Volvo XC40 Recharge Pure Electric im Fahrbericht

Auf Basis des Kompakt-SUV XC40 hat Volvo sein erstes Elektroauto auf den Markt gebracht. Das „Recharge“ genannte Modell übernimmt viel Technik vom Polestar 2. Den Schweden ist so ein durchaus gutes E-Auto gelungen. Hier ist unser Fahrbericht:

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Zunächst aber noch ein kleiner Rückblick: Der Volvo XC40 ist eigentlich nicht das erste Elektroauto der Schweden. Die Ölkrise 1973 zwang Volvo dazu, Autos zu bauen, die weniger Sprit verbrauchen und insgesamt umweltschonender unterwegs sein sollten. Eines dieser damals entstandenen Modelle war der Volvo Elbil, welcher 1976 in zwei Varianten herauskam: Das gelbe Modell war für die Post und das orangene Modell für den Privatgebrauch vorgesehen. Wirklich eine Chance hatte das Modell allerdings nicht – es blieb am Ende bei Prototypen. Ganz anders sieht es heute mit dem XC40 aus.

Optisch unterscheidet sich der vollelektrische XC40 kaum von den anderen Antriebsvarianten des Modells. Lediglich der geschlossene Kühlergrill fällt auf und auch der Schriftzug gibt noch einen Hinweis auf die Antriebsart. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liegt im Schriftzug u.a. am Heck. Viel mehr Unterschiede gibt es nicht.

Auch im Innenraum unterscheidet sich der rein elektrische Schwede kaum. Gewohnt auf das Wesentliche reduziert, entspricht somit auch das Cockpit nahezu dem aus den anderen XC40-Varianten. Dieses wirkt sehr aufgeräumt und es gibt nur wenige haptische Bedienelemente. Die Materialien im Innenraum wirken hochwertig und gut verarbeitet. Bei einem Brutto-Listenpreis von 59.250 Euro darf man dies allerdings auch erwarten.

Wie auch der Polestar 2 baut der Volvo XC40 auf der gemeinsam von Volvo und Geely entwickelten CMA-Plattform (Common Modular Architecture) auf. Angetrieben wird der Elektro-Schwede von zwei Permanentmagnet-Synchronmotoren – je ein E-Motor mit 150 kW an der Vorder- und Hinterachse – mit einer Systemleistung von 300 kW und 660 Nm. Innerhalb von 4,9 Sekunden beschleunigen sie den XC40 von 0 auf 100 km/h. Schluss ist dann – wie mittlerweile bei allen Volvo-Modellen – bei 180 km/h. Wie sich der Antrieb macht, darauf gehen wir weiter unten ein.

Für die nötige Energie sorgt ein chemischer Speicher mit 78 kWh (75 kWh nutzbar). Dieser soll eine WLTP-Reichweite von 418 km ermöglichen. Den Verbrauch geben die Schweden für das knapp 2,2 Tonnen schwere Elektroauto mit 23,8 bis 25 kWh/100 km an. An einer AC-Lademöglichkeit kann der Akku mit dem dreiphasigen On-Board-Lader (11 kW) innerhalb von 8 Stunden aufgeladen werden. Allerdings muss die im Fahrerinformationsdisplay angezeigte Restladezeit mit Vorsicht genossen werden. So verlängerte sich im Test kurzfristig das Ende des Ladevorgangs um eine Stunde.

Schneller geht es an einer DC-Ladestation. Mit maximal 150 kW kann der Akku aufgeladen werden. Für den DC-Ladevorgang gibt Volvo eine Ladezeit von 40 Minuten von 0 auf 80 Prozent an. Doch auch hier gilt: Nur im Idealfall ist die angegebene Ladezeit zu erreichen. Für die ideale Ladekurve bzw. maximale Ladeleistung muss die Außentemperatur laut Volvo zwischen 20 und 35 Grad Celsius liegen. Im Winter bricht die Ladeleistung – wie der Test mit dem Polestar 2 bereits zeigte – deutlich ein.

Und in noch einem Punkt ähneln sich der XC40 und der Polestar 2: beim Betriebssystem. Denn als erstes Volvo-Modell setzt der XC40 Recharge Pure Electric auf Android Automotive von Google – inklusive Google Assistant. Auch wenn der Polestar 2 dieses Feature zuerst erhielt.

Schnell sind das aktuelle Wetter oder die Ergebnisse der Handball-Bundesliga abgefragt. Vereinzelt kann es jedoch sein, dass Google einen nicht richtig versteht. Gerade wenn man den genauen Wortlaut nicht kennt. Dennoch erfüllt die Sprachsteuerung ihre Aufgabe grundsätzlich sehr gut.

Dies trifft auch auf die Navigation zu. Auch wenn es hier und da zu Verständnisproblemen bei der Zieleingabe kommt. Bei der Routenplanung werden auch die Ladestopps mit eingeplant. Allerdings zeigt sich hier eine Schwäche des Systems: Zwar funktioniert die Berechnung des Rest-SoC (State of Charge) zuverlässig, doch die Ladestopps sollten überprüft werden. So kann es sein, dass das System einen ungewollt zu 50-kW-Ladesäulen oder Tesla Superchargern schickt.

Von Hamburg nach Schwalmstadt und zurück

Für die regelmäßig gefahrene Strecke von Hamburg nach Schwalmstadt und zurück war eine detaillierte Routenplanung mit Ladestopps ohnehin nicht notwendig. Die Zahl der High Power Charger steigt an diesem Abschnitt der A7 stetig an – was auch für die Anzahl der Anbieter gilt.

Also einsteigen, Schlüssel ins Zündschloss stecken und… Nein, das ist nicht notwendig. Denn im Vergleich zu vielen anderen Herstellern – Tesla einmal ausgenommen – muss kein Schlüssel mehr ins Zündschloss gesteckt oder ein Start-Stopp-Knopf gedrückt werden. Einzig Sensoren im Fahrersitz entscheiden über den Betriebszustand des Fahrzeugs. Auch verschiedene Fahr-Modi gibt es nicht. Auf die üblichen „Sport“-, „Komfort“- oder „ECO“-Modi wurde verzichtet. Einfacher geht es kaum noch.

Der Betriebszustand „Startbereit“ war somit bereits hergestellt, das Ziel „Fastned in Hildesheim“ im Navi eingegeben und die Route sowie die Rest-Kapazität bei Ankunft wurden berechnet. Mit einem SoC von 92 Prozent ging die Fahrt los. Nach gut 184 Kilometern wurde Fastned nach 2:45 Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 70 km/h und bei 10 Grad Außentemperatur erreicht. Wo möglich lag die Reisegeschwindigkeit bei rund 130 km/h. Der Bordcomputer zeigte einen Verbrauch von 26 kWh/100 km und einen SoC von 26 Prozent an.

Eine Anzeige für die Restreichweite gibt es übrigens erst ab einem SoC von 20 Prozent. Bei Bedarf kann jedoch der Google Assistant zur Restreichweite befragt werden. Das ist gewollt, denn die Anzeige der Restkilometer ist nur eine Momentaufnahme.

Im Cockpit selbst werden die wichtigsten Infos zum Laden auf dem Fahrer-Display angezeigt. Ein auch von außen gut sichtbarer, grün blinkender Rand zeigt den aktiven Ladevorgang an, auf dem Bildschirm selbst werden der Ladestand, das erwartete Lade-Ende, die Reichweite und die „Aufladegeschwindigkeit“ in km/h angezeigt. Die Ladeleistung in kW gibt es nicht, dafür noch die aktuelle Batteriespannung. Ohne die Stromstärke, die nicht angezeigt wird, kann sich der Nutzer die Ladeleistung nicht einmal manuell errechnen. Das wirkt wenig konsequent: Eine Angabe der Ladegeschwindigkeit in km/h mag mit der bekannten Einheit kundenfreundlich wirken – aber wird sie mit dem tatsächlichen Verbrauch, dem Normverbrauch oder einem anderen Wert berechnet? Und warum wird dennoch die Spannung angezeigt, aber nicht Leistung und Stromstärke?

Mit einem SoC von 80 Prozent ging es nach einer guten Stunde weiter nach Schwalmstadt. Das Navigationssystem berechnete die Ankunft in Hessen mit einem SoC von 17 Prozent. Das passte – wie das Sprichwort schon sagt – wie „die Faust aufs Auge“. Für die zweite Etappe wurden 202 km in 2:46 Stunden zurückgelegt. Für die Gesamtstrecke von Hamburg nach Schwalmstadt standen am Ende 386,4 zurückgelegte Kilometer in 5:31 Stunden auf der Uhr. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 73 km/h. Und der Verbrauch? Hier zeigte der Bordcomputer 25,6 kWh/100 km an. Geht es nach dem Bordcomputer, wurden 97,5 kWh für die Strecke benötigt. Doch inklusive der Ladeverluste ergab sich ein anderes Bild: Demnach wurden 108 kWh benötigt, womit die Ladeverluste bei knapp über 10 Prozent lagen.

Die Rückfahrt nach Hamburg kann an dieser Stelle gekürzt wiedergegeben werden. Denn da ergab sich ein ähnliches Bild beim Verbrauch und den Ladeverlusten. Lediglich die Durchschnittsgeschwindigkeit für 380,8 zurückgelegte Kilometer lag mit 84 km/h über dem Wert der Hinfahrt. Wer die beiden Fahrten noch einmal verfolgen möchte, der kann dies bei Twitter hier für die Hinfahrt und hier für die Rückfahrt tun.

Ernüchternde Autobahn-Reichweiten

Je nach Fahrweise sind mit dem XC40 somit nur zwischen 230 und 270 Kilometer auf der Autobahn möglich. Angesichts der Batteriegröße ein etwas ernüchterndes Ergebnis. Der Luftwiderstandsbeiwert mit 0,329 ist hier nicht gerade förderlich und auch die Stirnfläche trägt ihren Anteil zum Verbrauch bei. Im Stadtverkehr und auf Landstraßen ist mit einer deutlich höheren Reichweite zu rechnen. Hier kann der Verbrauch auch unter die Marke von 20 kWh/100 km fallen. Die Reichweiten liegen hier zwischen 300 und 350 km. Überraschend kommen die Ergebnisse allerdings nicht, haben doch schon die Erfahrungen mit dem Polestar 2 gezeigt, wohin die Reise beim XC40 geht.

Was lässt sich nun abschließend zum Fahrgefühl sagen? Der Volvo XC40 Recharge Pure Electric meistert seine Aufgabe sehr gut. Die Schubkraft der beiden E-Motoren mit der Systemleistung von 300 kW ist ordentlich. Mühelos beschleunigt der XC40 auf seine Höchstgeschwindigkeit und dennoch lässt es sich mit ihm auch angenehm dahingleiten. Besonders auf der Autobahn ist der Reisekomfort sehr hoch.

Vorteilhaft erweisen sich bei einer längeren Tour auch die zahlreichen Assistenzsysteme. Die Spur wird recht zuverlässig gehalten. Das kapazitive Lenkrad muss im Pilot-Assist-Modus allerdings recht häufig bewegt werden. Der Lenkassistent arbeitet zudem nur bis 130 km/h mit. Darüber hinaus muss das Lenkrad wieder vollständig übernommen werden. Teil des Systems ist auch die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage mit Abstandsautomatik, die für einen ausreichenden Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug sorgt.

Auf der Landstraße bzw. auf kurvigen Strecken hält der Volvo einen zuverlässig in der Spur. Auch die Kartendaten von Google Maps zu Straßenverläufen, Kurven sowie Steigungen und Gefällen optimieren die Funktionsweise von Pilot Assist auf solchen Straßen, was gut funktioniert. Ein weiterer Pluspunkt im Alltag ist das „One-Pedal-Driving“, welches bis zum Stillstand des Fahrzeugs arbeitet. Lästiges Wechseln der Pedale ist somit nicht zwingend notwendig. Verschiedene Stufen der Rekuperation gibt es aber nicht – entweder an oder aus.

Zu große Bodenwellen oder Schlaglöcher fordern das Fahrzeug minimal heraus. Die Dämpfung könnte etwas kommoder sein. Dennoch macht das Fahrgefühl im Volvo insgesamt einen komfortablen Eindruck. Eine gute Mischung aus Sportlichkeit, Dynamik, Stabilität und Kontrolle. Verantwortlich dafür sind vor allem zwei Faktoren: Die grundlegende Fahrzeugstruktur mit der tief und zentral angeordneten Batterie, Fahrwerksabstimmung und das Antriebsprinzip mit je einem Elektromotor an der Vorder- und an der Hinterachse. Gegenüber den Varianten mit Verbrennungsmotor wurde die Bodenfreiheit des rein elektrischen XC40 übrigens um 35 Millimeter auf 176 Millimeter reduziert.

Platzbedarf, Kofferraum und Anhängelast

Für den nötigen Komfort sorgen die Sitze – dies gilt für den Fahrer- und Beifahrersitz als auch für die Sitze im Fond. Platzmangel gibt es selbst für große Menschen nicht – einzig hinter dem Fahrersitz kann es je nach Beinlänge etwas eng werden. Ohnehin macht der Innenraum nicht nur einen aufgeräumten, sondern auch recht komfortablen Eindruck.

Der Kofferraum fasst 414 Liter. Die Rücksitzlehne im kompakten Premium-SUV ist im Verhältnis 60:40 oder komplett umklappbar. Beim Umlegen entsteht eine nahezu ebene Ladefläche, womit das Ladevolumen auf 1.290 Liter wächst. Das geht in Ordnung, könnte aber mehr sein. Zusätzliches Volumen von 31 Litern liefert der sogenannte Frunk unter der Motorhaube – keine Selbstverständlichkeit bei Fahrzeugen, die sich die Plattform mit Verbrenner-Modellen teilen.

Darüber hinaus bietet der Volvo XC40 Recharge Pure Electric eine Anhängelast von 1.500 kg gebremst bzw. 750 kg ungebremst an. Die Stützlast liegt bei 90 kg, die maximale Dachlast bei 75 kg. Auch so sollte sich im Fall der Fälle noch Gepäck unterbringen lassen.

Fazit

Der XC40 Recharge Pure Electric bleibt ein echter Volvo. Hoher Komfort, Qualität bei den ausgewählten Materialien und der Verarbeitung zeichnen ihn aus. Hinzu kommt ein kräftiger Antrieb. Doch das Ganze hat auch seinen Preis. So kostet der rein elektrische Kompakt-SUV inklusive Steuern mindestens 59.250 Euro – ist dafür jedoch schon sehr gut ausgestattet. Der Preis lag vor wenigen Tagen übrigens noch über der „magischen Grenze“ von 60.000 Euro (brutto), womit das Modell als Dienstwagen jetzt nur noch mit 0,25 Prozent bei der Privatnutzung als geldwerter Vorteil versteuert werden muss. Alternativ kann das Fahrzeug auch für 699 Euro gemietet werden.

Wer das zu teuer findet, aber dennoch einen rein elektrischen Volvo fahren will, der sollte den Blick auf die zweite Jahreshälfte 2021 richten. Denn dann kommt ein XC40 Recharge Pure Electric mit kleinerer Batterie und nur einem Motor. So wie auch Polestar erst im April einen Polestar 2 als Frontantriebs-Version angekündigt hat.

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