Schnelllader: Wo es beim HPC-Ausbau hakt
In den kommenden Jahren werden in Deutschland und Europa Tausende neue Schnellladepunkte entstehen. Trotz der steigenden Nachfrage und der politischen Förderung wird der Ausbau aber kein Selbstläufer. Adrian Zierer, Mitgründer des Ladeinfrastruktur-Dienstleisters Charge Construct, sieht vor allem zwei große Problemfelder.
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Der Markt nimmt Fahrt auf: Es kommen zunehmend attraktive Elektroautos auf den Markt, die immer mehr Kundengruppen erreichen. In einigen Ländern gibt die Politik bereits feste Jahreszahlen für das Verbrenner-Aus (zumindest bei Neuwagen) vor, anderswo bereiten sich die Autobauer selbst auf den Wechsel zu elektrisch angetriebenen Fahrzeugen vor. Es kommt also.
Ein Punkt, der derzeit immer wieder bemängelt wird, ist der stockende Ausbau der Ladesäulen. Es würde zwar die versprochenen Fahrzeuge geben, die Schere zwischen Zulassungszahlen und verfügbaren Ladepunkten gehe aber immer weiter auseinander, monierte etwa der VDA.
Aber auch hier wird es viel Bewegung geben: In den kommenden Jahren werden nicht nur die 1.000 „Bundes-Ladeparks“ für eine hohe vierstellige Anzahl an neuen Schnellladepunkten sorgen, auch private Betreiber haben ambitionierte Pläne. Alleine die EnBW, bereits heute mit über 500 DC-Ladeparks führend, will bis 2025 auf 2.500 Schnelllade-Standorte kommen.
Wird der Tiefbau ein Flaschenhals beim HPC-Ausbau?
Ein so schneller Ausbau wird natürlich für Herausforderungen sorgen – womit der ein oder andere Stolperstein oder Flaschenhals entstehen wird. Wer einen (oder viele) Ladeparks bauen will, benötigt nicht nur Standorte, sondern auch einen entsprechend dimensionierten Netzanschluss, Trafo-Stationen, die den Vorgaben des jeweiligen Verteilnetzbetreibers genügen und natürlich die Ladesäulen selbst.
Adrian Zierer würde dieser kleinen Aufzählung noch einen weiteren Punkt hinzufügen: Er sieht den Tiefbau als potenziellen Bottleneck beim schnellen HPC-Ausbau. „Ich bin der festen Überzeugung: Die Unternehmen, die sich heute die Kapazitäten im Tiefbau sichern, werden morgen die Gewinner sein“, sagt Zierer. „Ein Hardware-Hersteller kann so viele Ladestationen bauen wie er will. Ebenso kann ein Betreiber ein Ziel von X-Tausend Standorten ausrufen. Solange es nicht Leute gibt, die die Stationen aufbauen und installieren, kommt die Ladeinfrastruktur nicht schnell genug voran.“
Zierer beschäftigt sich seit Jahren mit dem Aufbau von Ladeinfrastruktur – zunächst bei der eMobility-Beratung P3, später bei der VW-Ladetochter Elli. Damals klopften viele interessierte Unternehmen bei ihm an, die Unterstützung beim Bau ihrer Ladepunkte anfragten – Elli ist aber auf den Betrieb der Ladepunkte fokussiert.
Gemeinsam mit einem Freund, der seit vielen Jahren am Ausbau des Glasfaser-Netzes gearbeitet und dort Tiefbau-Vorhaben koordiniert hat, entstand so die Idee, den Bau von Ladestationen zum Geschäftsmodell zu machen. Das Unternehmen Charge Construct war geboren. Als Investor konnten die beiden Gründer ein Tiefbauunternehmen gewinnen, das Zierers Geschäftspartner Tim Schwenk aus seiner Zeit beim Glasfaser-Ausbau kannte. So hat sich Charge Construct nicht nur die wichtigen Tiefbau-Kapazitäten gesichert – der Investor hat selbst ein großes Interesse daran, das Geschäftsmodell seines Investments zu unterstützen.
Auftragslage bei Tiefbauern ist gut – zu gut
Der Knackpunkt: Tiefbauer sind in der Regel auf Monate ausgebucht. Aufträge für den Bau eines einzelnen Ladeparks oder von zwei Säulen auf einem Supermarkt-Parkplatz sind nur bedingt attraktiv, wenn anderswo mit einem Auftrag kilometerlange Leitungen unter die Erde gebracht werden können. Liegt aber endlich die Genehmigung für zwei Ladesäulen auf einem Parkplatz vor, sollten die Bagger auch rollen – und nicht fehlende Tiefbau-Kapazitäten das Projekt verzögern.
Hinzu kommen natürlich weitere Herausforderungen. „Ein Problem ist, dass wir bei keinem Netzbetreiber einheitliche Anforderungen an den Netzanschluss haben“, sagte etwa EnBW-Vertriebschef Timo Sillober im Januar bei seinem Auftritt bei unserer Online-Konferenz „electrive.net LIVE“. Man könne für die geplanten 2.000 Ladeparks keine Trafos vorbestellen, weil jeder Netzbetreiber unterschiedliche Anforderungen habe. „Gleichzeitig haben wir rund 50 Standorte, die gebaut sind, aber noch der Netzanschluss fehlt. Hier brauchen wir Standards auf Seiten der Netzbetreiber.“
Ein anderer CEO eines Ladeinfrastrukturanbieters berichtete im Gespräch mit electrive.net hingegen von steigenden Lieferfristen für die HPC-Säulen. Auch die Hersteller der Ladesäulen müssen ihre Fertigung skalieren. Bestellt der Ladepark-Betreiber die Säulen auf Verdacht, kann es unter Umständen teuer werden. Bestellt er erst, wenn alle Genehmigungen vorliegen, muss er bei seinem fertig erschlossenen Ladepark womöglich Monate auf die Säulen warten.
„Ohne passende Standorte keine Umsetzung“
Infrastruktur-Experte Zierer würde aber noch früher ansetzen: „Es ist ganz einfach: Ohne passende Standorte keine Umsetzung“, sagt der Charge-Construct-Gründer. „Egal mit welchem Partner ich spreche: Alle sind auf der Suche nach Standorten, an denen sie HPC bauen dürfen.“
Zu seinen Kunden zählt Zierer auch die EnBW – neben Innogy, Compleo oder GridX. Der baden-württembergische Energieversorger setzt bekanntlich nur noch auf das schnelle Gleichstrom-Laden, aber mit mehreren Standbeinen – entlang wichtiger Fernstraßen, mit urbanen Schnelllade-Hubs und mit Ladesäulen auf Einzelhandels-Parkplätzen. In den vergangenen Monaten hat der baden-württembergische Energieversorger hier zahlreiche Kooperationen mit Drogerien, Baumarkt-Ketten und großen Immobilienverwaltern verkündet. „Wir wollen die Infrastruktur dort bauen, wo der Kunde ohnehin 20 bis 30 Minuten verbringt“, sagt Sillober. „Damit lässt sich der Ladevorgang einfach in den Alltag integrieren.“ Vor allem für die Elektroauto-Fahrer, die zu Hause oder am Arbeitsplatz keinen AC-Ladepunkt zur Verfügung haben.
Ein Punkt, in dem Zierer Sillober zustimmt – nicht nur, weil er einer seiner Auftraggeber ist. „Wir empfehlen einem Supermarktbetreiber nicht, 50 AC-Ladepunkte zu bauen“, sagt Zierer. „Hier sind höhere Leistungsklassen für den Kunden das einzig Sinnvolle, da er sich an einem Supermarkt für eine AC-Ladung nicht lange genug aufhält.“ Trotz des höheren Investments sei der Business Case beim DC-Laden besser.
Selbst investieren oder bauen lassen?
Charge Construct tritt hier meist als Vermittler zwischen dem Standort-Eigentümer und dem Lade-Anbieter auf – von der Kontaktaufnahme mit dem Standort-Partner bis hin zur Übergabe der fertigen Ladestation. Aber nicht ausschließlich, teilweise kommen die Gespräche zu dem Ergebnis, dass der Standort-Eigentümer selbst in Ladeinfrastruktur investieren will. „Wenn ein Unternehmen auf uns zukommt, stellen wir eine Frage: ‚Glauben Sie an die Elektromobilität?‘. Wenn der Partner diese Frage bejahen kann, bietet es sich an, selbst in Ladeinfrastruktur zu investieren und damit Umsätze zu generieren – das wird sich langfristig rechnen“, gibt Zierer an. „Wer nur dabei sein will, der ist in einer Kooperation besser aufgehoben.“
Wer denkt, dass die Standort-Partner angesichts der händeringenden Standort-Suche der HPC-Branche Schlange stehen, der irrt. „Selbst im Jahr 2021 ist das noch eine gewisse ‚Missionierung der Menschheit‘. Selbst wenn einer unserer Partner einem Standort-Partner verspricht, auf eigene Kosten Ladeinfrastruktur zu bauen und zu betreiben und für diese Aufwertung des Standorts sogar noch eine Pacht zahlt, muss man noch gegen die üblichen Vorurteile und Zweifel ankämpfen“, berichtet Zierer. „Es ist ganz, ganz selten der Fall, dass ein Standort-Partner direkt zusagt, obwohl er für die Aufwertung seines Standorts keinen Cent zahlen muss. Viele erkennen diese wahnsinnige Chance für ihren Standort nicht.“
Mit anderen Worten: der Ausbau stockt.
Abhilfe will hier der Bund schaffen – etwa mit dem FlächenTOOL. Über die Plattformen sollen sich Nutzer über die Liegenschaften in Deutschland informieren können, die für den Aufbau von Ladeinfrastruktur potentiell zur Verfügung stehen. Wer über ein in seinen Augen geeignetes Grundstück verfügt, kann das im FlächenTOOL einstellen und so die Ladeinfrastrukturbetreiber darauf aufmerksam machen.
„Das FlächenTOOL ist sehr interessant, wir arbeiten täglich damit“, berichtet Zierer. „Die Praktikabilität des Tools ist hervorragend. Die Brücken zwischen uns und den Standortpartnern zu bauen, klappt sehr gut.“ Drei Mitarbeiter von Charge Construct sind ausschließlich damit beschäftigt, geeignete Flächen für HPC-Lader zu finden und dabei auch neue Inserate aus dem FlächenTOOL zu kontaktieren.
Wo Licht ist, ist aber auch Schatten: „Zu wenige hochkarätige Standortpartner wie zum Beispiel große Immobilienverwalter nutzen das Tool“, so Zierer. „Hier müssen wir oft in die Direktansprache gehen. Für AC-Ladepunkte mag das vielleicht funktionieren. Leider mangelt es jedoch an attraktiven HPC-Standorten.“
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