Kabinett beschließt LSV-Novellierung – Kartenterminal-Pflicht ab 2023
Das Bundeskabinett hat nun die Novellierung der Ladesäulenverordnung auf den Weg gebracht. Die Änderung sieht vor, dass Ladesäulenbetreiber beim Ad-hoc-Laden ab Juli 2023 mindestens eine kontaktlose Zahlung mittels gängiger Debit- und Kreditkarte als Mindeststandard anbieten müssen.
Gegenüber dem Kompromiss, der in der vergangenen Woche bekannt wurde, ist das eine große Änderung. Die beschlossene Regelung zum einheitlichen Bezahlsystem gilt für alle Ladesäulen, die ab dem 1. Juli 2023 erstmalig in Betrieb genommen werden. Bestehende Säulen müssen nicht nachgerüstet werden. Bisher hieß es, dass auch Ladepunkte, die seit dem 18. Juni 2016 in Betrieb genommen wurden, bis 2023 nachgerüstet werden müssen.
„Damit die E-Mobilität sich auf breiter Front durchsetzt, müssen wir nicht nur die Autos fördern, sondern auch das Laden und Bezahlen einfach und unkompliziert gestalten“, sagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. „Künftig kann an öffentlich zugänglichen Ladesäulen einfach und schnell mit gängiger Kredit- und Debitkarte bezahlt werden. So kann jeder jederzeit an diesen Ladesäulen Strom laden und bezahlen – auch Kunden, die kein Smartphone besitzen. Zugleich wird so das grenzüberschreitende Laden und Bezahlen an Ladesäulen ermöglicht, denn die Kreditkarte ist überall einsetzbar.“
Konkret müssen Ladesäulen, die ab dem Stichtag 1. Juli 2023 in Betrieb genommen werden, über ein Kartenlesegerät und ein PIN-Pad zur Eingabe der Geheimnummer verfügen. In einem Infopapier zu der Verordnung heißt es, dass mehrere Ladepunkte über ein „gemeinsam genutztes Terminal zur Authentifizierung und Durchführung des Zahlungsvorgangs in unmittelbarer Nähe verfügen“ können – theoretisch benötigt also nicht jede Ladesäule ein eigenes Terminal.
Die Branchenverbände aus den Bereichen Auto, Energie und Elektronik hatten zuletzt vehement gegen eine solche Lesegeräte-Pflicht lobbyiert, während die Finanzbranche sich für die Giro- und Kreditkarten-Bezahlmöglichkeit an Ladesäulen stark gemacht hatte. Aus Sicht der Auto- und Energiebranche nutzen bereits heute über 90 Prozent der Kunden spezielle Lade-Angebote und zahlen nicht Ad-hoc. Die Pflicht zum Einbau der Lesegeräte sei damit teuer und verzögere den Ausbau des Ladenetzes.
Das sieht auch das Bundeswirtschaftsministerium ein und kündigt Fördergelder für die Kartenterminals an. Details hierzu gibt es aber noch nicht. Der Energiewirtschaft reicht dieses Entgegenkommen aber nicht aus, sie sieht mit dem Kabinettsbeschluss ihre Haltung bestätigt. „Statt Hindernisse aus dem Weg zu räumen, wurde mit der Pflicht zum Einbau von Kartenlesegeräten ein zusätzlicher Bremsklotz geschaffen“, sagt Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des BDEW. „Das macht insbesondere mit Blick auf das ebenfalls heute verabschiedete Klimaschutzgesetz keinen Sinn, denn das wird dann mit Leben gefüllt, wenn wir an Tempo auch im Bereich Elektromobilität gewinnen.
Ein weiterer Punkt: Ladesäulen mit Kartenterminal müssen laut dem BMWi erneut mess- und eichrechtlich zertifiziert werden, da das Kartenterminal nicht Teil der derzeitigen Zertifizierung ist. Daher solle die neue Regelung erst ab Mitte 2023 gelten, damit die Hersteller ausreichend Zeit für diese Maßnahme hätten, so das BMWi. Andreae stellt das nicht zufrieden: „Dieser Prozess wird dauern, das verlangsamt natürlich das Ausbautempo.“
Bestandsschutz sorgt für Parallel-Betrieb
Allerdings bedeutet die nun beschlossene Novellierung der Ladesäulenverordnung auch, dass es über mehrere Jahre hinweg Ladesäulen geben wird, an denen per Debit- oder Kreditkarte gezahlt werden kann und gleichzeitig auch Säulen (Stichwort Bestandsschutz), an denen das nicht möglich ist. An den neuen Säulen mit Kreditkartenterminal wird es aber weiterhin möglich sein, per RFID-Ladekarte oder App zu laden. Wie nutzerfreundlich diese Lösung also ist, wenn der Autofahrer im Vorfeld nicht erkennen kann, ob er per Kreditkarte zahlen kann oder doch eine Ladekarte benötigt, wird sich 2023 zeigen.
Weitere beschlossene Änderungen der LSV werden deutlich früher greifen. Sobald die Neufassung der Ladesäulenverordnung gilt, werden etwa auch Normalladepunkte (also bis 22 kW) zugelassen, die ausschließlich über ein fest angeschlagenes Kabel verfügen. Bisher war das nur bei Schnellladepunkten (über 22 kW) der Fall.
Zudem wird bei Ladepunkten, die ab dem 1. März 2022 in Betrieb genommen werden, eine neue Schnittstelle zum Datenaustausch vorhanden sein. Über die standardisierte Schnittstelle werden Autorisierungs- und Abrechnungsdaten sowie dynamische Daten zur Betriebsbereitschaft und zum Belegungsstatus übermittelt. Von den dynamischen Daten zum Belegungsstatus und Betriebsbereitschaft sollen Routen besser geplant werden und den Nutzern weitere digitale Dienste angeboten werden können.
Außerdem wird die Definition eines öffentlichen Ladepunktes angepasst. Bisher war die öffentliche Zugänglichkeit darüber definiert, ob der zum Ladepunkt gehörende Parkplatz tatsächlich von jedermann befahren werden kann oder nicht. Ein Firmen-Stellplatz vor einem Gebäude wäre also theoretisch öffentlich zugänglich gewesen. Hier hätte eine physische Abgrenzung mit Schranken oder Pollern erfolgen müssen.
Jetzt reicht es aus, wenn eine „deutlich sichtbaren Beschilderung oder Kennzeichnung“ die Nutzung des Ladepunkts auf einen „klar abgrenzbaren, bestimmten Personenkreis beschränkt“, so das BMWi. Gerade Besucherparkplätze an Firmen, Arztpraxen oder Hotels wären damit oft öffentlich zugänglich gewesen – damit hätten Ladepunkte dort sämtliche Anforderungen der LSV erfüllen müssen, was die Hürden für die Errichtung eines Ladepunktes angehoben hat. Durch die neue, „pragmatische“ Lösung könne der Zugang nun vergleichsweise niederschwellig geregelt werden, so das BMWi.
Nach Abschluss des Notifizierungsverfahrens durch die EU-Kommission wird sich als nächstes der Bundesrat mit den geplanten Änderungen befassen.
finanztreff.de, bmwi.de (Altmaier-Zitate), bmwi.de (Infopapier als PDF), bmwi.de (LSV als PDF)
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