren Teams über den Standort und glauben, dass dieser Schritt zur Schaffung von etwa 2.000 gut bezahlten Arbeitsplätzen führen wird.“

Grundsätzlich will Aquila alle drei vorgestellten Fahrzeuge auf der Canoo-Plattform bauen. Außerdem sagt er ausdrücklich, dass die Sparte der „Contract-Engineering-Services“, also Entwicklungsdienstleistungen für andere OEM, entwertet wird. „Dies wird nicht nur unser geistiges Eigentum schützen, sondern auch die Schaffung von geistigem Eigentum und die Einführung unserer Derivate beschleunigen, was wiederum unsere Chance auf die höchste Kapitalrendite erhöhen wird.“

Diese Wende könnte allerdings noch die Börsenaufsicht SEC und Investoren beschäftigen. Denn Entwicklungsdienstleistungen für Dritte wurde als eines der Hauptstandbeine in Dokumenten rund um den Börsengang noch betont. Seinerzeit hieß es, dass das geplante Engineering-Dienstleistungsgeschäft „einen bedeutenden Markt für Vertrags-Engineering-Dienstleistungen unter den alten OEMs darstellt“. Zwischenzeitlich hat Canoo offenbar stillschweigend eine neue Investoren-Präsentation hochgeladen, in der Hyundai nicht mehr erwähnt wird.

Canoo wurde Ende 2017 von einer Gruppe ehemaliger Mitarbeiter des Elektroauto-Startups Faraday Future gegründet, darunter die BMW-Manager Kranz und Krause. Einer der wenigen Mitgründer, die dem Startup weiter treu ist, ist Richard Kim, der als Designer bei BMW das Styling des i8 und i3 geleitet hat.
theverge.com, canoo.com

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